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Verkannte Freund
Neben den zahlreich auftretenden Unkräutern
und pflanzlichen Schädlingen hat der
fleissige Landmann viel gegen das Ungeziefer
zu kämpfen. Der Mej'..,ch steht oft machtlos da
gegen eine vieltausendköpfige Menge solcher
Unholde.
Doch auch die Schädlinge unserer Pflanzenwelt
haben ihre Feinde, die uns bei der Vertilgung
des Ungeziefers eifrig zur Hand gehen.
Es ist merkwürdig, wie wenig die Menschen
diese ihre treuen und ausdauernden Gehilfen
kennen und schätzen. Beschämend ist es geradezu
, wenn man sieht, wie Unverstand, Abneigung
oder Aberglaube jene treuen Freunde
rücksichtslos verfolgen, quälen oder gar töten.
Wie schlimm der gute Maulwurf daran ist,
kann man fast täglich beobachten. Kein Wunder
auch, da gross und klein den flinken
Schwarzrock nicht anders kennt, als Wurzelnager
und Pflanzenfresser im Garten, Wiese
und Feld. Fr wird darum verfolgt und getötet
, wo auch man seiner habhaft werden kann.
In vielen Gemeinden wird sogar für das Abfangen
des Maulwurfs eine Geldprämie ausgesetzt
und da kann man beobachten, wie die
Jugend mit wahrer Gier dieser Jagd obliegt.
Der Maulwurf ist aber gar kein Pflanzenfresser
, sondern ein Raubtier, das seine Jagd unter
der Erde ausübt auf Würmer, Engerlinge,
Larven und Insekten. Besonders fallen ihm
die Maikäfer, die noch in der Erde lehen und
deren äusserst schädliche Engerlinge zur
Pente. Diese sind iene Tiere, welche die Pflanzenwurzeln
massenhaft abfressen und benagen
und dadurch das Absterben derselben herbeiführen
. Der Maulwurf ist als Pflanzenfresser
gar nicht lebensfähig und in seinem Magen
wurde, beim Oeffnen desselben, niemals Pflanzennahrung
gefunden. Sein Gebiss zeigt spitze
Packenzähne, die zum Zerkleinern einer Pflanzenkost
gar nicht geeignet sind, während die
Pflanzenfresser breite Mahlzähne besitzen.
Wird nun der Maulwurf viel in Wiesen gefunden
und daselbst ein Zurückgehen des
Pflanzenwuchses beobachtet, so ist das nur
vielen schädlichen Insekten und Würmern zuzuschreiten
; denen geht hier der Maulwurf
eifrig zu Leite. Auch in seinem Bau trägt er
fleissig grosse Vorräte von Tiernahrung zu-
des Landmannes.
sammen. So wurden in einem Maulwurfsbau
I 280 Regenwürmer und 18 Engerlinge gefunden
, die als Wintervorrat zusammengetragen
waren.
Was den Landmann veranlasst die Verfolgung
aufzunehmen, ist der Umstand, dass der
Maulwurf ihm den Boden durchwühlt und
Erdhaufen aufwirft, wodurch ihm Arbeit erwächst
und wohl auch manches Pflänzchen
zugrunde geht. Ater selbst durch diese geringe
Schädigung nützt das Tier wieder. Bei
trockenem Boden fassen die Maulwurfsgänge
das Regenwasser und wirken befruchtend, in
nassen Zeiten fliesst das entbehrliche Wasser
durch dieselben ab. Durch das Zerhacken der
Erdhaufen werden die Röhren geöffnet und
vermag die für die Pflanzen so notwendige und
wohltätig wirkende Luft besser einzudringen.
Die £r<|hüg<el eben zu scharren verursacht nur
geringe Mühe ; zudem liefern diese einen guten
Stoff, um die vom Frost entblössten Wurzeln
zu bedecken, die Pflanzen zu düngen und
Unebenheiten auszufüllen. Der grosse Nutzen
steht folglieh in keinem Verhältnis zu dem
sehr geringen Schaden und gibt keine Veranlassung
zur Verfolgung des Tieres, dem
die Natur schon zahlreiche Feinde, wie Iltis,
Wiesel, Eule, Bussard und Fuchs gegeben
hat. Uebrigens gibt es Mittel, den Maulwurf
von Orten, wo er wirklich Schaden
anrichtet, wie auf Samenbeeten im Garten,
auf dem Flachsfelde usw. zu vertreiben, ohne
ihn zu töten. Da er jeden widerlichen Geruch
meidet, verjagt man ihn durch Aas jeder Art,
Teer, Petroleum, starkriechende Kräuter wie
Hollunder, wenn man denselben in seine Ausgänge
legt.
Nach dieser Schilderung wird wohl mancher
Landmann anderer Meinung über den
Schaden des Maulwurfs sein und erkennen,
dass die Vorurteile und Anklagen gegen dieses
muntere Tierchen entschieden zurückzuweisen
sind und dass viele Menschen unklugerwe'se
den besten Wohltäter ihrer Felder und Wiesen
vertilgen.
Auch den Igei dürfen wir unter den nützlichen
Tieren nicht vergessen. Er ist wie der
Maulwurf durch sein Gebiss darauf angewiesen
, sich von Insekten und kleineren Tieren zu
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