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1. April ihr Eingehen unter Anderem mit folgenden
Worten an: „Die „Allgemeine Oesterreichische Freimaurer-
Zeitung" hört zu erscheinen auf. Durch 7 Jahre pflegte
sie sorgsam die von der Loge „Zukunft" verkündeten
Reformgedanken, stand sie unter den Vordersten im
Kampfe gegen Scheinheiligkeit und Unwissenheit, dureli
7 Jahre rollte sie unverdrossen den Stein des Sisyphus.
Plötzlich entfesselte Aeolus seine Winde, das Gewitter
zweier Confiscationen und einer Anklage gegen Brr
Pollak, Rosner und Goldenberg entlud sich über den
Köpfen, und dieser Stoss ward tödtlich.
Keine falsche Bescheidenheit! Die „Allgemeine
Oesterreichisehe Freimaurer-Zeitung" endigt mit dem
Bewusstsein redlich erfüllter Pflicht. Im ersten kühnen
Anstürme ward einem Unberufenen der Hammer aus der
Hand geschlagen, und der böse Zauber gelöst, welcher
die Leichtgläubigen an seine Person fesselte. Von da
ab begann die Reihenfolge der Reformen; das Ritual
ward vereinfacht, von den überflüssigen kirchlichen Anklängen
befreit, und durch bildende ethische Formen
auggeschmückt. Die Grade wurden gleichgestellt, die
Verfassung ersetzte die Stelle der Bibel, das Gebet
wurde in die religiösen Gottesstätten verwiesen, und der
ganzen, die gesammten Logen umfassenden Misere der
Gefühlsduselei ein Ende bereitet.
Aus Frankreich erscholl lauter Beifall, Br Findel,
unser Nestor, erfreute sich an dem Anblicke dieses
frischen Treibens, und die Gross-Loge von Ungarn ehrte
uns durch die Adoption des besten Theiles dieser
Neuerungen. Das Existenzrecht wurde in Anspruch
genommen und die Mrrei in der Wiener Gesellschaft
salonfähig.
Wir empfinden um so schmerzvoller die Härte, mit
der uns die Nothwendigkeit zur Abdication zwingt, als
die Mrrei noch nicht reactivirt, und die Serie der
Reformen nicht abgeschlossen ist. Inzwischen verabschieden
wir uns von unseren lieben Lesern, ohne
eine andere Bitte hinzuzufügen, als die Sheakespeare
einem seiner grossen Helden in den Mund legt:
„Sprecht von mir, wie ich bin — beschönigt nichts
Und schreibt auch nichts mit Groll---"
Wir sprechen der „Allgem. Oesterr. FrMr-Zeitung"
den Dank und die Anerkennung der Brschaft aus,
hoffend, dass B. Goldenberg sein Werk auf anderer
Arena fortsetzen werde.
Die Küstriner Vorgänge illustriren in so seltsamer
Weise unsere Hirschen Zustände, dass man sie
für unglaublich halten würde, wenn sie in der „Latomia"
No. 8 nicht Schwarz auf Weiss stünden. Auf Seite 64
steht folgende Erklärung:
„Bezugnehmend auf den meine Person betreffenden
Artikel in No. 13 der Bauhütte habe ich Folgendes zu
erklären:
Die in d. Bl. (Latomia) veröffentlichte Korrespondenz
aus Küstrin vom 11. Febr. c. geht von mir aus und
betrifft ein Referat über die Lokalversammlung der
Mitglieder des Vereins der Mr., das selbstverständlich
aus meiner eigenen Initiative der Redaction der Latomia
gesandt wurde. In Folge dieses Referats interpellirte
der Br Findel den hiesigen Mstr. v. St., Br Winchenbach
und dieser verwies ihn — Br Winchenbach hatte
seine Antwort an Br Findel mit mir vereinbart — an
meine Person mit der Bemerkung, dass diese Sache die
Loge als solche nichts angeht und dass ich seines
Wissens von der Lokalversammlung mit der Absendung
dieses Referates nicht beauftragt war. Darauf erschien
der Findeische Angriff gegen die Küstriner Vereinsmitglieder
in der Bauhütte vom 20. März c. und berief
ich nunmehr eine Lokalversammlung zum 23. März c.
