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der freien Forschung durch Bann und Inderdict zu
dämpfen, bis der kühne Augustinermönch von Wittenberg
durch seine 95 Sätze, durch seine deutsche Bibelübersetzung
und durch sein unerschrockenes Wort: ich
kann nicht anders! Gott helfe mir! die dünkelvolle Macht
der Priesterherrschaft erschütterte, so dass sie trotz der
von ihr geschürten Kämpfe eines dreissigjährigen Bruderkrieges
, trotz aller Versuche, die „protestantische Ketzerei"
durch Feuer und Schwert auszurotten, trotz ihrer wahnsinnigen
Ansprüche auf Unfehlbarkeit die Lächerlichkeit
ihres Non possumus aufzugeben und ein anderes Non
possumus, die Ohnmacht ihrer bisherigen Geistesknechtungsmittel
, mehr und mehr einzusehen beginnt. So
wird auch die grosse Landesloge von Deutschland, die
einzige deutsche Grossloge, welche unsern Einheitsbestrebungen
geradezu störend in den Weg getreten ist,
ihren eigenen Tochterlogen gegenüber auf die
Dauer gewiss weder ihre die Hochgrade beschönigende
Ordensfabel, noch ihr die Aufnahme der Juden aus-
schliessendes sogenanntes christliches Princip aufrecht
erhalten können, welches mit dem wahrhaft christlichen
und humanen Princip der Toleranz im schneidendsten
Widerspruch steht.
Doch die nur momentan gestörte Fortentwickelung
der deutschen Mrei wird sich dereinst nicht blos unfehlbar
, sondern gewiss auch 2) desto schöner vollziehen
, weil die jetzt beabsichtigte Einigung doch nur
durch ein sehr nothdürftiges Compromiss oder durch
Ausschluss der widerstrebenden Grossloge hätte ermöglicht
werden können. Zwar theilen wir nicht die in
der Bauhütte Nr. 3 dieses Jahrgangs ausgesprochene
pessimistische Ansicht, dass es sich bei dem vorgelegten
Verfassungsentwurf für die zu errichtende oberste Bundesbehörde
um nichts Geringeres gehandelt habe, als
darum, „den Bund rückwärts nach Berlin zu concentriren
und aus ihm eine mit einem Ritual und einer Verfassung
versehene Zw angsanst alt zu machen, welcher
dann nur noch fehlen würde, dass Fürst Bismarck
sich aufnehmen Hesse, um in raschen Sprüngen durch
alle Grade und Hochgrade hindurch zum gemeinsamen
Grossmeister befördert zu werden und als solcher mit
seiner bekannten eisernen Faust in kurzer Zeit durch
Ausmerzung der freisinnigen und fortschrittsfreundlichen
Elemente Zucht und Ordnung nach seinen Begriffen
davon unter der Brüderschaft herzustellen." Ebensowenig
aber können wir uns den optimistischen Erwartungen
Anderer von den fortgesetzten Einigungsversuchen
mit einer Grossloge hingeben, deren Wortführer in seinem
Proteste das Gelingen der neuen Bundesverfassung auf
dem eingeschlagenen Wege geradezu für unmöglich erklärt
, wenn er sagt: „Die Aeusserung des Br Bluntschli
in einem amtlichen Schriftstücke, welche der Grossen
Landesloge als einer gewissermaasen zurückgebliebenen
eine hohe Aufkläruug empfiehlt, deren folgerichtiger
Verlauf und deren Früchte in der maurerischen Presse
sie uns bisher nicht empfehlen konnten und meiner
Grossloge die Aussicht eröffnet, wenn wir nicht heute
sofort (?) unsern Beitritt zum Vereinigungsplan erklären
sie dermaleinst zu jener hohen Aufklärung zu zwingen (?),
ist ganz sicher nicht der Weg zum Gelingen der neuen
Bundesverfassung." Nach solch einer von der betreffenden
Grossloge gutgeheissenen Erklärung würde uns bei
fortgesetzten Verhandlungen nur die Wahl bleiben, entweder
mit derselben ein für uns sehr nachtheiliges
Compromiss, oder ohne dieselbe, blos mit den übrigen
Grosslogen, einen engern Bund zu schliessen, eine Alternative
, deren beide Fälle gleichbedauerlich wären. Deshalb
getrösten wir uns einstweilen der Zuversicht, dass
die momentan gestörte Fortentwicklung der deutschen
Mrei unfehlbar dennoch einst, und zwar desto schöner,
ohne nothdürftiges Compromiss und ohne offenbaren
Friedensbruch unter den acht deutschen Grosslogen sich
vollziehen wird, eben so gewiss und unausbleiblich, als
die der deutschen Nation von Friedrich Wilhelm IV.
versagte Erfüllung ihres Dranges nach politischer
Einigung durch Kaiser Wilhelm ihr desto glorreicher
bereits zu Theil geworden ist.
Feuilleton.
Hannover, 30. März 1880. Mit grosser Freude
habe ich Ihre Vorschläge in der letzten Nr. der Bauhütte
gelesen. Besonders ist mir der erste Vorschlag,
Geld zur sofortigen Verwendung bei besonders schweren
Nothständen vorräthig zu haben, der ernstesten Betrachtung
und thatkräftigsten Inangriffnahme werth.
So verdienstlich es auch ist, in kleinen Kreisen einzelnen
Bedürftigen zu helfen, so wenig nachhaltig ist solche
Hülfe; es wird oft geradezu eine Menge Geld durch
solche Unterstützungen verzettelt, welches, gesammelt,
einen besseren Dienst geleistet haben würde; und es ist
häufig humaner, solche kleine Unterstützungen zu verweigern
und die Kräfte für grössere Unternehmungen
zu sammeln, als sie zu gewähren. Und was die Hauptsache
ist, eine organisirte Wohlthätigkeit kann mehr
leisten, dauerndere Erfolge erzielen, als eine, die planlos
in den Tag hinein arbeitet. Eine solche ist auch nur
einer Vereinigung, wie die unsrige ist, würdig. Im
Punkte der organisirten Wohlthätigkeit, einer nach
grossen, allgemeinen Gesichtspunkten geordneten und
geplanten Unterstützung sind wir übrigens noch sehr
zurück, und den Ruhm, welchen wir bei den Profanen
gerade in Betreff der Wohlthätigkeit haben, ist leider
zum grossen Theile ein unverdienter. Mir ist häufig ein
eigenes Gefühl der Beschämung gekommen, wenn ich
von Nichtmr unser Wohlthun rühmen und mit Anerkennung
hervorheben hörte, wie viel wir für Unterstützungen
aufwenden müssten. Zugeben konnte ich
nicht, wenigstens nicht von Herzen; widersprechen —
mochte ich nicht. Auf diesem Felde ist uns die Geist-
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