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Capitel XI.
Streben nach Licht und Wahrheit, Veredlung von
Geist und Herz, Ablegen des Hässlichen und Gemeinen,
— namentlich Bekämpfung von Neid und Selbstsucht,
Geiz und Habsucht, Unterdrückung von Leidenschaft
und Sinnlichkeit, — überhaupt die innere Arbeit der
Logen an der Vervollkommnung ihrer Mitglieder und
die Vergeistigung des menschlichen Lebens ist und
bleibt die Hauptsache der Frmrei. (s. 4, § 1.)
Hierzu dienen insbesondere die weisen Sprüche des
in den Logen aufgeschlagenen Bibelbuchs, dieser unerschöpflichen
Urkunde der religiös-moralischen Entwicklung
der Menschheit, — dienen vor Allem die darin
enthaltenen hocherhabenen Worte des Weisesten der
Welt, unseres edelsten Meisters Christus, auf welchen
„Johannes der Täufer" die Menscheit hinwies mit dem
Mahnruf zur ernstlichen Sinnesänderung als würdiger
Vorbereitung auf das Licht der Welt.
Die reine Lehre Christi athmet den wahren und
ewigen Geist der Frmrei: Christus verkündete der Welt
inmitten der geistigen Finsterniss und Knechtschaft das
Licht und die Freiheit. Er predigte die Liebe. „Friede
sei mit euch!" lautet der Gruss des Meisters an alle
Menschenkinder, — alle waren ihm „Brüder" und
„Schwestern".
Capitel XII.
Die Frmr bilden keine geheime Verbindung, und
auch die Mitgliedschaft und die Thätigkeit des Bundes
sind kein Geheimniss, werden aber nicht auf dem Markte
des Lebens verkündigt. — Zweck, Geschichte, Gesetz-*
gebung und Statistik des Frmrbundes können der Regierung
des Landes jederzeit offen vorgelegt werden.
(S. 1, § 1).
Ferner dürfen die vorliegenden Fundamentalsätze
über Geist und Wesen der Frmrei Anderen zur Belehrung
mitgetheilt, auch ganz oder theil weise veröffentlicht
werden, so oft es erspriesslich erscheint, insbesondere
wenn es gilt, Angriffe abzuwehren und Aufklärung
zu verbreiten.
Das von jedem Fimr abgelegte Gelübde der Verschwiegenheit
bezieht sich hauptsächlich auf die Gebräuche
und symbolischen Formen der maurerischen
Arbeit (s. 1, § 6), sowie auf die inneren und persönlichen
Angelegenheiten der Loge. (Die maurerischen Symbole,
erhaben, sinnig und zu Herzen sprechend für den Eingeweihten
, würden dem Uneingeweihten nicht verständlich
sein und von der Menge falsch gedeutet werden).
Der Frmr trägt seine Mitgliedschaft nicht zur,
Schau und ist fern von aller Schwatzhaftigkeit. Er darf
seine Mitgliedschaft eben so wenig zu eigenem materiellen
Vortheil ausbeuten wollen. In einer Loge werden keine
Geschäfte gemacht.
Capitel XIII.
In der Loge steht ein Bruder dem andern gleich;
aller Vorzug, oder besondere Achtung und Liebe, welche
die Loge einzelnen Brüdern zu Theil werden lässt,
gründet sich nur auf deren wahren mrischen Werth
und auf wirkliches Verdienst, nicht aber auf die äussere
Lebensstellung oder den Besitz irdischer Güter. (S. 1, § 5).
Von jedem Br wird ein, wenn auch offenes, so doch
bescheidenes Auftreten in der Loge erwartet, insbesondere
bei den parlamentarisch geleiteten Berathungen.
Bei den regelmässigen Logenversammlungen haben nicht
nur die Beamten, sondern alle Bit nach Einsicht und
Vermögen zu geistiger Belebung und Erhebung beizutragen
.
Ein rechter Frmr bleibt sich selbst treu und will
nicht anders scheinen als er ist. Eben so treu ist der
Mr den von ihm bei der Aufnahme in den Bund in
feierlicher Stunde eingegangenen Verpflichtungen; er ist
daher nicht nachlässig in dem Besuche der Versammlungen
seiner Loge, wovon ihn nur triftige Gründe abhalten
dürfen. Je öfter der Mr in seiner Bauhütte verkehrt
, desto mehr kann er innewerden, dass noch viel
Dunkles in ihm ist; allmählich aber wird in der geheimen
Werkstatt seines Herzens Klarheit sich verbreiten und
endlich Licht und Glück ihm strahlen.
Capitel XIV.
Die vorstehenden Sätze zeigen das Bild eines Freimaurers
, wie er sein soll. Aber das Menschenleben
bleibt immer unvollkommen, und so wie überall dem
Wollen gar oft das Vollbringen fehlt, so auch in der
Mrei: — Mangelhaftes Erfassen ihres innersten Wesens
allmähliches Erkalten der ersten Begeisterung für dieselbe
, Wiederüberhandnehmen menschlicher Fehler und
und Schwächen, oder andere Gründe lasser hier und
da einzelne Mitglieder ihre Verpflichtungen vergessen,
lange fern bleiben von ihren Logen oder wohl auch
gänzlich ausscheiden. (Letzteres hat unter Angabe der
Gründe schriftlich zu erfolgen.)
Hoch steht das Ziel der Mrei und hart ist der
Kampf; sie nimmt viel Kraft des Willens und alle Wärme
des Gemüths in Anspruch. Schon Mancher, der den
Brudernamen fährte, blieb, vielleicht in eitler Selbstgefälligkeit
oder in unwürdiger Trägheit des Geistes
und gefangengenommen von Weltlust und Sinnlichkeit,
stillstehen auf dem Wege der nothwendigen Erneuerung
des inwendigen Menschen; — der „Arbeit an
sich selbst" kehrte er den Rücken und verlor das Ziel
aus seinem Auge.
Ein derartiges Verhalten kann, wenn wohl auch
Ermahnungen ohne Erfolg bleiben, eine directe Ausschliessung
aus dem Bunde zur Folge haben, insbesondere
bei wirklicher Verletzung der maurerischen Pflichten
und Gesetze. Eben so erfolgt die Ausschliessung bei
Vorkommnissen, welche gegen die Würde und den guten
Ruf der Loge Verstössen. — Die Behandlung etwaiger
Anschuldigungen gegen einen Br, sowie die Schlichtung
persönlicher Streitigkeiten unterliegt einer besonderen
mrischen Rechtspflege. Diese giebt dem Angeschuldigten
hinlänglich Zeit und Gelegenheit zu seiner Rechtfertigung
und hat den Zweck, ausgleichen und wieder zu versöhnen
in brüderlicher Liebe.
Capitel XV.
In der Auffassung der Frmrei überhaupt zeigt sich
bei den verschiedenen Nationen, der Volkseigenthümlich-
keit derselben entsprechend, keine völlige Ueberein-
I Stimmung; während z. B. in der einen Nation die Mrei
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