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dahin trachten, dass wir die Menschheit geistig und
moralisch in gleicher Weise heben. Besonders in unserem
Vaterlande sind es die religiösen und nationalen Vor-
urtheile, welche unser friedliches Beisammenleben stören,
aber nebstdem lässt sich auch schon das Gemurmel der
Arbeiterbewegung vom Auslande her hören, und dies
soll uns daran gemahnen, das brachliegende Volkserziehungswesen
mit grösserem Eifer als es bis jetzt geschehen,
zu pflegen.
Die Grundbasis der Gesellschaft ist die Familie.
Wer die Familie für sich hat, dem gehört die Gesellschaft
. Dass wir jedoch jene gewinnen, dazu ist es noth-
wendig, dass die Thätigkeit des Bundes auf dem Gebiete
des Erziehungswesens in- und extensiver werde. Trachten
wir schon die Erziehung im zarten Kindesalter durch
Errichtung von Kindergärten in unsere Hand zu bringen,
trachten wir uns an die Spitze des Lehrwesens zu stellen.
Trachten wir die Frauen für unsere Ideen zu gewinnen,
denn die Frage übt den Haupteinfluss auf die Gestaltung
der menschlichen Gesellschaften aus. Trachten wir durch
Heranziehung der Notare, Seelsorger und Volksschullehrer
in unseren Kreis auf das Volk einzuwirken, dass
es sich an Arbeit und Sparsamkeit gewöhne. Lehren
wir demselben Selbsthilfe, richtige und rationelle Gesundheitspflege
und helfen wir auch; diesbezüglich indessen
nie, ohne das Princip Lessings aus den Augen
zu verlieren, wonach uns das eine freimaurerische That
sei, welche dahin strebt, all das überflüssig zu machen,
was man gemeiniglich eine gute That nennt. Endlich
trachte ein jeder Br FrMr als Privatperson in seinem
Xreise nach Thunlichkeit in der gekennzeichneten Eichtling
zu wirken und durch veredelndes Beispiel den
Widerstand der Faulen, der Indifferenten und der Engherzigen
zu brechen." (Schluss folgt.)
Gegenwärtiger Stand des Odd-Fellow-Ordens
in Deutschland.
Von Br Reinhold Taute in Ulm.
In dem 1874 erschienenen Sehriftchen; „Der Odd-
Fellow, ein Verwandter des Freimaurers" von Siegbert
Pniower, ist auf Seite 42 zu lesen:
„— Blicken wir nun auf die Länder, die vor 3
Jahren erst der Odd-Fellowship gewonnen wurden,
auf Deutschland und die Schweiz, und ziehen wir Vergleiche
mit der Ausdehnung des Freimaurex*thums in
diesen Ländern, besonders in Deutschland, so kommen
^vvir zu dem Schlüsse, dass im Herzen Europa's der
Odd-Fellowship eine glänzende Zukunft zu prognosti-
eiren ist. — Die Freimaurer haben nach einem Wirkungskreise
von einem Jahrhundert in Deutschland eine Mitgliederzahl
von 35,000*), die Odd-Fellows nach drei
Jahren eine solche von 2000 ......"
Diese hoffnungsvollen, ein ferneres, rasches Wachsen
des Odd-Fellow-Ordens in Deutschland verheissenden
*) Gegenwärtig über 40,000.
Worte, entsprechen vielleicht dem damaligen Stande der
Sache, aber leider sind sie nicht in Erfüllung gegangen.
Oertlich hat der, seit nun bald einem Jahrzehnt in
Deutschland eingeführte Orden zwar bis jetzt immer noch
wünschenswerthe Verbreitung gefunden, denn es sind
seit 1875 wieder 23 neue Logen entstanden, aber die
Zahl der Mitglieder ist selbst bis heute noch nicht auf
2000 angewachsen.
Nach dem neuesten „Adresskalender der Odd-Fellows
1879/80" bestehen in Deutschland in 33 Städten 48 Logen
mit 1864 Mitgliedern; es kommen also im Durchschnitt
auf eine Loge 39 Mitglieder, während bei den Freimaurern
durchschnittlich 113 Mitglieder auf eine Loge
entfallen.
Die erste in Deutschland 1870 errichtete Odd-Fellow-
Loge „Württemberg Nr. 1" in Stuttgart ist auch die
grösste; sie zählt 105 Mitglieder. Die kleinste Mitgliederzahl
— 8 — hat die „Schwarzwaldloge Nr. 6a
in Tuttlingen.
Von den jetzt bestehenden 48 Logen wurden gegründet
: 1870 — 1, 1871 — 5, 1872 — 8, 1873 — 5,
1874 — 6, 1875— 9, 1876 — 6, 1877 —4, 1878 — 2,
1879 — 2.
Nach Provinzen und Staaten vertheilen sich diese
48 Logen folgendermaassen: Preussen 22 Logen, a) Provinz
Brandenburg 11 (Berlin 10), b) Provinz Posen 2,
c) Prov. Schlesien 3, d) Prov. Sachsen 1, e) Prov. Hannover
3, f) Prov. Hessen-Nassau 2; Baiern 5, Sachsen 6,
Württemberg 6, Baden 5, Mecklenburg-Schwerin, Braunschweig
, Bremen und Hamburg je 1. — Es besitzen also
folgende Provinzen bezw. Staaten noch keine Oddfellow-
Logen: Pommern, Preussen, Schleswig-Holstein, West-
plialen, Rheinprovinz, Hessen, Mecklenburg - Strelitz,
Oldenburg, die Thüringischen Staaten, Waldeck, Lippe,
Lübeck und Elsass-Lothringen.
Wenn wir auch zugeben, dass die gar zu grossen
Logen nicht von Vortheil sind, so ist es uns doch unerklärlich
, dass in einer Stadt neue Logen constituirt
werden, ehe noch die alten hinreichend gestärkt sind.
In Mannheim z. B. bestehen 3 Logen mit bezw. 27, 22
und 36, zusammen 85 Mitgliedern. Dadurch müssen
nothw endig die wirklich leistungsfähigen Kräfte zum
Schaden des Ganzen unnütz zersplittert werden.
Wenn man auf Nordamerika blickt, von wo aus der
Orden bei uns eingeführt wurde, welcher dort ein Vermögen
von ca. 150 Millionen Mark und Million Mitgliederzählt
, so scheint es fast, dass dieser Orden, trotz
seiner unbestreitbar edlen Bestrebungen in Deutschland
nicht besonders fruchtbaren Boden zu finden vermag.
Der auf maurerischen Prinzipien fussende Orden der
Odd-Fellows bezweckt die sittliche Veredelung des Menschen
und die Gewährung gegenseitigen Beistandes. Den
Mitgliedern ist zur Pflicht gemacht: „Die Kranken zu
besuchen, den Bedrängten zu helfen, die Todten zu begraben
und die Waisen zu erziehen."
Sicher, wenn auch kaum bemerkbar, übt der Orden
auf seine Mitglieder und durch diese auf weitere Kreise
einen erziehenden, sittlichen Einfluss aus. Auf dem
praktischen Gebiete der Humanität wird nach dem ameri-
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