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Welt preisgegeben werden: zur Entscheidung darüber
welche Bewandtniss es mit der „Unfehlbarkeit" habe>
wenn Rom die Frmrei mit dem Bannfluch belegt. —
Wahrlich, zur ferneren Geheimhaltung einer solchen Frmrei,
wie sie in obigen Sätzen sich offenbart, ist durchaus
kein Grund vorhanden!
Wenn diese Sätze von allen Logen des deutschen
Reichs anerkannt würden, so wäre damit zugleich ein
bedeutungsvoller Schritt zur Erzielung einer Einheit in
der gesammten Mrei vorwärts gethan und die Hoffnung
begründet, dass allmählich auch andere Nationen unsere
Anschauungen zu den ihrigen machen würden. Dann
wäre im Geist und in der Wahrheit nur eine Loge auf
Erden und das von Christus verkündete „Reich Gottes"
wäre näher gekommen.
*
Am Johannisfest 1879 sprach ich mich in der Loge
meines Orients auf den 3 Bergen zum ersten Mal in
einem „offenen Johanniswort" darüber aus, welche Mittel
wir Mr anzuwenden und welche Wege wir einzuschlagen
hätten, um den Vorwurf zu begegnen: dass wir dem
religiösen Indifferentismus huldigten oder eine besondere
religiöse Genossenschaft bilden wollten; dass wir der
Kirche entgegenarbeiteten und nichts wissen wollten
von Bibel und Christus! — ich hielt die Mrei dringend
verpflichtet, zur Abwehr und Widerlegung solcher Beschuldigungen
nun endlich der Welt gegenüber mit einem
offenen Worte herauszutreten und nach Aussen wie nach
Innen Klarheit über das Wesen unseres Bundes zu
verbreiten.
Diese Worte — sie kamen aus einem wohlmeinenden
Herzen, das seit vielen Jahren treu steht zur Frmrei,
— haben bei einer grossen Zahl meiner gel. Brüder
deutscher Oriente eine beifallige Aufnahme gefunden,
wurden auch weiter verbreitet durch die mrische Presse
(Mecklenburger Logenblatt v. 9. Nov. 1879). So wie
ich dafür sehr dankbar bin, bin ich es nicht minder für
das freundlich kritisirende Urtheil, welches mein Johanniswort
in der „Bauhütte" vom 2. August 1879 gefunden
hat, wo es unter Anderem heisst: „Der Verfasser wünscht
eine Einigung aller deutschen Mr auf dem Boden des
idealen Christenthums, aber die ausgesprochenen Ansichten
sind zu allgemein gehalten, als dass darnach
eine Verständigung möglich wäre."
Dieses Urtheil und das wiederholt gegen mich ausgesprochene
Verlangen nach Erläuterungen meines
Johanniswortes waren mir genügende — und ich darf
hinzufügen willkommene — Veranlassung, mich nunmehr
hiermit ausführlich, deutlich und deutsch, offen und
ehrlich darüber auszusprechen, was ich — in meinem
erzgebirgischen Mrtempel — an den Säulen der Weisheit
, Stärke und Schönheit gefunden und empfunden habe.
Auch habe ich bei dieser meiner Aussprache reiflich
erwogene und durchdachte Kundgebungen anderer, ein-
geweihterer gel. Bit wohl beherzigt und olt sogar fast
wörtlich mit aufgenommen.
Möchte dieser Baustein zu dem noch unvollendeten
Tempelbau der geistigen Einigung aller deutschen Oriente
nicht verworfen werden von den rechten, geübteren
Bauleuten; möchte aber auch durch diese solcher Bau
weiter gefördert werden zur Ehre der Mrei und zur
Verherrlichung des ewigen Baumeisters aller Welten!*)
Freiberg in Sachsen, Januar 1880.
Br Heinrich Gerlach,
Redner der Loge zu den 3 Bergen
Literarische Besprechungen.
Erkenne dich selbst. Lehrlings-Arbeiten aus der
L. „Apollo" von Br Willem Smitt. Leipzig, 1880.
Zechel gr. 8, 240 S. Mk. 5.
Der stattliche Band, eine Jubiläumsgabe, enthält.
Ansprachen an die Suchenden, Conflrmandenreden und
Logen vortrage, die der Verfasser seit 1861 gehalten und
meist auch, theils in diesem Blatte, theils in der Frmr-Ztg.
veröffentlicht hat. Die Brr begegnen in demselben mithin
alten Bekannten, werden dieselben aber gewiss um
so lieber von Neuem lesen, als sie in Inhalt und Form
zu den besseren Erzeugnissen frmr. Geistes gehören
und interessante Gegenstände sinnig behandeln.
Die warmen Ansprachen, welche sich dem vorhandenen
Agenden-Material würdig anreihen, beweisen, dass
sich Br Smitt, obwohl er ein gewandter Redner ist, nicht
auf die Eingebungen des Augenblickes verlassen, sondern
für jede Aufnahme allen Ernstes vorbereitet hat.
Die Conflrmandenreden sind für eine grössere nicht-
mrische Zuhörerschaft berechnet.
In einer Sylvesterrede (an die Schw und Brr) verlangt
der Verfasser, wir Frmr müssen „die Ideale wieder
in Ours setzen, sie hüten, wo sie sich vorfinden, sie
retten, wo sie von der Fluth des nackten Realismus
verschlungen zu werden drohen. Und wir müssen dies
gerade zu unserer Zeit thun." Sehr richtig; aber dies
ist nur solchen Mrn möglich, die selber Ideale in die
Loge mit hereinbringen und nicht selber vom „nackten
Realismus" und „Opportunismus" angefressen sind. Ideale
pflegen, retten und neu in Curs setzen, können nur
Brr, die nicht nach dem augenblicklichen Vortheil
handeln, sondern nach ewigen Grundsätzen, nach den
Ideen in ihnen. Die Freimaurerei ist, wie Bruder
Smitt gelegentlich sehr schön auseinandersetzt, selber
ein Ideal, nach dem die Wirklichkeit in Weisheit und
Schönheit gebaut und gestaltet werden soll und da
dürfen die rechten Bauleute nicht, die Hand in der Hosentasche
, Alles gehen lassen, wie es eben geht, sondern
müssen vielmehr, wie unsere Vorfahren, mit der einen
Hand die Kelle, mit der andern das Geistesschwert
führen, um vom Bau die Feinde und Zerstörer abzuwehren
. Von diesem Gesichtspunkte aus theilen wir
nicht völlig die Ansichten unseres alten, wohlmeinenden
Freundes und Brs, mit denen er den — unseres Erachtens
nicht so ganz unverdienten — Vorwurf (S. 93) ab-
*) Sollte es einzelnen Logen erwünscht sein, von dem vorstehenden
Aufsatz vollständige „Separatabdrücke" für die gel. Br zu erhalten,
, so werden Bestellungen darauf (bei mindestens 10 Exempl. ä 15, im
Einzelnen ä 25 Pfg.) baldigst ausgeführt werden. — Adresse: „Ger-
lach'sche Buchdruckerei (Verlag) in Freiberg in Sachsen." — Auch
gestattet der Verfasser (nach erhaltener Benachrichtigung) gern jeden
weiteren Abdruck in anderen mrischen Zeitschriften.
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