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— Schon längst sind die Folgen solchen Stillstandes
in den Logen der betreffenden Staaten leider nur zu
deutlich zu erkennen. Diese Logen sind allerlei falschen
Auffassungen und Angriffen, sei es von oben herab
oder von einer irregeleiteten Menge, preisgegeben, —
und gar manche Halle, welche sich einst hauptsächlich
mit der Intelligenz eines Theils des Beamtenstandes,
der Geistlichkeit, des höheren Militärs etc. füllte, leidet
jetzt schwer unter den Nachtheilen, welche durch die
geschilderten Verhältnisse herbeigeführt worden sind.
Die Welt darf und muss erfahren, dass die Frmr
weder auf der Seite Derer stehen, welche in wohlberechneter
Herrschsucht, in Selbstüberhebung und Scheinheiligkeit
die Menschheit nur zu gern wieder in die
dunklen Fesseln der Geistes- Knechtschaft schmieden
möchten, — noch auch auf Seite Derer, die in blindem
Wahn alles Bestehende umstürzen wollen und denen
Nichts mehr heilig ist; — die Welt soll aber auch erfahren
, dass die Frmrei, begeistert für Licht und Wahrheit
, bestrebt ist, zu erklären und zu belehren und Frieden
zu stiften unter den verschiedenen Parteien und Nationen.
Alle Völker der Erde sollen durch frmrischen Geist endlich
zu der Erkenntniss gelangen, dass (wie jüngst selbst
der grosse deutsche Schlachtendenker Moltke schrieb)
„j|e der Krieg, auch der siegreiche, ein nationales Unglück
ist" und dass allen Menschen der mrische Spruch gilt:
Lasst uns besser werden, bald wird's besser sein.
Die möglichste Ausbreitung seiner Grundsätze ist
Lebensbedingung, Aufgabe und Pflicht des Frmrbundes.
Es muss ihm am Herzen liegen, durch Verbreitung seiner
Anschauungen immermehr neue Stätten seiner Lehre zu
gründen, damit die Brüder einst nicht mehr „zerstreut"
sind auf dem Erdenrund, sondern dasselbe „in geschlossener
Kette" umspannen. — Einst soll ein Hirt und
eine Herde, eine grosse Vereinigung in Liebe — und
Friede soll sein auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen
!
Zur endlichen Erfüllung dieser göttlichen Verheis-
sung mitbeitragen, ist die Mission der Frmrei. Und
diese Mission haben vornehmlich auch alle deutschen
Logen. Um aber deren leider immer noch beeinträchtigtes
und vielangefochtenes Thun und Wesen unserer
Mitwelt offenbaren und ihr zeigen zu können, dass sich
die altehrwürdige Frmrei noch nicht „überlebt" hatt
sondern immerdar ein Bedürfniss bleibt für die Menschheit
, erscheint eine kurze, aber möglichst erschöpfende
allgemein verständliche und leichtübersichtliche
Zusammenstellung von Fundamentalsätzen
über Geist und Wesen der Frmrei
dringend wünschenswerth und zeitgemäss, und es werden
daher die nachstehenden Sätze, wie sie die Liebe zur
k. K. dictirte, hiermit zunächst allen gel. deutschen L-
zu freundlicher Beurtheilung und EntSchliessung darüber
vorgelegt, ob dieselben als allgemeine mrische Grundgesetze
anzusehen sind.
Fundarnentalsätze.
Capitel I.
Die Freimaurerei, verbreitet über alle Länder der
Erde, bezweckt die sittliche Veredelung des Menschen,
dessen Bestimmung ist, immer vollkommener zu werden
in allem Wahren, Schönen und Guten.
Als Kinder eines Vaters sind die Menschen einander
gegeben zu Genossen in Freud' und Leid, und so
bildet der Frmrbund, umschlungen von dem Band der
Bruderliebe, eine innige Vereinigung Gleichgesinnter zu
wahrer Freundschaft und zur Beförderung menschlicher
Glückseligkeit. (S. die „Principiellen Beschlüsse" 1, § 1.)
Der Bruderbund der Mrei will die Berge abtragen
und ebnen, durch welche Staaten und Kirchen, Stand,
Eang, und Geld den Menschen vom Menschen trennen.
Die Frmrei, erhaben einfach, ist nichts Willkürliches,
nichts Entbehrliches, sondern etwas Nothwendiges, im
WTesen des Menschen und der bürgerlichen Gesellschaft
Gegründetes. (Lessing).
Der Frmr trägt Verlangen nach mehr Licht und
Wahrheit, nach rechtem Frieden mit sich und der
Welt; er will das Geheimniss seines eigenen Wesens
ergründen, die Eäthsel des Lebens zu lösen suchen und
die Gedanken nachdenken lernen, dessen Weisheit Alle»
umfasst, ordnet und leitet von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Nur in dem Maasse, als der Mensch in seinem
Innern hindurchdringt zu einem neuen Leben, dringt er
durch Nacht zum Licht; daher beginnt der Frmr seine
„Arbeit" zunächst an sich selbst. Es gilt vor Allem
die Eigenliebe und den Materialismus zu tödten, den
Brudersinn und den Idealismus zur Herrschaft zu bringen.
Capitel II.
Zur Verfolgung des Ziels dienen, ausser theilnehmen-
M dem Verkehr der Frmr untereinander, gemeinschaftliche
Versammlungen zu Belehrung und geistiger Erhebung,
wie zu religiöser Erbauung, zu geschäftlichen Berathungen
wie zu heiterer Geselligkeit, und zwar, abgeschlossen
von der Alltäglichkeit des Lebens, in besonderen Räumen
oder „Hallen", welche allein den Bundesbrüdern offen
stehen. Deren Frauen, die „Schwestern" heissen, haben
nur auf Einladung Zutritt.
Die Versammlungen der Frmr, welche „Logen" genannt
werden, finden in der Regel unter gewissen symbolischen
Formen statt, die gleich sonstigen frmrischen
Einrichtungen und Bezeichnungen den mittelalterlichen
Gebräuchen der ehemaligen deutschen Steinmetz-Brüderschaften
und deren „Bauhütten" (in Strassburg etc.)
entlehnt sind. (S. 1, § 1.)
Auch jede gesetzmässig gebildete und unter einem
besonderen Namen für sich bestehende locale Vereinigung
von Frmrn wird mit dem allgemeinen Namen „Loge"
bezeichnet, ein Landesverband mit dem Namen „Gross-
Loge." Die Landes-Logen stehen in gegenseitigem
Verkehr.
Die Leitung und Verwaltung jeder einzelnen Loge
erfolgt nach Anleitung besonderer Statuten durch dazu
freigewählte Beamte, an deren Spitze sich der „Meister
vom Stuhl" befindet.
Die Frmr sind im Stande, sich als solche durch
bestimmte Gebräuche gegenseitig zu erkennen, und
finden hiernach auch brüderliche Aufnahme in allen
Logen des ganzen Erdenrunds, welche nur eine allum-
I fassende Loge darstellen. — Alljährlich feiert jede ein-
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