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Passus verletzt (stigmatisirt) habe, so war doch zu befürchten
, dass durch diese Vorgänge die Hoffnung auf
eine engere Vereinigung der acht deutschen Grosslogen,
für die nächste Zeit wenigstens, so gut wie vereitelt
worden sei.
Diese Besorgniss wurde auf dem Grosslogentag zu
Frankfurt a. M., Pflingsten 1879, nur allzusehr bestätigt.
Denn obgleich die festgestellte Tagesordnung beibehalten
und auf den ersten Gegenstand derselben, auf
den Entwurf zu der Bundesverfassung der vereinigten
deutschen Grosslogen, eingetreten wurde, so hatte doch
gleich Anfangs der Vorsitzende, Br Oppel, ein an die
Vertreter der Grossloge zur Sonne in Baireuth gerichtetes
Schreiben des Br Bluntsch Ii zu verlesen, in welchem
dieser verehrte Br die Gründe seines Nichterscheinens
auseinandersetzte. Obgleich ferner Br Braband erklärte
, er sei stolz darauf, mit einem Bruder in der
Commission zusammen gearbeitet zu haben, der eine
Zierde des Bundes sei; obgleich endlich Br Eckstein
Bluntschlis Arbeit geradezu als ein Meisterwerk bezeichnet
hatte, das Keiner der Anwesenden jemals besser
machen würde: so beschloss dennoch der Grosslogentag,
die Berathung über den Entwurf einstweilen auszusetzen,
allen Grosslogen zu empfehlen, den Entwurf durch ihre
gesetzgebenden Organe prüfen zu lassen, und erst im
nächsten Jahre, nach Einsendung der Gutachten Seitens
der Grosslogen, Beschluss zu fassen. Somit wurde die
so nah scheinende Verwirklichung unserer Hoffnung auf
eine engere Vereinigung sämmtlicher deutschen Grosslogen
wenigstens auf ein ganzes Jahr hinausgeschoben,
und zwar unter Umständen und Vorgängen so bedauerlicher
Art, dass diese Vertagung nur die Verhüllung
einer gänzlichen Vereitelung zu sein schien!
Glücklicherweise jedoch ist diese Befürchtung gewiss
eine grundlose. Vielmehr dürfen wir, weitentfernt
uns dadurch unsere Kaisersgeburtstagsfreude verkümmern
zu lassen, im Gegentheil die frohe Zuversicht aussprechen:
Die momentan gestörte Fortentwickelimg der deutschen
Mrei wird desto schöner einst unfehlbar sich vollziehen.
Dass allerdings durch die Störung des Planes zum
Behufe einer vollkommneren Einigung der deutschen
Mrei ein ständiges Bundesorgan derselben zu schaffen,
ihre Fortentwickelung wesentlich gestört worden sei,
das wird Niemand bestreiten können, der sich über das
ursprüngliche Ziel und Wesen der Frmrei nur einiger-
maassen klar geworden ist. Denn dass dieselbe bezweckt,
„ein Mittelpunct der Vereinigung und das Mittel zu
sein, treue Freundschaft unter Personen zu stiften,
welche sonst in beständiger Entfernung hätten bleiben
müssen", dass es im 3. Artikel der sogenannten alten
Pflichten so klar ausgesprochen, dass, wer sie aus Unduldsamkeit
, Starrgläubigkeit, Hochmuth oder Herrschsucht
dieser vereinigenden Kraft berauben und ihrer
providentiellen Bestimmung, dereinst ein Welt- und
Menschheitsbund zu werden, entfremden wollte, das
ursprüngliche Ziel und Wesen derselben verkennen und
sie in ihr gerades Gegentheil, in einen Zankapfel der
bittersten Art, verwandeln würde. Wirklich ist sie das
während der letzten 25 Jahre des vorigen Jahrhunderts
schon einmal im vollsten Sinne des Worts gewesen, und
zwar hauptsächlich in Folge der aus Frankreich zu
uns importirten stricten Observanz, der Hochgradsysteme
und des damit zusammenhängenden sogenannten christlichen
Princips, bis der Stifter unseres Systems, Fr.
Ludwig Schröder, gleichsam ein frmr Luther, auf die
Urquelle der Frmr in England, die sogenannten alten
Pflichten, und auf das ursprüngliche englische Ritual
zurück ging, und sein Gesinnungsgenosse Ignaz Fessler,
der Reformator der Grossloge Royal York, über die
Hochgrade das vernichtende Urtheil fällte: „Ein höherer
Grad ist eine aus verschiedenen Ceremonieen, symbolischen
Formen und hieroglyphischen Bildern erst in
neuerer Zeit zusammengesetzte Mysterie, deren Deutung
und völligere Enthüllung erst in einem noch höheren
Grade verheissen wird, was dann so lange, von Grad
zu Grade, bis zu den angeblich höchsten und letzten
Aufschlüssen fortgeht, die jedoch selbst wieder nichts
anderes sind, als eine erdichtete, aller Zeit und Menschengeschichte
widersprechende, jede Prüfung und Kritik
scheuende Historie des Ordens, von denjenigen erfunden,
welche die immer höher steigende Wissbegierde der
Brr nicht anders zu befriedigen wussten, oder von der
traurigen Ueberzeugung geleitet wurden, dass die
Menschen überall die Täuschung mehr als die Wahrheit
lieben."
Demungeachtet, ja trotz des erbrachten Beweises,
dass es bis zu den Extremen der Magie, Necromantie
Alchemie und Theosophie fast keine Verirrung des
menschlichen Geistes giebt, welche in den höheren Graden
nicht vorgekommen wäre; demungeachtet sind jene Ordensfabeln
bis heutzutage von derjenigen Grossloge hartnäckig
festgehalten worden, aus welcher der so bedauerliche
Protest des Br Alexis Schmidt hervorgegangen
ist, obgleich in der Mitte der Grossloge selbst die Un-
zuverlässigkeit ihrer angeblichen Traditionen von einzelnen
wahrhaft erleuchteten Brüdern nachgewiesen,
ja sogar von ihrem ehemaligen Oberarchitecten, dem
Br von Dachröden, ehrlich eingestanden worden ist!!
Wird diese Starr- und Blindgläubigkeit einer einzigen
Grossloge auch fernerhin, auf die Dauer, die
Einigung der deutschen Mrei zu hintertreiben vermögen?
— Gewiss nicht. Vielmehr dürfen wir getrost behaupten
: Die von ihr momentan gestörte Fortentwicklung
der deutschen Mrei wird desto schöner einst unfehlbar
sich vollziehn, und zwar 1) unfehlbar, wenn zugegeben
werden muss, dass Wahrheiten und Einrichtungen
, für welche die Menschheit reif ist, derselben
keineswegs vorenthalten, überwundene Irrthümer und
Geistesfesseln aber keineswegs auf die Dauer wieder
aufgenöthigt werden können. Dafür bietet uns die
Herrschsucht der römisch-katholischen Hierarchie den
schlagendsten Beweis. Auch sie stützte sich in den
dunkeln Zeiten des Mittelalters auf erdichtete Traditionen
und Pseudodecretalien; auch sie suchte, zur besseren
Knechtung und Ausbeutung der leichtgläubigen
Menge, den ursprünglichen Quell der christlichen Wahrheit
durch Vorenthaltung der Bibel dem Seelendurste
der Laien für immer zu verschliessen, und das Licht
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