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Ill
Die bei Kälbern und Ferkeln durch die
Milch erkrankter Muttertiere ausgeübte
toxische Wirkung, wobei die Tierchen oft
schlagartig sterben, ist natürlich auch beim
menschlichen Säugling zu befürchten. Jedenfalls
möchten wir auf die interessante und
wichtige Tatsache hinweisen, dass beim Auftreten
der Maul- und Klauenseuche, bevor
dieselbe nur zur Anzeige gelangt, man bei
Kindern beinahe immer Entzündungen der
Mundschleimhaut, Fieber und Durchfall wahrnimmt
, welche auf Milch kranker Kühe zurückzuführen
sind. Die Milch infizierter
Tiere ist namentlich im Anfangsstadium der
Krankheit, also im Momente, wo noch keine
Aphten im Maule, an den Zitzen und Klauen
sichtbar sind, gefährlich. Demnach vermögen
Kühe vor dem Auftreten manifester Krankheitserscheinungen
durch ihre Milch Kälber,
Ferkel und Kinder krank zu machen. Die auf
den Menschen übergegangene Krankheit lässt
sich experimentell auf das Rind durch Einspritzen
von Speichel kranker Personen rückübertragen
.
Halten wir die Tatsache fest, dass die von
angesteckten Stallungen stammende, frisch,
roh, schnell und mehrere Tage hindurch genossene
Milch nicht nur vereinzelte Fälle von
Aphtenseuche beim Menschen, sondern manchmal
wahre, mehr oder weniger schwere Epidemien
verursachen kann, wobei als wesentlichste
Merkmale Fieber, Blasenbildung im
Munde, namentlich bei Kindern, Magen- und
Darmstörungen, Aphten an den Händen, im
Gesicht, an den Brüsten und, was für uns besonders
interessant ist, das gleichzeitige
Herrschen der Krankheit des Menschen mit
demjenigen der Aphtenseuche beim Vieh,
wahrgenommen werden. Infolge der Flüchtigkeit
des Kontagiums und ihrer ausserordentlichen
Ansteckungsfähigkeit ist die Bekämpfung
der Maul- und Klauenseuche sehr
erschwert, trotz aller strengen sanitären Massnahmen
. Dies ist aber viel weniger der Fall,
wenn mit den seuchenpolizeilichen Bekämpfungsmassregeln
rechtzeitig eine wirksame
Schutzimpfung verbunden wird. Da die
menschliche Ansteckung durch tierische Produkte
vollauf erwiesen ist, müssen in dieser
Hinsicht alle Vorsichtsmassnahmen zur Verhütung
von Uebertragungen beachtet werden
und diese betreffen beinahe ausschliesslich die
Milch. So schreibt Art. 190 des Viehseuchengesetzes
betreffend die Verwendung der aus
angesteckten Ställen stammenden Milch vor,
dass das Weggeben von Milch aus dem Gehöft
an die Bedingung der vorherigen Abkochung
oder einer anderen ausreichenden Erhitzung
zu knüpfen ist. Dies hat zu erfolgen durch
Erhitzung über offenem Feuer bis zum wiederholten
Aufkochen oder durch unmittelbar
oder mittelbar einwirkenden strömenden
Wasserdampf auf 85 Grad oder durch Erhitzung
im Wasserbade auf 85 Grad für die
Dauer einer Minute. Kann eine wirksame
Erhitzung nicht gewährleistet werden, so ist
das Weggeben von Milch aus dem Gehöfte zu
verbieten. Für die Abgabe von Milch an
Sammelmolkereien, in denen eine wirksame
Erhitzung der gesamten Milch gewährleistet
ist oder für ihre Ueberführung in eine Sterili-
sierungsanstalt zwecks Abkochung, können
Ausnahmen vom Sous-Préfet zugelassen
werden. Unabhängig von diesen veterinärpolizeilichen
Vorschriften ist es grösste Pflicht
der Viehbesitzer, die schon oft erwähnten
milchhygienischen Vorschriften beim Melken
zu befolgen. Die Melker müssen sich nach
jedem infizierenden Kontakt gründlich desinfizieren
. Dem Melken vorangehende Waschungen
der Euterviertel und Zitzen mit lauwarmem
Seifen- oder Jawellwasser und dann abgekochtem
Wasser würden die Ansteckungsmöglichkeiten
bedeutend vermindern. Diese
Forderung ist umso mehr berechtigt, als die
von aphtenseuchekranken Tieren herrührende
Milch noch durch sekundäre Infektionen sich
sehr stark zersetzen und dann schwere Magen-
Darmentzündungen bei Kindern veranlassen
kann.
Die Diphtérie.
Unter den diphterischen Erkrankungen der
Tiere bildet eine, nämlich diejenige des Geflügels
, immer noch einen interessanten Diskussionsgegenstand
. Ueber die Geflügeldiph-
terie haben wir in dem im Almanach agricole
IQ34 über Geflügelseuchen erschienenen Artikel
das erforderliche Wissenswerte angeführt
.
Seit lange schon und zu wiederholten Malen
wurde das gleichzeitige Auftreten von
Menschen- und Geflügeldiphterie beobachtet,
woraus die Identität beider Erkrankungen,
welche übrigens gewisse übereinstimmende
klinische Erscheinungen aufweisen, geschlossen
wurde. Allerdings ähneln die in den
Krankheitsherden der Vögel vorgefundenen
Bakterien sehr denjenigen der Menschendiph-
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