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Endlich folgte der rituelle Schluss der Loge mit
Gebet:
Haltet die Arme recht fest verschlungen,
Lasst keinen Feind dazwischen sich drängen.
Und die Kette der Liebe zersprengen,
Die durch die Herzen der Brüder gedrungen.
Wo man sich männlich die Hand gereicht,
Schwäche undKleinmuth von selbst entweicht.
Wehrt euch vor Feinden, die ausserhalb drohen,
Vor den Verächtern, die frevelnd sich brüsten,
Vor der gleisenden Neugier Gelüsten,
Vor den Zerstörern, den Wilden und Rohen.
Drängen sie, wird es euch draussen zu viel,
Hier in der Halle, da winkt ein Asyl.
Aber vor Feinden auch wahrt euch hier innen,
Vor des Stolzes, der Kraft Ueberheben,
Vor dem Zagen, unmännlichem Beben,
Vor dem Hangen an Flitter und Schimmer;
Alles sei gleich hier und kräftig und schlicht,
Und in der Liebe erstarke die Pflicht.
Was wir begonnen, wir wollens vollenden,
Redlich ein Jeder an seinem Theile;
Wenn wir gebaut an dem eigenen Heile,
Lasst zu dem Heile der Menschheit uns wenden.
Zeigt jeder Einzelne stark zieh und rein,
Wird auch das Ganze veredelt bald sein.
Dringe elektrisch durch alle Gemüther,
Händedruck, strömend aus einigem Herzen!
Mögen's auch Andre leichtsinnig verscherzen,
Wir sind des Kleinods verbündete Hüter!
Lieb ist das Kleinod! In Liebe vereint,
Trennt uns kein äusserer noch innerer Feind!
Feuilleton.
Freiburg i. Br. In der Loge „Zur edlen Aussicht
" ist jüngsthin der freisinnige evangel. Pfarrer
Aug. Eberlin in Schopfheim aufgenommen worden,
Mitgliedern
dessen „Eindrücke bei der Aufnahme" den
zur Kenntniss gebracht sind. Darin heisst es u. A:
„Die folgenden Feierlichkeiten der Aufnahme
liessen nach der dreifachen Richtung der Form, wie
der sittlichen und religiösen Bedeutung starke Eindrücke
in mir zurück.
Was zunächst die Form betrifft, so ist ja eines
der häufigsten Vorwürfe in der Oeffentlichkeit — das
Formenwesen, das als Geheimnisskrämerei, ja Kinderei
verspottet wird. Ich gestehe, dass die Aufnahmsfeierlichkeiten
mir eine ganz andere Ansicht einflössteu.
In gewisser Form bewegt sich unser ganzes Leben, bewegt
sich insbesondere jedes Gemeinschaftsleben. Formen
sind der Ausdruck eines bestimmten innern Gehaltes.
Sie werden erst dann zu Formalitäten herabsinken,
wenn wir jenen geistigen Gehalt vergessen. Formen
geben der Sache das Maass, wie Ebenmaass ihrer Bewegung
, ziehen gewisse Grenzen und verhüten so Ausartung
in Maasslosigkeit und Willkür. In der That
sprachen mich denn die einzelnen Formen nicht wenig
durch ihren geistigen Gehalt an. Versinnbildlichte doch
das Wandern mit verbundenen Augen eindringlich die
schmerzliche Thatsache, dass der Mensch vielfach in
die Irre geht und dass, wer sicher und fest sein Ziel
erreichen will, vor allem sich selbst erkennen muss,
dass kein Avahres Glück und kein innerer Frieden zu
haben ist, bevor wir nicht gelernt haben, unsere Nächsten
lieben, bevor wir die Wahrheit noch nicht errungen
haben.
Wie erhebend auch der Augenblick, wenn uns
nach abgelegtem Schwur die B. von den A. genommen
wird, und wir im hellerleuchteten Saale inmitten der
Kette uns fühlen, als Brüder eines grossen Ganzen.
Besonders stark hat mich auch der sittliche Gehalt
des Bundes angesprochen. Ja, ich gestehe, dass
es gerade diese Seite ist und war, die mich zum Bunde
hinzog, und von der ich vom Bunde auch etwas für
mich erhoffte. Der einzige „Vortheil" — aber gewiss
ein erlaubter.
Ich besitze einmal ein starkes Gemeinschaftsgefühl,
ich bedarf der Stütze, insbesondere treue Freunde, die
mir auf dem Wege der Selbsterkenntniss zur Seite
stehen.
Klare, bestimmte Ziele sind für dieses Streben
die Hauptsache. Das hat der Bund in dem Ziele:
„Humanität". Aber auch die Wege und Mittel zeigt
er an. Die Wege: in dem Ringen nach Selbsterkenntniss
, Wahrheit und in der Nächstenliebe. Die
Mittel sind symbolisirt durch Zirkel, Winkelmaass und
Meisterhammer: Maasshalten, Ebenmaass, That-
kraft.
Nach diesen Zielen, auf diesen Wegen mit Gleichgesinnten
zu streben, zu wandeln — muss beglücken.
Mich beseelt nur ein Wunsch: Dass mir der Bund
Freunde, Brüder schenke, mit denen ich dem herrlichen
Ziele in That und Wahrheit entgegenstreben kann.
Gestehe ichs's: einiges Bedenken hatte ich bezüglich
des religiösen Geistes, der im Bunde herrscht.
Aber setze ich doch auch sofort hinzu: sie sind aufs
angenehmste widerlegt worden. Schon rein äusserlich
muthete mich das ganze Ceremoniell religiös an. Mir
war während der Handlung, als sei ich in der Kirche
bei einem schlichten, einfachen, religiösen Weiheact
Die schönen Gebete zu Anfang wie Schluss würden
jeder religiösen Gemeinschaft Ehre machen, die Klänge
des Harmoniums erinnern an Orgelton, die Ermahnungen
der Redner an die Mahnungen in einer Predigt, Es
ist die bekannte Trias der Aufklärungszeit des vorigen
Jahrhunderts, welche den Grundton der religiösen Ueber-
zeugungen des Bundes bildet: Gott, Tugend, Unsterblichkeit
; jene Grundsätze, welche unser Volk
schon einmal von der Sündfluth des Materialismus
retteten, jene „Kantische Dreieinigkeit", welche den.
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