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den vorhandenen Schwamm von neuem Schwamm setzt,
ist nichts weiter als nothwendige Consequenz. Man
könnte mit stiller Erlustigung die drastische Charakte-
risirung des „Gros der Mr in beinahe allen Logen auf
dem Erdenrund" lesen, welche schon vor über 15 Jahren
in dem Buche: Fiat lux (S. 74 ff.) gegeben ist, wenn
einem nicht das Herz bei dem Gedanken bluten müsste,
dass ein solches Gros existirt, dass es nicht bloss exi-
stirt, sondern zum Verderben der Frmrei dient. Ja,
zum Verderben, nicht bloss durch ihren Einfluss auf die
Mitglieder des Bundes, sondern noch mehr auf diejenigen,
die dem Bunde von Aussen her ihre Aufmerksamkeit
zuwenden.
Wenn ich oben von Einfluss der frmrischen Philister
auf ihre Bit sprach, so meine ich selbstverständlich
nicht, dass die Besseren sich ihnen anpassen, ihnen
gleichgesellen könnten: solchen Einfluss spreche ich den
Philistern durchaus ab. Ich meine aber den Einfluss,
welchen, — das Beispiel scheint mir zu passen — magnetische
Pole gleichen Namens auf einander üben: sie
stossen ab. Zunächst wird sich der Einfluss der Freimaurerphilister
denjenigen verehrungswürdigen Brn fühlbar
machen, die in ihrer Feinfühligkeit zugleich die
Ueberzeugung gewinnen, dass sie mit ihren Ansichten
jenen nur im Wege sitzen; sie räumen das Feld und
haben — so sagen die Philister — das Interesse verloren
. Im Verlassen des Platzes folgen ihnen diejenigen,
welche — praktischer angelegt — vergeblich versucht
haben, das Gros wenigstens der blinden Folge einer
guten Führung zu unterwerfen. Das ist die Ursache,
wesshalb Meister-Maurer, gewesene Stuhlmeister, Ehrenmeister
u. s. w. oft plötzlich selten in der Loge werden;
sie haben eine Stätte verlassen, auf welcher ihr Wirken
nur ein rastloser Kampf gegen gleichgültiges
Philisterthum gewesen war*). Sie mögen nicht mr-
isehen Arbeiten beiwohnen, die in der Art und Weise
ihrer Erledigung ihnen den tödtlichen Eindruck eines
mechanischen Hantierens verschaffen .... doch davon
still, oft bleibt sogar der Mechanismus sitzen und will
nicht weiter.
Soll ich noch ausmalen, wie durch das Philisterthum
der fluktuirende Besuch der Logen verursacht wird. Man
müsste nicht Menschenkenntniss besitzen, um die Behauptung
zu scheuen, dass das angewachsene Gros der
Alltagsmenschen in seiner gleichgültigen Weltanschauung
doch nicht so potenzirt gleichgültig in sich und untereinander
ist, dass Eintracht eine unverlierbare Tugend
wäre. Im Gegentheil, gerade in dem abgeschlossenen
Kreis der Loge wird sich die Engherzigkeit des Philisters
unheilbar darin zeigen, dass er die Gevatter- und
Verwandtschaft in die Aemter zu bringen sucht; ist aber
die eine Gevatterschaft oben, so hört die Gleichgültigkeit
der andern Gevatterschaft auf, in diesem einen Punkte
ist sie verletzbar, und kommt etwa noch hinzu, dass die
herrschende Mehrheit die schmollende Minderheit nicht
hätschelt, so fängt letztere an zu trotzen — dann haben
*) So geht «8 auch Nicht-Stuhlmeistern. Die Bedact
wir die weitere Erscheinung, dass der Neuaufgenommene
die eine Hälfte seiner Logenbrüder nicht mehr zusehen
bekommt, bis vielleicht mit dem neuen Maurerjahr sich
das Untere nach oben geschwungen hat und nunmehr
die andere Hälfte unsichtbar wird.
Und der Neuaufgenommene, der voll warmer Empfindungen
für die Mrei die Aufnahme in eine solche
Loge erstrebt und — selbstverständlich! — gefunden
hat, was wird aus ihm? Oft trägt er Jahrelang seine
Gedanken für sich, zehrt Jahre lang am hellen Feuer
seiner Begeisterung, er erreicht oft den zweiten Grad,
wenn ihn die Gevatterschaft für würdig hält, befördert
zu werden; aber eben so oft beginnt er früher, sich,
mit seiner frmrischen Thätigkeit zu isoliren, er mag
seine Würdigkeit nicht dem Urtheile solcher unterstellen,
die er selbst des Namens Freimaurer für nicht würdig
hält, er begnügt sich mit seinem eigenen Bewusstsein
— und bleibt äusserlich in den Anfangsgraden der Mrei
stehen, während er in der Erkenntniss hoch über sämmt-
lichen Mitgliedern seiner Loge erhaben ist. Manche
lösen das Band gelegentlich einer Entfernung von ihrer
Loge, wenn sie das Glück haben, in anderen Orienten
eine Loge nach ihrem Herzen zu finden. Wer aber vermöge
äusserer Verhältnisse oder eigenen Entschlusses
an den Wohnort gebunden bleibt, der vermehrt die Zahl
derer, die als alte Maurer die Logenkalender unter der
Rubrik „Lehrlinge" oder „Gesellen" zieren.
Den Einfluss der Freimaurerphilister auf die ausserhalb
des Bundes Stehenden, auf die profane Welt, wie
man gern sagt, darf ich nicht unterlassen zu schildern.
Es ist sehr beachtenswerth; denn der Philister ist derjenige
, der seine Zugehörigkeit zum „geheimen" Bunde
gern durchblicken lässt, am liebsten, wenn er sich damit
einem in der profanen Gesellschaft hochangesehenen
Br gleichstellen kann. Um sich nicht von vornherein
blind zu stellen gegen die Anerkennung, dass der Freimaurerphilister
auch durch den Einfluss, den er auf
Profane ausübt, der Mrei schaden könne, wolle man sich
zunächst sagen lassen, dass man bei der jetzt erforderlichen
Argumentirung, von dem Standpunkte eines Profanen
aus, die Sache betrachten müsse. Wer einen Alltagsmenschen
, der dem ganzen Gemeinwesen wegen
seiner braven Gleichgültigkeit gegen das Wohl und das
Wehe selbst gleichgültig ist, als Frmr erkannt, sich
selbst aber mit den grossartigen Ideen des Bundes bekannt
gemacht hat, wer obendrein das Gros einer Loge
aus solchen ihm völlig indifferenten Personen zusammengesetzt
sieht, der geräth unleugbar mit seinen Gedanken
in den Zweifel, ob die Interessen der Frmrei in solchen
Mitgliedern wohl ihre würdige Wahrung und Verbreitung
finden möchten. Beobachtet er scharf, so wird er in
den Gevatterschaften bald einige Persönlichkeiten entdecken
, deren moralische Eigenschaften seine Zweifel
nur mehren; einen directen Vorwurf kann er ihnen zwar
nicht machen, aber seine Vorstellung davon, „dass wir
Frmr bessere Menschen seien", ist in ein bedenkliches
Schwanken gekommen. Der geringste weitere Anstoss
wirft sie und damit seinen Entschluss, dem Bunde sich
zu nähern, um. Ja, verschliesse man sich doch nicht
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