Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 43
(PDF, 136 MB)
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gibt, als die Art, wie Geschichte gemacht wird, so kann
«ft nur die Art sein, wie sie die Zeitgenossen schreiben
rnnd in Circulation bringen. Ueber den verwinkeltsten
and in seinen geheimen Antrieben unaufgeklärtesten
Thatsachencomplex wird das Urtheil im Handumdrehen
festgestellt und in eine Anzahl mundgerechter Gemeinplätze
aufgelöst, die mit taschenspielerischer Leichtigkeit
vom Schreiber zum blindläubigen Laienvolk der
Leser und nach einiger Zeit von diesem wieder als
landläufige Meinung zum historiographischen Faiseur
zurückwandern. Der Parteischreiber wählt sich Docu-
mente, Thatsachen, Zahlen, Reflexionen, brennt sein
eigenes Licht darauf, setzt das Kaleidoskop nach eignen
Tendenzen und Kniffen zusammen — und das naive
Publikum macht grosse Augen und ruft verwundert: 0
seht, hier ist das authentische Geschichtsbild zu schauen!
Dann humpelt noch die bestechliche Vettel, genannt
Philosophie der Geschichte, heran und docirt gar weise:
Aufgepasst! Dieses Verbrechen ist kein Verbrechen,
sondern ein sublimer Akt der Humanität, jenes hingegen
eine schauderhafte Auflehnung gegen alle gute Ordnung
, diese Metzelei ist ein heiliger Krieg, eine göttliche
Unternehmung, jener Kampf aber eine That von
Tollhäuslern, eine wahre Affenschande, die um Rache
schreit, u. s. w. u. s. w.

Das nennt sich dann positive Wissenschaft und ist
schlimmer und trugvoller, als die erste beste romantische
Metion, die ihren Ursprung eingesteht oder wenigstens
sofort ahnen lässt ....

Sollen wir ferner, die wir doch von unserm gesummten
symbolischen Apparat zur Vorsicht, Bedachtsamkeit
und Gerechtigkeit gemahnt werden, mit dem
profanen Volke um die Wette auf den Leim dieser Geschichtspfuscherei
gehen und uns zum eilfertigen Echo
der Table convenue missbrauchen lassen?

Ich bin der Meinung, dass es vielmehr unsere heiligste
Pflicht ist, die sorgfältigste Prüfung anzustellen,
bevor wir uns in irgendwie bindender Weise über Menschen
und Dinge aussprechen oder uns zu Weiterbeförderern
fremder Aussprüche hergeben.

In der Einleitung Ihres Aufsatzes formuliren Sie,
verehrter Br, Ihre Aussprüche über den Franzosen Du
Camp so paradoxal apodictisch, dass ich immer wieder
fragen muss: Kennen Sie denn den Mann in Wirklichkeit
so genau, dass Sie Ihren deutschen Lesern denselben
mit solchem siegesgewissen Posaunengeschmetter
als Wahrheitsverkünder vorstellen dürfen? Sind Sie
persönlich in seine Atmosphäre eingedrungen und haben
Sie in seinem Wesen all' die hellleuchtenden Eigenschaften
mit eigenen kritisch-forschenden Augen entdeckt
, die Sie im Kreise Ihrer Brüder und in der
Presse mit so überschwänglichen Worten an ihm
lähmen ?

Die Darstellung des Commune - Aufstandes und die
Rolle, welche die Pariser FrMrer während desselben
gespielt, kommt erst in zweiter Linie. In erster Linie
steht nicht die Darstellung, sondern der Darsteller,
nicht die Geschichte, sondern der Geschichtschreiber.
Erst wollen wir des Mannes sicher sein, bevor wir

seiner Weise, mit dem historischen Materiale zu schalten
und zu walten, unser Vertrauen schenken.

Ich gehe heute nicht weiter. Einmal fehlt mir in
diesem Augenblicke die Zeit, zweitens ist es billig, erst
Ihre geneigte Antwort abzuwarten.
Paris, 21. Januar 1880.
Mit des Maurers Gruss und Handschlag

Ihr ergebener Br

M. G. Conrad.

Friedrich der Grosse als Freimaurer.

(Geboren 24. Januar 1712, gestorben 17. August 1786.)

Von

Br Reinhold Taute in Ulm.

Am 8. Juli 1738 reiste der König von Preussenr
Friedrich Wilhelm I. in Begleitung des genialen Kronprinzen
, nachmaligen Königs Friedr. II. zu einer Truppenmusterung
nach Wesel und von dort aus nach Beendigung
desselben, sammt Gefolge, nach dem Schlosse Loo
in Geldern, um den Prinzen von Oranien und dessen
Gemahlin, — eine Nichte des Königs — zu besuchen.

Der Aufenthalt in Loo währte nur drei Tage, aber
er war-für Friedrich nicht unwichtig, einerseits weil der
König hier besonders wohlwollend gegen ihn war und
andererseits, weil er hier den Entschluss fasste — Freimaurer
zu werden.

An einem dieser drei Tage kam nämlich das Tischgespräch
auf die Freimaurerei, wobei sich der, in Folge
seiner orthodoxen Religionsansichten von Vorurtheilen
gegen dieselbe erfüllte König mit grosser Heftigkeit
gegen den Orden erklärte.

Unter den Tischgästen war auch der regierende Graf
Albert, Wolfgang von der Lippe-Bückeburg, welcher sich
offen als Freimaurer bekannte und diese Verbindung mit
Entschiedenheit in Schutz nahm; er war dabei so beredt,
gewandt und sinnreich und doch ehrerbietig, dass er,
wenn auch nicht den König, so doch den Kronprinzen,
der empfänglicher für hohe Dinge war, für seine Ideen
gewann.

Die Idee des Bundes, wie sie hier mit Begeisterung
von einem hochgeachteten Manne dargelegt wurde, ergriff
den Prinzen so sehr, dass er nach aufgehobener
Tafel eine Unterredung mit dem Grafen suchte, den
Gegenstand mit ihm weiter besprach und schliesslich ihn
um Aufnahme in den Freimaurerbund bat. Vergebens
machte der Graf Einwendungen und hielt dem jungen
Prinzen namentlich die Gefahren vor, die dieser Schritt
bei der Denkweise seines Vaters für ihn haben könnte.
Friedrich liess sich aber durch nichts von seinem Wunsche,
Freimaurer zu werden, abbringen, und so ward denn die
Verabredung getroffen, dass seine Aufnahme zur Zeit
der Messe in Braunschweig erfolgen sollte, wohin der
König in 4 Wochen zu reisen gedachte.

Braunschweig wurde deshalb gewählt, weil man
hoffte, während der Anwesenheit so vieler Fremden die
Aufnahme den Augen des argwöhnischen Vaters um so
leichter verbergen zu können.


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