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Aufhebung der Milchsekretion hervor. Die
an den Zitzen befindlichen Aphten hindern
nicht nur mehr oder weniger das Melkgeschäft
, sondern können schwere Euterentzündungen
veranlassen. Die an und im Maule
sitzenden Blasen und Geschwüre machen das
Erfassen und Zerkleinern des Futters unmöglich
.
An den Klauen können sich ganz besonders
schwere Veränderungen in Form von Loslösen
und Abfallen des Klauenschuhes und
verschiedene mit Blutvergiftung einhergehende
Komplikationen bilden. Todesfälle bilden
durchaus keine Ausnahme, besonders im Verlaufe
der bösartigen Form der Aphtenseuche,
welche namentlich bei den am schwersten infizierten
, insbesondere jugendlichen Tieren auftritt
, aber auch bei den von der sogenannten
gutartigen Form befallenen Rindern, ja sogar
solchen, welche bis zum Eintritt des Todes
keinerlei Krankheitserscheinungen gezeigt
hatten. Lange Zeit entging die wahre Ursache
des Leidens den bakteriologischen Nachforschungen
. Die in den Blasen enthaltene
klare und farblose Flüssigkeit, die Aphten-
lymphe, welche doch die Krankheit hervorzurufen
vermag, zeigt nämlich im Mikroskop
keinerlei Keime, obwohl dieselben gegenwärtig
sind. Wie bei gar vielen menschlichen und
tierischen Infektionskrankheiten wird auch bei
der Maul- und Klauenseuche der Ansteckungsstoff
durch ein unsichtbares, ßltrierbares Virus
gebildet.
Schon oft hatten wir in diesbezüglichen Artikeln
Gelegenheit, unsern Lesern die grosse
Rolle, welche die Aphtenseuche in tierzüchte-
risch-wirtschaftlicher wie sanitärer Hinsicht
spielt, eingehend vor Augen zu führen und
hoben hierbei immer wieder die durch diese
Seuche verursachten ganz enormen wirtschaftlichen
Verluste hervor, bestehend vor allem in
stark verminderter Milchproduktion, Absperrung
resp. beschränktem Gebrauch der Tiere,
dem erschwerten Handel, in den verschiedenen
Komplikationen und Folgen dieser Krankheit
und den manchmal auch häufigen Todesfällen.
Prägen wir uns ein, dass man zur Zeit die
durch einen einzigen kurzen und milden
Klauenseuchegang in Frankreich verursachten
Verluste auf mehr wie 200 Millionen
Franken schätzt. Die Gefahr dieser Seuche
besteht gegenwärtig vor allem darin, dass dieselbe
sich immer als stationär, permanente
Krankheit in Gegenden festsetzt, wo sie vordem
nur, auf irgendeine Weise eingeschleppt,
in verschieden langen Zwischenräumen auftrat
. Wir sagten schon früher, dass wir nunmehr
in Frankreich permanente Klauenseuchenherde
haben.
Die Aphtenseuche ist auf die für sie
empfindlichen Tierarten ausserordentlich
leicht übertragbar. Sobald sich das initiale Infektionsfieber
einstellt, sind Blut, Milch und
Urin virulent, ansteckend. Sehr ansteckend
ist namentlich der Aphtenblaseninhalt. Die
Milch infizierter Tiere muss als eine besonders
gefährliche Ansteckungsquelle angesehen werden
und dies ist aus den grossen Verlusten an
jungen säugenden Tieren, Kälbern, Ferkeln,
Lämmern und Zicklein, deren Mütter klauenseuchekrank
sind, wohl ersichtlich. In diesen
Fällen erfolgt die Uebertragung entweder
durch die bereits beim Austritt aus der Milchdrüse
virulente Milch oder durch Milch,
welche ursprünglich nicht virulent, nachträglich
durch den Inhalt der am Euter und an
den Zitzen sitzenden Blasen beim Melkakt
verunreinigt wurde.
Bezüglich der sanitären, also volksgesundheitlichen
Rolle der Aphtenseuche sei bemerkt,
dass ihre Uebertragung vom Tier auf den
Menschen schon lange festgestellt ist. Im allgemeinen
tritt sie aber nicht in so gehäufter,
seuchenartiger Weise beim Menschen auf.
Gelegentlich grosser Seuchengänge, wobei oft
binnen einiger Wochen fast alle Tiere einer
Gegend befallen werden, treten zwar auch viele
Fälle beim Menschen auf, aber nicht gehäuft,
sondern einzeln, isoliert. Doch ab und zu
kommen auch Orts-, Familien- und Schul-
epidemien von Aphtenseuche vor.
liei der Uebertragung auf den Menschen
kann das Virus durch die Haut oder durch
die Schleimhäute in den Körper gelangen,
d. h. durch Inhalation oder auf alimentärem
Wege. Die Ansteckung geschieht vor allem
durch den Genuss frischer, roher Milch
kranker Tiere oder beim Melken, wobei leicht
die Hände bei bestehender Eutererkrankung
infizirt werden können. Jedenfalls ist mehr
als die Hälfte der Krankheitsfälle auf den Genuss
kranker Milch zurückzuführen.
Die Milch kranker Tiere ist umso gefährlicher
, je frischer und schneller sie genossen
wird. Die im Handel verkaufte Sammelmilch
kann durch Beimengung von aus Klauenseuche
-Stallungen stammender infizierter
Milch Ansteckungen verursachen.
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