Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 18
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0025
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Ganz anders liegt die Sache bei unsern Nachbarn
„draussen" im Reich.

Zur Zeit der grossartigen politischen Bewegung
des Jahres 1848 stand in Deutschland die Frage auf
der Tagesordnung und bildete sich bald zu einer Streitfrage
ersten Banges heraus, ob zuerst die Freiheit und
nächstdem die Einheit zu erstreben, oder ob der umgekehrte
Weg einzuschlagen sei, mit anderen Worten, ob
die Freiheit der Einheit oder ob die Einheit der Freiheit
vorgezogen werden solle. Anhänger der ersten
Ansicht waren die wahrhaft Liberalen; zur zweiten bekannten
sich vornehmlich die versteckten Gegner einer
freiheitlichen Entwicklung der deutschen Zustände. Damals
wurde weder die Freiheit noch die Einheit erlangt
. Eine brutale Reaction stemmte sich für lange
Jahre den berechtigten Wünschen des deutschen Volkes
entgegen. Schliesslich aber fanden diese dennoch, freilich
nur nach einer Richtung hin, Erfüllung, und zwar
in Folge des Eintretens für dieselben gerade desjenigen
Mannes, welcher während der Reactionsperiode sich am
energischsten gegen jede Concession ausgesprochen hatte.
Die deutsche Einheit ist zur Thatsache geworden; mit
„Blut und Eisen" wurde das neue deutsche Reich gegründet
und sein Fortbestand scheint gesichert. Gleichzeitig
gibt sich jedoch immer deutlicher das Bestreben
kund, Deutschland in ein erweitertes Preussen umzuwandeln
. Dass hierbei die Freiheit schlecht bedacht
wird, ist natürlich. Der Hauptgründer der deutschen
Einheit hat seine Grundsätze und seine Tendenzen weit
weniger geändert, als manche kurzsichtige Politiker anzunehmen
pflegen. Seine Bemühungen, die Centralisa-
tion auf immer weitere Gebiete auszudehnen, gehen
Hand in Hand mit seinen freiheitsfeindlichen Maassregeln,
und mit Recht wird von den Liberalen jede unter dem
Vorwand, die Einheit zu vervollständigen, unternommene
Stärkung der Centralgewalt bekämpft, weil sie in Heine's
ironischem Stossseufzer:

„Uns fehlt ein Nationalzuchthaus
Und eine gemeinsame Peitsche"
eine Prophezeihung erblicken, deren Verwirklichung von
Tag zu Tage näher rückt.

Wer weiss, ob der Plan, eine neue einheitliche
deutsche Grossloge zu errichten, nicht ebenfalls ein Glied
jener Kette bildet, welche man dem deutschen Volke
anzulegen beflissen ist! Wer weiss, ob der grosse profane
Centralisator nicht wissentliche oder unwissentliche
Mitarbeiter und Mitbeförderer seines Vorhabens innerhalb
der deutschen Brüderschaft gefunden hat! Wie
eine Correspondenz des „Triangel" treffend sagt, handelte
es sich bei dem durch Br Herrig, den Grossmeister
der Grossloge „Royal-York" zuerst angeregten,
mit dem Beirath einiger anderer Grossmeister von ihm
bearbeiteten und durch den Grossmeister Br Eckstein
(Dresden) als geschäftsführendem Vorstand von 1878
dem Grosslogentag von Hamburg vorgelegten Organi-
sations- und Verfassungsentwurf für die zu errichtende
oberste Bundesbehörde um nichts weniger als darum,
„den Bund rückwärts nach Berlin zu concentriren, aus
ihm eine Zwangsanstalt mit Leitung von der Reichshauptstadt
aus zu gestalten, versehen mit einem Ritual
und mit einer Verfassung!" In der Einheit, selbst
Einerleiheit der Letzteren vermöchten wir keinen Uebel-
stand zu entdecken, so lange sie nicht reactionären
Eingebungen unterworfen sind. Gerade dieses steht
aber zu befürchten. Die ihrem innersten Wesen nach
trotz der ziemlich ausgedehnten Autorität der Stuhlmeister
und trotz der Bezeichnung ,.k. K." demokratische
Organisation der Freimaurerei wurde, falls jener
Plan sich realisirte, in Deutschland voraussichtlich in
eine absolutistische umgewandelt werden. Auch der
Bund erhielte dadurch eine preussische Spitze. Der
Berliner Grossmeister herrschte unumschränkt über alle
deutschen Logen, über alle deutschen Bit, und diese
hätten, unter Verzichtleistung auf ihre Rechte, sich nur
der Pflicht des blinden Gehorsams zu befleissigen. Die
Freimaurerei wäre damit zu einer Knechtungsmaschine
herabgewürdigt, anstatt eine Förderin der „Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit" zu bleiben.

Centraiismus braucht nicht nothwendig gleichbedeutend
zu sein mit Despotismus, ebensowenig wie der
Föderalismus stets und überall freisinnige Ziele verfolgt
Während des amerikanischen Bürgerkrieges waren
ohne Zweifel die wahre Freiheit und die darauf beruhende
Kultur besser durch die centralistische Regierung
von Washington und die Nordstaaten der Union,
als durch die föderalistischen Südstaaten vertreten. Hier
in Oesterreich sind gegenwärtig die Föderalisten gleichfalls
die Hauptfeinde des Fortschritts, während seinerzeit
das centralistische Ministerium Schmerling der Freiheit
bedeutende Zugeständnisse machte. Im heutigen
Deutschland jedoch, und so lange der jetzige Reichskanzler
dessen Geschicke lenkt, ist alles Centralisiren
ein Borussificiren, und das Borussenthum, wie es namentlich
in allerletzter Zeit in Preussen wieder zur Geltung
gelangt, als Feind jeder freien geistigen Bewegung anzusehen
.

Möge ein gütiges Schicksal unsere deutschen Brr
vor der in dem Antrage der Gründung einer Nationalloge
liegenden Borussificirung bewahren! Würde derselbe
auf dem nächstjährigen Grosslogentage angenommen
, so bliebe vielen von ihnen kaum eine andere Wahl,
als — sei es auch mit schwerem Herzen — den geliebten
Bauhütten den Rücken zu kehren.

Eine Staatsfreimaurerei ist keine Freimaurerei, und
zu einer solchen würde sich in Deutschland der Bund
gestalten, wenn man ihm den in gewissen Berliner und
leider auch in manchen anderen Kreisen gewünschten
neuen Kopf aufsetzte. Es fehlte dann nur noch, dass
Fürst Bismarck sich aufnehmen Hesse. In raschen
Sprüngen würde er durch alle Grade und Hochgrade
hindurch bis zum gemeinsamen Grossmeister befördert
werden, als solcher kraft der ihm übertragenen discre-
tionären Gewalt und mit seiner bekannten eisernen Faust
in kurzer Zeit durch Ausmerzung der freisinnigen und
fortschrittsfreundlichen Elemente Zucht und Ordnung,
seinen BegrifFen davon entsprechend, unter der Brüderschaft
herstellen und diese zu seinen Zwecken zu verwenden
wissen.


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