Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 5
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Freimaurer-Literatur

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"wenden werden." Mehrere der Delegirten, unter Anderen
Ernst Hamel, hatten sich geweigert, diese Provocation
zu unterzeichnen.

Kaum war die Einladung angeschlagen, so regnete
es individuelle und collective Protestationen. Ein Ehrwürdiger
schrieb: „Ich kann der Freimaurerei auf dem
neu eingeschlagenen Wege nicht folgen. Es handelt
sich nicht mehr um Versöhnung; man hat das humanitäre
und patriotische Ziel verlassen, das man anfanglich
verfolgte. Der Gross-Orient von Frankreich erklärt
durch die Mitglieder des Ordensraths, dass die allgemeine
Vereinigung aller regelmässig einberufenen Repräsentanten
der Bauhütten der Obedienz allein das
Recht habe, den Titel „GeneralVersammlung der französischen
Freimaurerei" anzunehmen; dass sich somit
die Freimaurerei des Gross - Orients von Frankreich
durchaus nicht für den gefassten Beschluss als gebunden
erachte; denn dieser verpflichte nur die Maurer,
welche demselben für ihre Person beigetreten seien."

Trotz dieses Protestes versammelten sich am 26.
ungefähr 1800 Maurer im Theatre du chätelet. Diese
Versammlung beschloss: Nachdem die Freimaurerei alle
Mittel der Versöhnung mit der Versailler Regierung erschöpft
hat, ist sie entschlossen, ihre Banner auf den
Wällen von Paris aufzupflanzen, und wenn eine einzige
Kugel die Banner träfe, würden die Freimaurer
gegen den gemeinsamen Feind marschiren." Man begab
sich in corpore nach dem Stadthause, um der Commune
Kenntniss von diesem Beschlüsse zu geben. Die Mitglieder
der Commune gingen den Delegirten entgegen und empfingen
sie im Ehrenhof. Der Redner der Delegirten Thirifoc (der
Name klingt schon wie der einer Moliere'schen Lustspielfigur
) erklärte: „von Anbeginn der Commune sei diese von
der Freimaurerei als Basis der socialen Reformen betrachtet
worden". Ein allgemeiner Ruf ertönte „Es lebe
die Commune! es lebe die Freimaurerei! es lebe die
Universalrepublik". Jules Valles bot dem Redner Thirifoc
seine rothe Schärpe an; Reden folgten auf Reden;
Mitglieder der Commune wechselten ab mit Freimaurern;
ein ehrwürdiger Meister vom Stuhl der schottischen Rose
verkündigte, die Commune sei der neue salomonische
Tempel. Die Deputation befestigte die rothe Schärpe an
ihr Banner und erhielt dazu eine rothe Fahne. Mit
zwei dreifachen Batterien nach französischem und schottischem
Ritus trennte man sich und gab sich Rendezvous
auf den Samstag 29. April zu einer grossartigen
Kundgebung, welche die gesetzliche Regierung zur Capitu-
lation nöthigen solle. Jules Valles rief im Cridupeuple
triumphirend aus: „Das ist die Niederlage von Versailles!"

Die verschiedenen Convokationen wurden erlassen;
die des schottischen Ritus luden die Br ein, ihr Banner
zu begleiten, welches die Verbrüderung der Völker reprä-
sentire und durch seine Gegenwart gegen die Tyrannei
protestiren und den kommenden Geschlechtern die Zukunft
der Freiheit sichern werde." Um 9 Uhr Vormittags versammelte
man sich im Hofe des Louvre. Jede Loge hatte
ihr Banner; jedes Mitglied trug die Zeichen seines Grades.
Ein Maler erklärte dem Herrn Du Camp Angesichts des
bunten unharmonischen Durcheinanders von Standarten,

Schärpen, Schürzen und Bändern: ich werde nie Freimaurer
, diese Leute haben zu wenig Farbensinn (sont
trop peu coloristes). Um 10 Uhr setzte sich der Zug
in Bewegung, voraus die Jäger der Commune, am Schlüsse
das 129. Bataillon der Föderirten. Am Eingang des
Tuilerienhofes kamen ihnen die Delegirten der Commune,
Felix Pyat, Lefrangais, Frankel, Pottre und Clement,
im höchsten Staate, von zwei Bataillonen begleitet, mit
rauschender Musik entgegen. Die verschiedenen Reden,
welche durch die Klänge der Marseillaise unterbrochen
wurden, resumirte Leo Meillet mit dem Rufe: „Ihr
habet die einzige Musik vernommen, die wir bis zum
Friedensschlüsse anhören können. Hier ist die rothe
Fahne, welche die Pariser Commune den maurerischen
Deputationen anbietet; sie wird euern Bannern voran
und den mörderischen Kugeln von Versailles entgegengetragen
werden." Thinifoc nahm die Fahne entgegen
mit den Worten: „Wenn man uns nicht anhört und auf
uns schiesst, so werden wir in die Kriegs - Compagnien
treten, um an der Schlacht Theil zu nehmen. Nun
keine Worte mehr, zur That." Diese That sollte darin
bestehen, dass man die Banner auf den Wällen aufpflanzte
und einen Waffenstillstand verlangte, um einen
letzten Schritt bei Thiers zu thun. Beim Abzug Hess
man einen Ballon steigen mit den drei maurerischen
Punkten und der Aufschrift: „Die Commune an Frankreich
." Der Zug war etwas über 2000 Mann stark,
glich aber mehr einem ungdordneten Haufen und wurde
theil weise ausgelacht; die Gassenjungen riefen: „Das
sind ja lauter Bandhändler!" In der Nähe des Triumphbogens
platzte eine Haubitze, allgemeine Panik; die
Neugierigen nehmen Reissaus, manche Maurer folgen
ihnen. Die Bombe war das Signal zu einem entsetzlichen
Geschützgefecht, das nun losbrach. Die „Kundgebung
" schlug wohlweislich einen minder gefahrvollen
Weg ein; ein feiner Platzregen kühlte die Erhitzten ab;
statt kühn unter dem Feuer der Batterien die Banner
aufzupflanzen und den Feind durch die moralische Kraft
zu entwaffnen, bat man durch Staffetten um Einhaltung
des Feuers und pflanzte die Parlamentärflagge auf eine
Barrikade. Die Geschütze schwiegen. Die Deputation,
aus ehrwürdigen Meistern bestehend, defilirte mit den
Bannerträgern durch die Allee der Grande Armee. Alle
hundert Meter weit wurden die im Wind flatternden
maurerischen Banner aufgepflanzt. Vierzig Delegirte
zogen ruhig in die avenue de Neuilly, ein weisses
Banner voran mit der Aufschrift: „Lasset uns einander
lieben." An der Brücke von Neuilly empfiug
der General Leclerc die Delegirten und führte drei
derselben mit verbundenen Augen zum General Muntaudon,
dem Oberbefehlshaber. Dieser war selbst Maurer. Nach
Auswechslung der üblichen Zeichen und Worte, erklärte
er ihnen, er sei Soldat und gehorche Befehlen, über die
er nicht das Recht habe zu diskutiren. Angesichts der
maurerischen Banner, die er zu achten gewohnt sei,
habe er es vorübergehend auf sich nehmen können, dem
Schiessen Einhalt zu thun, aber das sei nur eine Art
höflichen Waffenstillstands, den er ohne höhere Weisung
nicht verlängern dürfe. Er forderte die Delegirten auf,


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