Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 69
(PDF, 136 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0076
69

Der Menschheit ein Haus gebaut,

einen Tempel, der

Am Hochaltar die Liebe brennt

Als echtes, ewiges Licht.
Wir aber sagen stolz bewusst, wir bauten einen
Tempel, der alle Menschen als Brüder einen soll. Wir
werden genugsam ob „dieser Phrase" von der sogenannten
gebildeten Welt ausgelacht, und verdienen es vollkommen,
wenn wir diesem Ausspruche nicht ernst nachdenken
und nachleben, und uns durch denselben in unseren Versammlungen
rühmen und kitzeln. Damit, dass wir diese
Hallen der Toleranz weihen, heissen wir alle guten
Menschen hier willkommen. Was aber wird sie als
Brüder einen? Was muss geschehen, dass nach Jahrhunderten
, nach Jahrtausenden ein Hirt und eine Heerde
werde? 0, um das zu erreichen, hat man schon, die
verfehltesten und abenteuerlichsten Wege eingeschlagen,
in dem verkehrten Glauben, dass es, um die Menschheit
zu heben, nöthig sei, den Erdboden zu verlassen, sich
auf den archimedischen Standpunkt zu stellen und so
die Welt aus den Angeln zu recken. Auf diesen Standpunkt
stellte sich von jeher die Hierarchie; aber auch
die sogenannten humanistischen Bestrebungen nehmen
ihn ein; ihn hielten fest jene Gebildeten, die es in einer
Zeit des nichtswürdigsten Nihilismus für einen schönen
Zug der Vornehmen hielten, den Haufen auch sozusagen
für Menschen zu halten und ihm einen Brocken von
des Reichen Tisch als kärglich Almosen zuzuw erfen, indem
sie es für ehrenwerth hielten, von Zeit zu Zeit
gegen den Bauer und Bürger gerecht und leutselig zu
sein. Das waren die Philanthropen, welche uns heute
in ihrem Beginnen als Karikaturen so erscheinen, wie
ihre dazumalige Tracht sie heute noch unserm Auge
malt. Auf jenem Standpunkt stehen jene Eudämonisten,
welche glaubten und noch glauben — denn noch sind
sie nicht ausgestorben — vermöge ihrer vermeinten
höheren Bildung die Vormundschaft über andere im Erbrecht
zu haben; jene Thoren, welche die Lebenswege
Anderer kreuzen und wieder kreuzen, um sie mit Gewalt
auf den einzig richtigen Weg ihrer Lebensmoral zu
•leiten; jene Armen, welche — angeblich und doch so
sehr mit Recht — verkannt, gehasst, zurückgestossen —
endlich den Priestern gleichen, welche verlassen am
Altare stehen, und in ihrer Weisheit nur sich noch
ehren. Haben wir Maurer, haben wir Lessings Jünger
hier der Menschheit ein Haus gebaut und als ewiges
Licht am Altare die Flammen der Liebe angezündet:
so seien diese Hallen der ächten, reinen Humanität geweiht
. Die Erde ist uns Standpunkt, die Menschen
sind unsere Brüder und im Vollbewrusstsein des alten
Spruches:

„Ich bin ein Mensch und alles Menschliche halte
ich nicht ferne von mir"
üben wir die rechte Menschenliebe. Das ist ein schlechter
Pädagog, der seine Kinderherzen nicht kennt, und das
ist ein schlechter Erzieher des Menschengeschlechtes,
der sich nicht zur höchsten Aufgabe stellt, den Menschengeist
und das Menschenherz zu erforschen; vor Allem
sich selbst und dann seine Mitmenschen kennen zu lernen,

um mit denselben dem Guten, Gott, der Wahrheit, der
Vernunft zuzustreben. So wird dieses Haus eine ernste
Arbeitsstätte: denn sich selbst erkennen und sich selbst
veredeln und nicht müde werden, ist schon ein Werk,
welches jeder als schwer erkennen wird, der es begonnen
hat; aber die Menschen und die Welt kennen, gründlich
kennen zu lernen und den Vorsatz, zu helfen, aufrecht
zu erhalten, die Flamme im Maurertempel nicht in Hass
verlöschen zulassen, zu sorgen, dass es eine ewige sei.
das ist die schwerste, die härteste Arbeit; die Humanität
fordert sie aber, unser Beruf als Maurer
erheischt sie und üben wir sie nicht, sind wir nicht
die wirklichen Freunde der Menschheit aus Ueberzeug-
ung von unserem eigenen Menschenthum; so sind wir
Maurer mit Recht dem Spotte der Gebildeten anheimgefallen
, sind mit unserer Toleranz dünkelhafte Menschen,
die sich mit ihrer Humanität selbst schmeicheln.

Und wie prüfen, wie merken wir, dass wir als
Maurer das ächte Werk der Humanität thun, der Menschheit
wirklich diese Arbeitsstätte gebaut haben?

Daran, dass aus diesem Tempel, dass aus diesen
Räumen

Der fromme Psalm des Friedens wallt

Empor zum Himmelszelt,
daran, dass endlich dieses Haus ein Bruderhaus ist im
vollsten Sinn des Wortes — — — und dazu sei es
heute geweiht, —

Das brüderliche Leben in der Loge ist der beste
Prüfstein für das, was die Brüder als Maurer sind.
Wenn wir Gott recht verehren durch Uebung wahrer
Toleranz und die Menschheit wahr lieben durch Bestätigung
reiner Humanität: dann müssen wir selbst
soweit gebildete Menschen sein, dass Anerkennung die
Frucht unserer Veredelung des Geistes und Wohlwollen
das Resultat der Vervollkouimung unseres Herzens ist.
Draussen in der Welt kann und mag es wohl vorkommen,
dass es uns scheint, als gäbe erst Verwandtschaft und
Freundschaft dem Einzelnen Anlass, gegen den Anderen
nur rücksichtsloser und anspruchsvoller zu sein. Dort
darf wohl dieses Recht des Mindergebildeten sich geltend
machen, hier nicht. Der Umgang der Gebildeten untereinander
ist der einzig richtige Gesellschaftstakt. Es
trifft der, welcher seine Mitmenschen achtet und liebt
— weit entfernt von maurerischer Höflichkeit und
steifem Gentlmenthum — stets den richtigen Ton im
Umgang, der, herzlich und rücksichtsvoll, ein Bild gibt,
von dem Kreise, die des Maurers Zirkel schlingt. Wie
wreit wir auch noch vom Ziele der vollen Erkenntnis^
des Wahren fern sein mögen, wie oft wir auch noch
unser Herz Auferstehung aus der Hölle des Hasses
feiern lassen müssen, weil immer und immer wieder die
menschliche Unvernunft im Stande ist, unsere Liebe
ans Kreuz zu schlagen; so wreit müssen wir sein, dass
wir als Brüder in der Loge in trautester Weise, in
innigstem Frieden zusammen leben können. Und können
wir, die wir gemeinsam nach so erhabenen Zielen
streben wollen und sollen, das nicht einmal, dann ist
unsere königl. Kunst allerdings nur eine Phrase und
verdient, als kindischer Mummenschanz, den Männer


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