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Freimaurerei der Wirksamkeit dieser Strömung nicht
entziehen. Unsere Bücher und Journale sind ohne Weiteres
einem Jeden zugänglich, der sich, als Profaner,
etwa dafür interessiren würde. Man kann dies beklagen
aber nicht ändern. Im Grossen und Ganzen wird hierdurch
auch das frmr. Geheimniss nicht soweit alterirt,
dass es der Oeffentlichkeit gelingen möchte, sich der
Form und des Geistes desselben zu bemächtigen. Ein
Anderes ist es aber mit dem directen und bewussten
Verrath, der nur durch Brüder geübt werden kann, die
sich durch ein feierliches Gelöbniss zum unverbrüchlichen
Schweigen verpflichtet haben. Das gegebene Wort ist
für jeden ehrlichen Mann ein Heiligthum, in dem seine
Ehre und sein Gewissen ruht. Das mr. Geheimniss aber
müsste einem jeden Bruder doppelt und dreifach heilig
sein, nicht nur, weil er sich zu ihm in feierlichem Gelübde
verbunden hat, sondern weil er auch in ihm an
sich ein sittliches Moment erblicken muss, das der Würde
eines echten Mannes, dem Ernst der Ziele unseres Bundes
und unseren heiligsten Ueberlieferungen entspricht.
Nun aber, wir müssen es mit Beschämung gestehen,
auch in unseren Reihen wohnt heute mehr als irgendwann
der Verrath, bewusster Verrath. Man höre!
Die in Stuttgart bei Herrn Eduard Hallberger erscheinende
„Romanbibliothek" veröffentlicht einen der viel-
berufenen „historischen" Romane des Herrn Gregor Sama-
row: „Des Kronprinzen Regiment". Darin wird in den
Nummern 12 und 13 die Aufnahme des nachherigen
Königs Friedrich II. in den Freimaurerbund erzählt,
seine Aufnahme und Beförderung in den Gesellen- und
Meistergrad, erzählt nicht nur als Thatsache an sich,
sondern mit allen wesentlichen Einzelheiten des Rituals,
mit allen Ausdeutungen unserer Symbolik. Es mag sein,
dass Tausende von Ignoranten diese Dinge lesen, ohne
sich dabei auch nur das Geringste zu denken. Darin
liegt aber auch das Gefährliche und Unwürdige solcher
Publicationen erst in zweiter Reihe. Ihre Verwerflichkeit
beruht in der Nichtswürdigkeit des Verraths überhaupt
. Wir wrissen nicht, ob der ehemalige hannoversche
Regierungsrath Meding ein Freimaurer ist oder Avar.
Wir glauben dies nicht , denn sonst würde Manches treuer
und mit geringerer Accentuirung von Nebendingen geschildert
sein. Aber auch ohne FrMr zu sein, hat sich
der Autor zum Mitschuldigen gemacht, denn er hat ge-
wusst, dass er nur mittelst eines solchen Vertrauensbruchs
in der Lage war, sich in den Besitz der Einzelheiten
unseres Rituals zu setzen. Zu welchem Zwecke?
Um seinem Roman den Beigeschmack des Sensationellen
und Pikanten nach einer Richtung hin zu geben, die in
den Augen des grossen, denkfaulen Publikums den Charakter
der „Enthüllung" an sich trägt. Gewiss eine feine
Speculation! Herr Meding weiss, denn er spricht es aus,
dass das teierliche Gelübde der Verschwiegenheit den
FrMr bindet, — dennoch bricht er es, wenn vielleicht
auch „in zweiter Hand", aber er bricht es, um interessant
zusein. Das ist doch wahrhaftig ein ehren werther
Mann, der Herr Meding, der sich über die FrMrei von
irgend Einem, der den Brudernamen schimpfirt, hat erzählen
lassen, oder der seine Wissenschaft aus der
Sudelschrift eines Verräthers*) geschöpft hat. Nun,
ausser einer öffentlichen Brandmarknng können wir
natürlich an Herrn Meding nicht „heran". Aber der
vorliegende Fall führt uns, wie so viele andere, wieder
auf die Frage der Logendisciplin. Diese Frage ist
eine durchaus brennende, von unseren Beamten-Collegien
und Oberbehörden lange nicht genügend gewürdigte.
Wenn die Disciplin nicht eifriger und strenger gehandhabt
wird, als bisher, so setzen wir die Zukunft unseres
Bundes aufs Spiel!
Wir sind eine menschliche Institution, wir haben
unsere Schwächen und Fehler, wie alle unsere draussen
stehenden Mitmenschen. Auch schadet es, wenn der
rechte Geist der Versöhnung unter uns herrscht, nicht,
dass die Geister einmal intra muros auf einander-
platzen. Aber der FrMr., der den Pfad des Rechts, der
guten Sitte, der Treue gegen sich selbst und seine
Brüder verlässt, ist werth, aus unserem Bunde hinausgewiesen
zu werden. Es gibt grosse und kleine Sünder
genug, deren Sünden das Staatsgesetz nicht ahndet.
Schleichen sich solche Leute in die Loge ein, so werfe
man sie wieder hinaus.
Noch besser aber wäre es, wenn bei den Aufnahmegesuchen
mit peinlichster Gewissenhaftigkeit die Qualitäten
der Aspiranten geprüft werden wollten. Das
Wort vom „guten Ruf" muss eben überall und im
strengsten Sinne eine Wahrheit sein. Ob uns dies
Alles vor dem Verrath schützt, wissen Avir freilich nicht.
Aber vielleicht giebt der vorliegende Fall unsern Oberbehörden
, resp. dem deutschen Grosslogentag einmal
Veranlassung, sich mit der ernsten Frage, um die es
sich handelt, eingehender und erfolgreicher, als es von
Einzelnen geschehen kann, zu beschäftigen — den
Wohlmeinenden zur Ehr, den Uebehvollenden zur
Wehr! —
Braunschweig.
Br R. Bdt,
*) Ausser „Sarsena" sind seit 1738 davon Hunderte im Buchhandel
zu haben; was aber seit einem Jahrhundert Jedermann zugänglich ist,
kann unmöglich in so rigoroser Weise, wie der gel. Br Verfasser thut,
als Vertrauensbruch und als Unrecht bezeichnet werden, wenn das Verfahren
auch weder schön noch löblich ist. Diese Enthüllung der Formen
ist minder schädlich für den Bund, als der Verrath der freimr.
Grundsätze, worüber sich kein Mr. aufhält. Die Bedact,
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