die zahlreich besucht war und in der ich über diese
ganze Angelegenheit referirte, sowie das weitere in
dieser Sache erschienene Material zur Mittheilung
brachte. Es wurden darauf folgende einstimmigen Beschlüsse
gefasst, die allerdings anfangs nicht veröffentlicht
werden sollten, jetzt aber veröffentlicht werden
müssen:
1) Die versammelten Küstriner Vereinsmitglieder
sind alle mit der bewussten Korrespondenz einverstanden
;
2) sie sind nicht gesonnen, auf die Angriffe der
Bauhütte zu antworten;
3) sie erklären ausdrücklich, dass der Inhalt jener
Korrespondenz genau den in der Februar-Lokalversammlung
gepflogenen Debatten entspricht.
Dies der Thatbestand.
Br Dr. Th. Schüler,
Obmann des Ver. d. FrMr in Küstrin.
Des besseren Verständnisses wegen wiederholen wir
das Schreiben des Mstr. v. St. Br Winchenbach. Es
lautet:
Küstrin, 15. März 1880.
Sehr geehrter und lieber Br!
Vergeblich habe ich bisher nach dem Exemplar der
„Latomia" gefahndet (die hiesige Loge hält das Blatt
nicht), um die betreffende Korrespondenz, der Sie in
Ihrem Schreiben vom 10. d. M. erwähnen, kennen zu
lernen. Die Loge selbst dürfte dieselbe indess
nicht tangiren. Handelt es sich also nur um eine
Privat-Korrespondenz mit BrCramer über das Bebel'sche
Pamphlet, so muss ich Sie an den Br Dr. Schüler jun.
hier verweisen, der in der Regel Seitens des Deutschen
Maurer-Vereins die Correspondenz besorgt. In der
vorliegenden Sache war er jedoch vom Verein
weder beauftragt, noch autorisirt.
Mit br. Gruss
Ihr
treuverb. O.-Br
Winchenbach.
Wir bitten nun die Brschaft, der wir die Be-
urtheilung der Sache anheimstellen, folgende Momente
beachten zu wollen:
1) Auf meine Interpellation giebt Br Winchenbach,
Mstr. v. St. eine ausweichende Antwort, in der
er den Br Schüler desavouirt und die Küstriner
Vereinsmitglieder als völlig schuldlos hinstellt;
2) ist diese ausweichende Antwort zwischen ihm und
Br Dr. Schüler „vereinbart";
3) trotz dieser Vereinbarung behauptet Br Winchenbach
, er habe die „Latomia" nicht ausfindig
machen können, um die Correspondenz „kennen
zu lernen" und diese Vereinbarung heisst Br
Schüler gut, der die Korrespondenz selbst ver-
fasst hat und der jedenfalls die Nummer der
„Latomia" zur Hand hatte, nach der Br Winchenbach
„vergeblich gefahndet";
4) in der obigen „Erklärung" desavouirt nun seinerseits
Br Dr. Schüler den Mstr. v. St. Br Winchenbach
;
5) die Küstriner Vereinsmitglieder fassen am 23. März
„Beschlüsse", die sie „nicht veröffentlichen"
wollen, die nun aber Br Dr. Schüler dennoch
veröffentlicht, ob „beauftragt und autorisirt" oder
nicht, bleibe dahingestellt;
6) Br Schüler vereinbart erst mit Br Winchenbach,
er sei von den Vereinsmitgliedern nicht beauftragt
und autorisirt gewesen und jetzt erklären
die Vereinsmitglieder, beide desavouirend, der
Inhalt entspreche genau den Debatten der Februarversammlung
;
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