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Maurer-Erinnerungen.
Aus d. Herbstfestl. d. L. z. aufg. Morgenr. in Frankfurt a. M.
Von Br Reges.
Ehrw. Grossmeister! Vielg. Bit! „Folgen Sie mir
drei Jahrzehnte zurück. Versetzen Sie sich mit mir in
die bewegte Zeit der Jahre 1848 und 49 in die Zeit
die auf der einen Seite lange zurückgehaltene Hoffnungen
und Wünsche wach rief, auf der andern Seite Schrecken
und Besorgniss erregte, in die Zeit, in der zum erstenmal
eine Vertretung der ganzen deutschen Nation in
den Mauern Frankfurts tagte, um über die Geschicke
Deutschlands zu entscheiden. Es war eine Bewegung,
die durch ganz Europa ging. Es tauchten Fragen auf
die Manchem vollständig neu waren und nun einen
heftigen Widerstreit hervorriefen. Heute sehen wir
klarer über das, was hinter uns liegt. Die grossen Ideen,
die den damaligen Ereignissen zu Grunde lagen, sie
haben sich mehr und mehr eingebürgert bei allen Gebildeten
(?!) und erscheinen uns jetzt nicht mehr als ein
politisches Parteiprogramm, sondern als Errungenschaften
zum Wohle der Menschheit. Die Fragen über die Neugestaltung
des deutschen Reiches brachten von jeher
die verschiedenartigsten Ansichten zum Ausdruck und
beschäftigen uns noch heute. Anders ist es mit den
grossen Principienfragen, die den Grundstein bilden zum
Auf- und Ausbau des Staatswesens und der socialen
Verhältnisse. Wir siud einig darüber. (?) Jetzt gilt es
weiter zu bauen und sie vollends zur Durchführung zu
bringen zum Wohle des Vaterlandes und der Menschheit."
„Es wurden damals von allen aufgeklärten Männern
folgende Grundsätze anerkannt:
Die Gleichberechtigung aller Staatsangehörigen;
Die Freiheit der Meinungsäusserung durch Wort
und Schrift;
Das Recht der freien Vereinigung;
Volle Glaubens- und Gewissensfreiheit;
Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre."
„Die Frmrei schliesst alle politischen und religiösen
Erörterungen aus; aber diese Sätze, die wir als unveräusserliche
Menschenrechte betrachten und betrachten
müssen, konnten sie nicht unberührt lassen und auch
heute noch dürfen wir uns ihnen nicht entziehen."
„Damals galt es als ersten Schritt, Hand in Hand
mit der Neugestaltung des Staatswesens auch in der
Frmrei Reformen anzubahnen und durchzuführen, die
obigen Grundsätzen entsprechen. Vorurtheile zu beseitigen
und bei dem Suchenden nicht den Stand oder
den Glauben, sondern nur den Menschenwerth auf die
Wagschale zu legen. Und trotz Allem, was heute noch
hindernd im Weg liegt, wird die Mrei fortfahren sich
zu verbessern, zu klären und zu einen. Der Grund
dazu wurde zum grossen Theil in der Bewegung jener
Zeit gelegt und so kann die Wechselwirkung der damaligen
politischen Verhältnisse mit den mrischen Bestrebungen
nur eine segensreiche und fruchtbringende
genannt werden. Werfen wir daher einen Rückblick
auf das Logenleben in Frankfurt, wie es sich zur Zeit,
als die deutsche Reichsversammlung hier tagte, gestaltete
."
„Das Logenleben wollte in dem Sturm der Ereignisse
nicht so recht gedeihen. Die politischen Streitfragen
nahmen die Gemüther zu sehr in Anspruch und
wirkten auf alle Verhältnisse. Die schlechten Zeiten,
wie man damals sagte, die Unsicherheit, mit der man
der Zukunft entgegensah, hielten Manchen ab, sich dem
Bunde anzuschliessen und bewogen manchen Br zum
Austritt, so dass die Fortexistenz der Logen theilweise
in Frage gestellt wurde. Verhehlen wir es uns auch
nicht, dass bis dahin das aristokratisch-conservative
Element vielfach in den Logen vorherrschte und sich
mit der Idee der Neuzeit nicht befreundete. Es ist aber
allmählig besser geworden und wir haben es dem Geiste
dieser Zeit zu verdanken, der in alle Schichten der Gesellschaft
eindrang. Hebend und ermunternd wirkte nun
die Anwesenheit hervorragender Männer aus allen Gauen
Deutschlands auf die hiesigen Logenverhältnisse ein.
denn viele von ihnen waren Frmr und suchten nach
den Kämpfen des Tages Erholung in den Räumen der
fünf hiesigen Logen. Es dürfte nicht uninteressant sein,
Ihnen eine kurze Zusammenstellung zu geben, über das,
was ich auf meiner Wanderung durch die Archive der
hiesigen Logen gefunden habe."
„Aus dem Vorparlament bildete sich der Fünfziger-
Ausschuss, der bis zur Bildung der Nationalversammlung
mit dem Bundestag verhandeln sollte. Dieser Fünfziger-
Ausschuss hatte seinen Sitz in den Clublocalitäten der
Loge zur Einigkeit. Zwei Mitglieder desselben, derBr
Freudentheil aus Stade und ein Br Nonne besuchten
die Ostermessloge unter Leitung des damaligen dep.
Ms. v. St. der Loge Einigkeit, des Brs Hessemer."
„Nach Constituirung der Reichs Versammlung fanden
sich allmählig mehr besuchende Brr in allen fünf hiesigen
Logen ein."
„Ich erwähne nun die, von denen ich weiss, dass
sie Mr waren mit Angabe der politischen Fraction, der
sie in der Reichsversammlung angehörten und der Würde,
die sie bekleideten."
„In erster Linie nenne ich den Reichsministerpräsident
von Gräveli aus Frankfurt a. d. Oder. Von
der äussersten Rechten gehörten dem Bunde an: Ernst
Deeke, Dr. u. Prof. aus Lübeck (L.L.); Fürst Felix von
Lichnowsky aus Ratibor; Franz Scholz, Justizcommissär
aus Neisse. Von der Rechten: Carl Rättig, Regierungsrath
aus Potsdam; Carl von Scheuchenstuel, Oberberg-
amts-Director aus Loeben in Steiermark; von Wegnern,
Landrath aus Lyk, Prov. Preussen; Agath. Wernich,
Buchdruckereibesitzer aus Elbing. Von dem rechten
Centrum: Ernst Kunth, Lehrer am Waisenhause zu
Bunzlau; Laudien, Regierungsrath aus Königsberg; Carl
Rödenbeck, Justizcommissär aus Grünberg; Anton Schauss,
Hofrath und Advocat aus München; Friedr. Carl Stieber,
Appellationsrath aus Bautzen. Von dem linken Centrum:
Ambrosch, Dr. und Professor aus Breslau; J. H. Detmold
, Advocat aus Hannover, Reichsminister; Carl München
, Advocat aus Luxemburg; Gabriel Riesser, Notar
und Appellationsgerichtsrath von Hamburg, zweiter Vice-
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