http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0111
104
abhängigkeit und eine rein radical flunkernde Freigeisterei
aus. Politisch bewegte er sieb gleichfalls auf
der äussersten Linken. Im Jahre 48 schlug er sich mit
Enthusiasmus für die Republik. Allein all' sein Bemühen
, eine grosse öffentliche Rolle zu spielen oder
durch seine rothen Poetastereien den Lorbeer des
Dichters zu erringen, missglückte. Seinem mittleren
Talent ohne überzeugenden Charakter, ohne soliden
Wissensfond blieb der gewünschte Erfolg versagt. Da
begab sich der ehrgeizige Mann resolut auf rückläufige
Bahnen und versuchte mit der Reaction zu erzwingen,
was sich mit dem Liberalismus nicht erreichen Hess.
Der rothe Erfolgsritter bekehrte sich zum Bonapartismus
dunkelster Färbung und aeeeptirte eine Anstellung in
den Polizeibureaux' des Staatsstreichskaisers. Allein,
mein verehrter Br, was soll ich Ihnen hier all' die
Wandlungen erzählen, die in Frankreich jedes Kind
weiss? Jüngst erst waren alle republikanischen Zeitungen
voll davon, als die Academie durch ihre scandalöse Wahl
den edlen Maxime du Camp wieder öffentlich in Erinnerung
brachte. Es sind Reden gefallen, die kein
halbwegs unbescholtener Charakter ruhig hinnehmen
darf — und Maxime du Camp nimmt sie ruhig hin!
Es sind ihm Qualitäten vorgerückt worden, die jedes
publicistische oder akademische Ansehen aus dem Sattel
heben — und Maxime du Camp rührt sich nicht! Renegat
, Mouchard und ähnliche Titel sind ihm öffentlich
ertheilt worden — und Maxime du Camp strengt keine
Beleidigungsklage an! Das ist Ihr hochgelobter Gewährsmann
, mein Br!
Ich hätte über diese traurige Figur niemals ein
Wort verloren, — ich habe Besseres und Notwendigeres
in Paris zu thun — wenn nicht Ihre Lobeshymnen auf
diesen Mann in der deutschen Mrerpresse so unerwartet
erschienen wären.
Sie haben über den Mann sich auszulassen zuerst
das Bedürfniss gefühlt. Ich habe meine Schuldigkeit
gethan, Sie zur Aussprache über Ihre Quellen veranlasst
zu haben. Ihnen nachträglich die Informationen
über Ihren Helden liefern zu sollen, geht über die
publicistische Verpflichtung hinaus. Ihre Behauptung,
ich hätte Mittheilungen in Aussicht gestellt, „welche die
Du Camp'sche Darstellung berichtigen sollen", beruht
auf irrthümlicher Auffassung meines ersten Briefes. Ich
habe dort nichts Aehnliches versprochen. Das Pamphlet
eines Renegaten ä la Maxime du Camp berichtigt
man nicht; man verachtet es. Zu seiner Zeit wird
sich schon der berufene Geschichtschreiber einstellen,
um mit einem Werke der Wahrhaftigkeit das Werk der
Lüge und der reactionären Rancüne aus dem Felde zu
schlagen. Die Berichtigung vollzieht sich dann von
selbst.
Die Leser sind avisirt. Das genügt für den Moment.
Mit des Mrer's Gruss
Ihr ergebener Br
Paris, 10. März. M. G. Conrad.
Briefwechsel.
Br C. H—1. in Soerabaia, nieder!. Indien: Die bestellten Bücher
und Musikalien für die maurer. Lesegesellschaft sind via Amsterdam
an Sie abgegangen. Br Gruss!
Br C. in H.: Eine genaue historische Darlegung vermag ich aus
Mangel an Zeit nicht zu geben. Ohne die Bezeichnung „maurerische
Werkthätigkeit" erschienen in „Bauhütte" 61 bis 68 verschiedene
Artikel, welche in dieser Kichtung anzuregen suchten, so Art. v. Herausgeber
d. Bl. über die Rettung Schiffbrüchiger, über Arbeiterwohnungen,
über den Reiseprediger Werner, den „Apostel werkthätiger Menschenliebe
" etc. und 1866 eine (mangelhafte) Zusammenstellung mr Institute
und Stiftungen, zugleich als erste Anregung zu mr Statistik. Der erste
dahin anklingende Titel ist, „die Mrei der That" von Br Henne (1864).
