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gegen die Thatsache, dass das Aufnehmen von Alltagsmenschen
das Aufnehmen schätzenswerther Suchender
in unendlich zahlreichen Fällen vereitelt. Man verlange
von einem dem Bunde noch nicht Angehörigen, sei er
auch der edelste Charakter, doch nicht schon, dass er
alle Vorort-heile abgestreift habe, die der Bund abgestreift
haben möchte, noch weniger, dass er, selbst edel
und hochherzigen Sinnes, in den Philistern mit ihren
trotz der „frmrischen Ideale" flachen Anschauungen geeignete
Genossen zu dem grossen Werke der Brüderschaft
erkenne, erkennen doch ihre eignen Brüder
sie nicht als solche. Ich mag nicht aus meinen
eignen Erfahrungen auftischen, wie schätzenswerthe Persönlichkeiten
, die der Entschluss, Frair zu werden, bis
an die Schwelle der Loge geführt hatte, umkehrten,
weil sie bei fortgesetzter Prüfung bemerken zu müssen
glaubten, dass, wo fast Jeder die Aufgabe der Mrei erfüllen
könne, mit ihrer Angehörigkeit weder dem Bunde,
noch ihnen selbst gedient sei. Und die Wenigen, die
auf solche Weise umkehrten, wogen mehr, als das Gros
der Freimaurerphilister, deren Werth ihnen nicht erkennbar
wurde.
So bringen die Alltagsmenschen in ihrem Philisterthum
der Loge weder Ehre, noch Wehre; nur das Sinken
der Loge an innerem Gehalt ist die merkliche Folge,
„wenn die Zahl der Mitglieder rapid wächst" — natürlich
an solchen, die man gleich zu Dutzenden eintrittsfertig
findet. Die Alltagsmenschen sind das Mittel zur
Befriedigung der „Wachssucht" einer Loge, weil tüchtige
und des Schrittes bewusste Männer den Weg zur Loge
langsamen Ganges und ernsten Sinnes zurücklegen
Wehe, wo das Bestreben, die Hundertschaft der Mitglieder
voll zu machen, der leitende Gedanke bei der
Aufnahme ist; es kann die Kasse füllen, Verschönerung
des Tempels u. s. w. schaffen, aber der Frmrei nur
schaden: frmerische Philister sind keine Frmr, und sie
sind unvermeidlich, wenn man darauf ausgeht, die
Zahl der Mitglieder zu steigern. Bringt doch die Wachssucht
regelmässig mit sich, dass man nicht Suchende
aus eigenem Entschluss sich nahen lässt, sondern dass
man „sie erst auf die richtige Fährte bringt"
Sind aber die Freimaurerphilister eine üppig wuchernde
Missbildung der Logen, wie hält man sie fern, wie entfernt
man sie? Das letztere ist schwer, ja oft unmöglich
. Aber, wo sie vorhanden, kann man ihren Einfluss
paralysiren, um im Lauf der Zeit die Loge so zu heben,
wie sie sein sollte. Diese Paralysirung herbeizuführen,
müssen die Einsichtigen Front schliessen und unerbittlich
das Wachsthum der Philisterei durch das fernere
Abweisen des dahin einschlägigen Gefolges hemmen.
Um den guten Kern wird sich dann nach und nach eine
Loge bilden, die zwar an Zahl der Mitglieder die Hundertschaft
nicht erreicht, an Gehalt aber hunderte von Logen
weit überragen wird. Und wo der Philister*) noch nicht
heimisch ist, da halte man ihn fern.
Die Schutzwehr liegt in allen Fällen in der Bedingung
, dass der Suchende, um Eintritt in den Bund erlangen
zu können, ein freier Mann von gutem Ruf sei;
man nehme die Erfüllung dieser Bedingung streng,
ja, ich will nur sagen, man nehme sie genau, und die
Mrei wird von dem Krebsschaden der Alltagsmenschen
befreit sein. Denn der Alltagsmensch kann die Bedingung
nicht erfüllen. Ein „braver" Mann mit „gutem
Leumund" ist noch lange kein Mann mit „gutem Ruf".
Zum Begriff des guten Rufes eines Suchenden gehört
mehr; es gehört dazu, dass sich die Welt um ihn — sei
sie klein oder gross, je nach den Verhältnissen — mit
ihm beschäftigt, dass sie von ihm nicht nur zu sprechen
weiss, sondern dass sie von ihm spricht; und das kann
und wird sie nur, wenn er Eigenschaften offenbart
hat, die es verdienen, berufen zu werden; lassen
die Offenbarungen auf gute Eigenschaften schliessen,
so wird die Welt sie auch als solche behandeln, und
der gute Ruf ist gegründet. Man verkenne nicht den
Unterschied zwischen dem braven Manne mit gutem
Leumund und dem freien Manne von gutem Ruf. Guter
Leumund ist angeboren, er kann nur verloren werden,
guter Ruf wird erst erworben, ehe er besessen und
verloren werden kann. Der gute Ruf setzt voraus, dass
gute Eigenschaften vorhanden und bethätigt sind;
der gute Leumund freut sich des Daseins, wenn der
brave Mann nur nicht mit den Strafgesetzen in harten
Conflict gekommen ist, mag er auch selbst weiter nichts
thun, als auf der bequemen Lebensbahn des gleichgültigen
Philisterthums wandeln. Daher die Berechtigung
des Wunsches: „Möchten doch die Qualitäten der Suchenden
gewissenhaft geprüft werden." Zurück mit denen,
deren Qualitäten nicht offenbart sind; wir verlieren nichts
an der gemeinen Masse, die mit ihrer Flachheit uns
die Auserlesenen abschreckt! Bethätigen wir, dass die
Frmrei keine „Nährmutter" für Spiessbürger und keine
„gemüthliche Alte" für pensionirte Handwerker sei,
fordern wir Thaten, und wir werden die Genugthuung
erleben, dass die Suchenden zagenden Gemüths sich
nahen, zweifelnd, ob ihre Vorzüge auch hinreichend bekannt
seien, um ihre Würdigkeit, in den Bund aufgenommen
zu werden, zu begründen; wir werden dann
erleben, dass die Meldung zur Aufnahme zum wirklichen
Gesuch wird, vor dessen Bescheidung die Frage
nach dem guten Ruf einer strengen, gerechten Beantwortung
unterworfen ist, wir werden — und das wünschen
wir innigst — erleben, dass die Edlen und Edelsten
eine Ehre darein setzen, im Bunde willkommen geheissen
zu werden. Im lichten Feuer verschwinden die Schlacken
— lässt sich die über dem Niveau der Alltäglichkeit
stehende Auserlesenheit von Männern in den Logen
heimisch machen, dann wird die Erbärmlichkeit des
Philisterthums unter der Begeisterung der Edlen verschwinden
, und dann können wir auch an reinigende
Reformen unsres Bundes denken, die uns jetzt durch
die Engherzigkeit unseres „brüderlichen Pöbels"
versagt sind.
*) Wir verweisen auf die 5 Artikel dieses Bl. „Der Philister"
von Br Funkhänel, Bauhütte 1858 u. 60. Die Red.
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