http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0131
124
zelne Loge ihr besonderes „Stiftungsfest", ausserdem
aber feiern alle Freimaurer-Logen der Erde gleichzeitig
das „Johannisfest" als gemeinsames Bundesfest: zu
Ehren Johannis des Täufers, dessen Namen die Logen
tragen. (Am Johannistag des Jahres 1717 erfolgte die
eigentliche Begründung der vergeistigten Frmrei.)
Capitel m.
Die Frmr führen unter sich den Namen „Bruder"
als Ausdruck gegenseitiger Liebe und gegenseitigen
Vertrauens, auch zum Zeichen ihrer Verpflichtung, Einer
dem ändern zu helfen und ihn auf dem Wege nach
dem gemeinsamen Ziele zu stützen und zu erheben, ihm
überhaupt offene, treue Freundschaft zu halten in allen
Lagen des Lebens, bis über das Grab.
Der wahre Frmr ist empfänglich für alles Schöne
und Erhabene und findet in Natur und Kunst (zumal
in der Kunst der Musik) willkommene Verschönerung
seines Erdendaseins, die rechte Heiterkeit des Geistes
und neue Lebenslust; in den Tiefen der fortschreitenden
Wissenschaft Belehrung und Erleuchtung.
„Erkenne dich selbst!" lautet der Wahl- und Mahnspruch
des Freimaurers. Ernstprüfende Einschau in
sein Inneres hilft ihm Klarheit über sich selbst gewinnen
und seine Schwächen und Mängel erkennen; und die
Betrachtung des Todes erinnert ihn an die Vergänglichkeit
alles Irdischen, gemahnt ihn zu weiser Benutzung
seiner Zeit und Kräfte, um dem Scheiden von dieser
Welt stets ruhig und getrost entgegensehen zu können.
„Wirke, solange es Tag ist!" Arbeiten ist leben. „Wer
seinerzeit genug gethan, der hat gelebt für alle Zeiten".
Der rechte Frmr ist ein Mann, der sich selbst beherrschen
, sich selbst gehorchen gelernt hat, — weise
und maasshaltend im Wollen, — stark und beharrlich
im Vollbringen, — geschmückt mit Seelenreinheit und
strenger Sittlichkeit; — bieder und fromm, genügsam
und dankbar gegen Gott.
Capitel IV.
Nur freie und moralisch selbstständige Männer von
gutem Rufe und von einer solchen Geistes- und Herzensbildung
, wie sie die Ausübung der mrischen Pflichten
erfordert, können nach gehöriger Vorbereitung und Prüfung
als Mitglieder in den Frmrbund aufgenommen
werden. — Aufforderungen Seiten des letzteren zum
Beitritt finden nicht statt: in der eigenen Brust muss
der Drang nach dem Idealen, die Sehnsucht nach edler
Freundschaft erwachsen, und nur der wiederholt ausgesprochene
eigene freie Wille des Aufnahmesuchenden
ist maasgebend.
Stand, ob hoch oder niedrig, Nationalität, Farbej
Religionsbekenntniss und politische Meinung sind kein
Hinderniss der Aufnahme. (S. 1, § 3).
Mit derselben und mit der Mitgliedschaft sind statutarisch
festgesetzte und regelmässige Geldbeiträge verbunden
, welche jede Loge zu ihrer eigenen Unterhaltung,
sowie zu gemeinnützigen und wohlthätigen Zwecken
erhebt.
Capitel V.
Indem die Mrei bei jedem Mitgliede die Verehrung
Gottes im Geist und in der Wahrheit, somit den Glauben
an den ewigen, allgegenwärtigen Gott, den allmächtigen
„Baumeister aller Welten", und das Vertrauen auf seine
allweise und gütige Vorsehung, sowie die Hoffnung auf
ein ewiges Leben voraussetzt, verlangt sie die Betätigung
des höchsten sittlichen Grundsatzes: „Liebe Gott
über Alles und deinen Nächsten als dich selbst!" (S. 1,
§ 1). Der Mr hält an Glaube, Liebe, Hoffnung. „Es
ist der Wille Gottes, dass wir Alle zur Erkenntniss der
Wahrheit gelangen und damit den Trost des ewigen
Lebens finden."
Der Frmr, frei von Vorurtheilen und willkürlichen
Menschensatzungen, frei von blindem Aberglauhen, denkt
und handelt so, wie er es Gott und seinem Gewissen
verantworten kann, und er thut das Gute nicht aus
Furcht vor Strafe, auch nicht in Hoffnung der Wiedervergeltung
, sondern nur aus eigenem, freiem Entschluss
um Gottes willen und zu seiner eigenen, innersten Befriedigung
.
Die Entwicklung des göttlichen Geistes in uns
selbst ist des Maurers höchste Wissenschaft, sie ist die
„königliche Kunst des Lebens." Wie die ganze
Menschheit und jede ihrer Einrichtungen, (ebenso die
Mrei selbst,) die Bestimmung hat, zu immer höherer
Vollkommenheit emporzusteigen, so ist es auch die Aufgabe
jedes Einzelnen, dass er nicht stillstehe, sondern
dass sein Geist und seine Thätigkeit, sein Arbeitsfeld
und seine Wirksamkeit zum Wohle der Seinen und der
Mitwelt stetig vorwärts schreiten.
Capitel VI.
Der Frmrbund erkennt an, dass die Menschen je
nach ihrer Geburt und Erziehung, Eigenart und Bildung
sehr mannichfaltige Vorstellungen von Gott haben und
dass diese Vorstellungen alle immerhin doch nur unvollkommene
Auffassungen des göttlichen Wesens sind; deswegen
fordert der Bund von seinen Mitgliedern auch
keine gemeinsame oder Allen verbindliche Form des
Glaubens an Gott, ehrt vielmehr jedes aufrichtige, innige
Bekenntniss und jede ehrliche Ueberzeugung; die Mrei
erkennt aber auch an, dass sich wahre Moralität und
mit ihr die rechte, beglückende Erziehung des Menschen
nur auf religiöser Grundlage auferbaut.
„Die Gottesfurcht ist aller Weisheit Anfang." Die
ganze Welt und der Mensch, sein Dasein, Wollen und
Wirken, Alles ist auf Gott gegründet, und nur in ihm
finden wir in Zweifel, Anfechtung und Trübsal Rath
und Trost, im Tode selige Zuversicht.
Sowohl die Principien und die Geschichte, als auch
die gebräuchlichen Symbole und Rituale der Frmriei
lehren und bezeugen den Glauben an Gott. (S. 5). Der
Gottesleugner ist. mit derselben im Widerspruch.
Capitel VII.
Der Bund der Frmr ist ein rein menschlicher Bund,
er ist nicht eine besondere Religionsgesellschaft, auch
nicht eine Vereinigung, welche irgend eine bestehende
Kirche ersetzen soll. Deshalb bleibt der kirchlich-religiöse
Standpunkt eines jeden Frmrs völlig unberührt
seitens der Loge. Ihr Tempel der Humanität heisst
ebenso den Mann mit streng confessioneller Gesinnung
wie den freien Denker willkommen, den Glauben an
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0131