Wenn ich nicht irre, tritt die betr. Bezeichnung zum ersten Mal auf
in meinem Antrag betr. Preisausschreiben „über die den Ideen der
Mrei am meisten entsprechende, fruchtbarste und zweckmässigste Art
maurer. Werkthätigkeit" (Bauh. 1868 Nr. 20), worüber in Hagen Br
Schütz referirte. Vrgl. dieses Referat in Bauhütte 1868 Nr. 24, worin
auf Br Henne's Arbeit, als „kräftigen und nachhaltigen Anstoss in
dieser Frage", hingewiesen ist, sowie auf die betr. Artikel der Bauh.
über „Logengenossenschaft". Der erste Artikel in der Bauh., der die
Ueberschrift trägt, ist von Br Schneider. Die in Hagen gegründete
„Centralhilfskasse" ward bestimmt „für eine den Ideen des Mrbundes
entsprechende mr Wei-kthätigkeit". In jener Versammlung befürwortete
ich u. A. auch die Ausgabe mr Darlehnsscheine, mittelst welcher
„eine Art internationalen mr Papiergeldes" geschaffen würde. Damals
gab es bekanntlich noch keine Briefmarken für Kleinzahlungen, keine
Postmandate und keinen Weltpostverein. Das wird Ihnen vielleicht
genügen. Br Gruss!
Anzeigen.
Die Brüder werden auf die städtische Realschule
I. 0. zu Würzen bei Leipzig und deren eigenartige
Organisation aufmerksam gemacht; denn obwohl öffentliche
Anstalt, bietet sie doch die Vortheile des Internats
und zugleich die des Familienlebens. Jeder Schüler
nämlich ist einem Lehrer zur Specialerziehung zugetheilt,
der bei ihm Vaterstelle zu vertreten, ihn zu leiten, zu
beobachten hat, ihn in seiner Wohnung aufzusuchen,
seine häuslichen Arbeiten, seinen Umgang überwachen
muss etc. Sodann sind bestimmte Arbeitsstunden festgesetzt
, die eben so strenge innegehalten werden müssen,
als die Schulstunden. Endlich ist der allerwärts beklagten
Ueberbürdung durch einen Arbeitsplan vorgebeugt
, auf welchem genau vorgeschrieben ist, wieviel
täglich jeder Lehrer aufgeben darf. Die Schülerzahl
beträgt augenblicklich 204. Zu jeglicher sonstigen Auskunft
erbietet sich der Director und Professor
____________________Br Pötzsclike.
Ein unverh. Br, 32 Jahr alt, welcher durch Umstände
ein seit 2 Jahren übernommenes Tuch- und
Bukskin-Engrosgeschäft wieder aufzugeben gezwungen
war, sucht, am liebsten auf sofort und in dem Geschäfte
eines Br Frmr, eine Stellung als Comptoirist, Lagerist
oder Reisender für ein Engrosgeschäft, einerlei welcher
Branche. Die besten Zeugnisse über Moralität und
kaufmännische Tüchtigkeit stehen ihm zur Seite und
kann er Caution in jeder Summe stellen. Der Br bittet
die Bit Chefs vacanter Stellen um brüderl. Berücksichtigung
dieser seiner öffentlichen Kundgebung unter
A. B. Nr. 3 an die Bauhütte.
Bekanntmachung.
Es sind in letzter Zeit, oft täglich, wieder so viele Sendungen von nicht durch uns erbetenen Büchern,
Schriften, Reden, Gedichten etc. etc. an uns gelangt, dass wir, auf die in Nr. 6 des Jahrgangs 1876 der hier
erscheinenden „Bauhütte" und „Freimaurerzeitung" veröffentlichte Erklärung unseres Meisters vom Stuhl, Br
Willem Smitt, Bezug nehmend, uns genöthigt sehen, noch einmal bekannt zu geben, dass wir uns zur Rücksendung
nicht bestellter Schriften etc. durchaus nicht verstehen können, da wir ausser Stande sind, die damit
verbundene Mühewaltung, welche zu einer wirklichen dauernden Belästigung führen würde, zu übernehmen.
Der Vorstand der Loge Apollo.
Willem Smitt. A. Beer. M. Cavael.
Leipzig, den 18. März 1880.
Verantwortlicher Redacteur: Br J. G. Findel in Leipzig. — Druck und Verlag von Br J. G. Findel in Leipzig.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0111