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Noch aber ist es nicht so weit, und wird hoffentlich
nicht dazu kommen; sonst möchte man „draussen"
sogar uns österreichische Bit beneiden, denn immer
noch besser ist die Verweigerung der staatlichen Anerkennung
, als eine Verstaatlichung unseres Bundes.
Die socialen Aufgaben der FreiMrei.
Die Grossloge von Ungarn hat ihren Logen die Frage "•
„Welches sind die socialen Aufgaben, für deren Lösung
— mit besonderer Eücksicht auf unsere vaterländischen
Verhältnisse — der FrMrbund zufolge seiner Grundprinzipien
sich am meisten zu interessiren hat und auf
welche Weise soll unser Bund zur Lösung dieser Aufgaben
beitragen?" zur Beantwortung übergeben und
darauf von 13 Logen Berichte erhalten.
Wenn auch manche Forderungen und Wünsche nicht
neu, andere von nebensächlicher Bedeutung sind, wenn
auch kaum eine Antwort die Consequenzen der maurerischen
Werkthätigkeit aus der Rechts- und Humanitätsidee
unmittelbar herleitet und die bedeutenden volkswirtschaftlichen
und socialpolitischen Schriften augenscheinlich
wenig gekannt und verwerthet sind, und wenn
auch da und dort der alte Irrthum zu Tage tritt, die
FrMr müssten in einflussreiche, leitende Stellungen eintreten
, als ob alle Logenbrüder auch FrMr wären, so
ist das von der Grossloge gewonnene Material doch immerhin
interessant genug, um es der Kenntnissnahme und
Beachtung weiterer Bruderkreise zu unterbreiten. Wir
theilen die Antworten, resp. den Bericht der Grossloge
hier auszugsweise mit:
„Unsere Logen haben diese Fragen von zweierlei
Standpunkten aus in Betracht gezogen: erstens von dem
höheren ideellen, im allgemeinen genommen prinzipiellen,
—• während von anderer Seite das praktische Leben, die
obwaltenden concreten Verhältnisse vor Augen schwebten
; dieser zweifachen Beleuchtung entspricht auch das
Resultat, zu welchen unsere Logen gelangt sind und
welches sich desshalb theils in auf dem Niveau der freimaurerischen
Literatur stehenden theoretischen Erörterungen
, theils aber in Form von praktischen die tatsächlich
bestehenden Verhältnisse in Betracht ziehenden
Vorschlägen manifestirt.
Die früher gekennzeichnete Richtung findet ihren
prägnantesten Ausdruck in dem Elaborate der Loge
„Humanitas", welches von dem Standpnnkte ausgeht,
dass die Aufgaben der FrMrei weder politische noch
religiöse, ja selbst nicht einmal jene socialen Fragen
bilden dürfen, welche die zeitgenössische öffentliche Meinung
aufwirft. Die Aufgabe des Bundes stehe um so
höher über dieser Frage, je höher das an Zeit und Ort
nicht gebundene Grundprinzip desselben sich darüber
erhebt. Dieses Grundprinzip, die freie Entwickelung
des Menschengeschlechtes und die Förderung dieser Entwickelung
durch Unterstützung cultureller Bestrebungen
— dies bildet die Aufgabe des Bundes, zu deren Lösung
derselbe dann beiträgt, wenn seine Mitglieder mit maurerischer
Hingebung all das unterstützen, was wir gelernt
haben, als Fortschritt zu betrachten: nämlich die
Erhöhung des moralischen Gefühls, die Befreiung des
Geistes aus den Fesseln jedweden Aberglaubens, Vor-
urtheiles und jedweder Selbstsucht, die Klärung der Ideen
durch Uebung objectiver parteiloser Kritik, und die Veredelung
des unentbehrlichen Interessen-Kampfes durch
Bethätigung echter Menschenliebe. Es ist wünschens-
werth, dass die Logen in Hinsicht der bis nun durch
dieselben ausgeübten palliativen Wohlthätigkeit ihren
Wirkungskreis möglichst einschränken mögen, einestheils,
weil sie auf einem ihren Kräften mehr entsprechenden
Gebiete mit viel mehr Erfolg und Gewicht aufzutreten
vermögen, als wenn sie ihre Wirksamkeit auf ein Terrain
übertragen, welches ihre Kräfte übersteigt, andern-
theils aber darum, weil sie sonst gezwungen sein werden,
alle ihre Kraft auf lokale Bedürfnisse mit ephemeren
Resultaten zu vergeuden, und die gemeinsame Aufgabe
des Weltenbundes ausser Augen zu lassen, welche Aufgabe
bekanntlich darin besteht, an der Spitze der Aufklärung
voranzuschreiten und das Recht und die Freiheit
auch die in dessen abgelegenste Winkel des Erdkreise»
einzubürgern."
„Nicht auf so negativem Gebiete als die Loge „Humanitas
", trotzdem aber in dem oben im Grossen und
Ganzen gekennzeichneten Ideenkreise bewegt sich die
Loge „Freundschaft", welche glaubt die socialen Aufgaben
der FrMrei in den Satz fassen zu können. „Weisheit
leite unseren Bau, Stärke führe ihn aus, Schönheit
ziere ihn."
Nach Weisheit müssen wir streben. Dieses Streben
schliesst an sich schon jede Ueberschätzung unserer selbst»
jeden Eigendünkel und jede Unbescheidenheit aus. Hie-
durch üben, bilden und veredeln wir den Einfluss auf
unseren Familienkreis und auf alle jene, mit denen wir
in gesellschaftlicher oder in geschäftlicher Beziehung
stehen. Die Erziehung der Massen, die Volksaufklärung,
die Schule bieten genügendes Terrain, auf welchem unser
Bund seinen Einfluss zur Geltung zu bringen hat, und
desshalb ist es wünschenswerth, dass wir die Lehrkräfte
zum Bunde heranziehen. — In unserem Vaterlande begegnet
unser Bund noch auf Schritt und Tritt Vor-
urtheilen, die selbst bis in die gebildeteren Kreise hinaufgreifen
. Es thut also unermüdliche Ausdauer Nothr
bis wir dorthin gelangen werden können, dass alle die
vielsprachigen und verschiedensten Confessionen angehörenden
Staatsbürger geneigt sein werden, zur Fahne
der wahren Brüderlichkeit zu schwören. Schritt für
Schritt muss jeder einzelne von uns inmitten seiner profanen
Beschäftigung und im socialen Leben diesem Ziele
sich zu nähern trachten. Durch Redlichkeit und strenge
Moral können wir die allgemeine Achtung, und durch
Wohlthun und Menschenliebe die allgemeine Zuneigung
und den Einfluss auf die gemeinnützigen Institutionen
uns sichern, denn eben der das allgemeine Vertrauen
und die allgemeine Achtung geniesst, gelangt früher oder
später auch zum Einflüsse. — Pflegen wir den Sinn für
alles Schöne und für die Vervollkommnung unserer selbst
in unserem Bunde, denn so wirken wir veredelnd auf
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