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Lebens existiren, dass keine confessionellen, keine nationalen
oder andere Unterschiede Raum fassen können.
Desshalb, meine gel. Br, wahret den Frieden durch That
und Wort, erwägt die Worte Eurer Zunge mit dem Gedanken
der br Liebe, immer des Dichters gedenkend:
„Und hüte Deine Zunge wohl,
Bald ist ein scharfes Wort gesagt;
0 Gott! Es war nicht bös gemeint!
Der Andre aber geht und klagt."
Ja, meine Lieben, es giebt Nichts Bequemeres als
diese Worte: „es war nicht bös gemeint". Was soll
dieser Mörtel, mit der Kelle geworfen, nicht alles übertünchen
! Wesshalb störtest Du denn den Frieden,
wenn es nicht bös gemeint war, wesshalb erwägest Du
Dein Wort nicht, bevor es Deine Zunge verlies? Glaubst
Du, dass die Phrase: „es war nicht bös gemeint", die
geschlagene Wunde heilt? Wie dem Schützen den vergifteten
Pfeil, vom Bogen geschnellt, keine Macht zurückbringen
kann und oft zum Tode verwundet, so trifft
das Wort der Zunge. Desshalb, meine Br, kann ich es
Ihren Herzen nicht nahe genug legen, wahret den heiligen
Frieden in Euch und diesen Hallen, dann wird das
Saamenkorn, das treue Herzen pflanzten, herrlich zur
Knospe entkeimen, zur Blume erblühen und angehaucht
von echt mr Gesinnung zum Baume gedeihen, der seine
reifen Früchte niederschüttet in unsern Schooss. Aber
nicht nur in diesen Hallen, wo wir ja nur kurze Zeit
weilen, soll der Frieden uns umwehen, nein draussen in
der Welt und vor Allem in unsern lieben Daheim.
Wenn unser Fuss in ein fremdes Heim tritt, so müssen
wir fühlen, dass wir in ein Mr-Heim treten, nicht
Worte des Zankes, des Streites müssen uns entgegen
tönen, sondern Worte der Liebe die wir Euch, Ihr
Schwestern, schulden, Ihr, die Ihr Vater und Mutter
willig verliesset, um hinfort in unsrer Liebe Schutz zu
finden. Wehe dem Mr, der seinen Eid vergisst, wehe
ihm, dass sein Fuss je diese Schwelle der w. Pf. überschritt
. Wir müssen durch Frieden fleissig arbeiten,
denn unser Erdenwallen ist ja so kurz, darum lassen
Sie uns auch hier dem Dichter folgen:
„0 lieb so lang du lieben kannst,
0 lieb so lang du lieben magst;
Es kommt die Zeit, es kommt der Tag
Wo du am Grabe stehst und klagst.
Ja meine Br und Schwestern, es kommt die Zeit,
früh oder spät, wo wir am Grabe eines Lieben stehen
und klagen und weinen. — Wenn dann Scholle auf
Scholle niederrollt, dumpf mahnend an unser Herz schlägt,
dann ruft nur in die Gruft hinein: „es war nicht bös
gemeint!" gebt dies als Euren letzten Gruss dem ewigen
Schläfer, denn der Frieden ist dahin, dahin für ewig;
vielleicht werden sie dereinst in Eure Waage geworfen.
Ja, ruft nur dann, wenn Erde sich über die irdische
Hülle häuft: „Es war nicht bös gemeint", dem die Worte
gelten; er sieht nicht das Zeichen der Liebe, die Reue-
thränen, er hört nicht das Wort um Verzeihung bittend
und er fühlt nicht den Griff der Hand Vergebung für
alle Fehler ersuchend, todt! todt! für immer unserer
Liebe entflohen. — Aber wenn dann dereinst auch Ihr
aus dieser vergänglichen Loge abberufen werdet zu
jener glorreichen Himmelsloge, in welcher der ewige
Weltenmeister für immer den Vorsitz führt und Ihr
tretet an das Reissbrett, um Euren Lohn zu fordern,
den Ihr fällig wähnt, dann wird das Donnerwort an
Euch ertönen: „Fort du fauler Geselle, der du mit dem
Hammer in blinder Wuth den herrlichen Stein zerschlugst
und zum Bau nutzlos machtest, der du mit der
Kelle den Cement verschleudert und mit dem Winkel-
maass und Zirkel nur am rohen Steine herumgeklappert
hast, anstatt zuarbeiten, Dein Lohn ist verfallen"; dann
ruft nur: „0 Gott es war nicht bös gemeint." — Aber
meine Geliebten, ich male Ihnen hier trübe Bilder vor,
es ist ja nicht vollständig so bei uns und noch ist es
ja nicht Hochmitternacht, um von unserer Arbeit
zur Erholung zu gehen — nur dann, wenn der wahre
Frieden in und um ums stets gewahrt, wenn ernste
Arbeit uns hierin stets begleitet, wenn wir unsere Werkzeuge
stets richtig anwenden, wenn wir uns selbst erkennen
, selbst beherrschen und uns bestreben, immer
mehr in der k. K. zu vervollkommnen, dann wird unsre
schwere Arbeit leicht und unser Lohn nicht verfallen
sein. Vollkommen und unfehlbar sind wir Menschen ja
alle nicht; sagt ja selbst unser Dichter, Br Marbach:
„Als Gesell dem Guten lebend,
Nach dem Meisternamen strebend,
Kann es höchstens hier gelingen
Lehrlingsarbeit zu vollbringen.
Nun meine gel. Brüder, lassen Sie uns denn alle
mit allen unseren Kräften versuchen, Lehrlingsarbeit
würdig zu schaffen.
Aber es ist noch ein anderer Pimct für den Frieden
der Loge unbedingt nothwendig, den ich Ihnen am heutigen
Fest-Abend an das Herz legen möchte. — Sorgen
Sie mit ganzem Ernste dafür, dass nur fähige und würdige
Männer bei uns Aufnahme finden, nicht Männer,
die nur Frmr heissen wollen, sondern deren ernster
Wille es ist, Frmr sein zu wollen; aber halten Sie auch
keinen fern, der diese Prüfung bestanden hat. Es ist
der Welten Lauf, dass sich die Menschheit durch verschiedene
Interessen zu Gesellschaften verbindet und
dass diese Gesellschaften, wenn sie die Interessen erreicht
oder wenn nicht vollendet haben, wieder auflösen ohne
für die Weiterereignisse wichtige Spuren hinterlassen
zu haben, anders die Frmrei; diese ist auf ein Interesse
gegründet, das unveränderlich in seinem Wesen ist, denn
unsere Selbstveredlung, Selbsterhebung ist nicht an Zeit
noch Raum gebunden. Soll wahre Frmrei in einer Loge
gedeihen, so muss jeder Br darauf sehen, dass die Annahme
oder Abweisung eines Suchenden nicht nach dem
Grade seiner gesellschaftlichen Bildung oder nach Be-
urtheilung seines Standes oder Reichthums geschieht,
sondern nur allein sein Herz muss unser sein. Ob reich
oder arm, ob hochgelehrt oder nur schlicht gebildet,
wenn würdig muss sich unsere Bruderhand ausstrecken,
um im festen Mrdruck die seinige im Willkommen zu
ergreifen. Hüten Sie sich, meine Bit, Cliquen entstehen
zu lassen, die durch unmrische Anschauungen den Todeskeim
hier hinein tragen, ohne daran zu denken öderes
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