Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 65
(PDF, 136 MB)
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>'«• 9.

Die

Begründet und herausgegeben

von

XXIII. Jahrgang.

Bk J. Gr. FINDEL.

Organ für die Gesammt-Interessen der Freimaurerei.

I5'ebe» gebet».

Leipzig, den 28. Februar 1880.

Von der „Bauhütte" erscheint wöchentlich eine Nummer (1 Bogen). Preis des Jahrgangs 10 Mark.
Die „Bauhütte" kann durch alle Buchhandlungen bezogen werden.

Imhalt: Zur Judenfrage. Von Br Carlos v. Gagern, Or Pressburg. — Die Licht-Einbringung in die nenerbaute Loge „z. d. 3 Ringcna im Orient Greiz am 22«
Januar 1880. (Sehluss.) — Feuilleton: Freibnrg i. B. Stralsund. — Briefwechsel. — Anzeigen.

Zur Judenfrag.
Von Br Carlos v. Gagern.

Mitglied der Loge „Schiller", Orient Pressburg.

Nicht um Rumänien handelt es sich, nicht um
Serbien oder sonst ein nur oberflächlich von der Cultur
belecktes Land, wenn wir heute von der Judenfrage
sprechen wollen. Nein, Deutschland ist es, das wissenschaftlich
so hoch gebildete, das freisinnige (?), das fortschrittliche
Deutschland, in dem diese Frage von Neuem
auf der Tagesordnung steht, nachdem wir sie für längst
abgethan und begraben geglaubt hatten. Unter dem
Volke der Denker ist sie auferstanden; ja es finden sich
Leute, die man als Gelehrte anzusehen gewohnt war,
welche sich in der zweiten Hälfte des neunzehnten
Jahrhunderts nicht entblöden, die dem Mittelalter angehörende
Intoleranz gegen die in unserer Mitte
wohnenden Israeliten mit sophistischen Gründen zu
vertheidigen.

Sogar in Kussland sollen, wie es heisst, aus Anlass
des bevorstehenden fünfundzwanzigjährigen Regierungs-
jubiläums des Czars, Verordnungen erlassen werden,
welche die völlige Gleichstellung der Juden mit den
übrigen Unterthanen jenes Reichs einzuführen bestimmt
sind. Und als vor Kurzem in dem Reichstage des noch
an manchen avitischen Vorurtheilen und Einrichtungen
krankenden Ungarn der Abgeordnete Viktor Istoczy
während der Debatte über die im Lande herrschende
Corruption die Behauptung aufstellte, dieses Uebel könne
nur durch eine gänzliche Entfernung des Krankheitsstoffes
, d. h. durch eine gänzliche Eliminirung des
jüdischen Elements beseitigt werden, und desshalb den

Nichtjuden Ungarns die Bildung einer anti-semitischen
Liga anempfahl, deren Statuten er zur Verlesung bringen
wollte, da unterbrachen ihn wiederholte Ausbrüche
„stürmischer Heiterkeit" und zwangen den fanatischen
Antragsteller, den seine Collegen nicht einmal ernst
nahmen, in aller Eile die Tribüne zu räumen.

In Deutschland muss jedoch leider diese Sache ernst
genommen werden. In Deutschland besteht bereits eine
Anti-Semitenliga. In Deutschland hat die Judenhetze
weite und einflussreiche Kreise ergriffen, und wenn auch,
dort vornehmlich den schneidigen, von echt freimr. Geiste
durchwehten Erklärungen, welche der Kronprinz Br
Friedrich Wilhelm, vor und nach seinem Besuche am
30. December v. J. in der Berliner Synagoge, um dem
dort veranstalteten Wohlthätigkeits-Concert beizuwohnen,
abgegeben, Dank der öffentlichen Belobung, die er dem
„Friedenswort" eines Pfarrers zu Theil werden liessr
ein augenblicklicher Stillstand in jener Bewegung eingetreten
zu sein scheint, manche der eifrigsten Hepp-
Hepp-Schreier nicht nur verstummt sind, sondern sich
ängstlich bemühen, ihre früheren Urtheile abzuschwächen
oder gar in's Gegentheil umzudeutein, auch in jüngster
Zeit keine weitere Einberufung der „Christlich-Socialen"
zu den bisher so schwunghaft betriebenen Skandal-
Versammlungen stattgefunden hat, so dürfen wir darum
uns nicht der Illusion hingeben, als ob der gegen die
Semiten inscenirte Kreuzzug für immer sein Ende erreicht
habe. Deren Anstifter warten nur auf eine
günstige Gelegenheit, um ihn mit Wort und Feder
wieder aufzunehmen; schmeicheln sie sich doch, hoffentlich
ohne ausreichenden Grund, auf eine hohe Gutheissung
ihres culturfeindlichen Gebahrens rechnen zu können.


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