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hinter den vier Logenwänden, während man das Gespenst
der Leibes- und Geistesnoth zum Riesen anwachsen
lässt, ist eitel Spiegelfechterei; schon Br Schneider,
Krause's Freund, sagte: „Höher und edler ist die Fertigkeit
, die erhabenen Grundlehren der Frmrei in das
praktische Leben überzutragen."
Religion und Politik in den Logen.
Vorträge v. Br R. Barthelmess i. d. L. z. d. 3 Pfeilen in Nürnberg, 1872.
(Aus N. Y. Bundes-rresse.)
(Fortsetzung.)
Die Gründer der neuen engl. Gr.-Loge, die Verfasser
des ersten Constitutionsbuches derselben, waren Desaguliers
und Anderson; ersterer, nach demEdict von Nantes 1684
flüchtig nach England gekommen, einer der berühmtesten
Gelehrten der damaligen Zeit, Philosoph und Mathematiker
; Fellow der Königl. Gesellschaft u. s. w., hatte sich
seine Bildung vorzugsweise im Umgang mit den Philosophen
Hollands errungen; der letztere, einPresbyterianer-
Prediger, ein freisinniger Mann, nicht ohne Erfahrung
im Technischen der Baugewerke. Br Vogel, Mitgl. der
Loge zu den drei Pfeilen, sagt in seinen „Briefen die
Frmr betr.-', dass mit grosser Wahrscheinlichkeit behauptet
werde, Steele und Addison hätten dem Frmr-
Bunde angehört; ja der „Orden der Weisheit"; 1759 in
Deutschland erneuert, soll von Addison, Steele und Swift
gegründet worden sein. In seiner Wochenschrift „Der
Plauderer" (Tatler) erwähnt Steele (1709): „Die Schöngeister
(Pretty Fellows) haben ihre Zeichen und Merkmale
, wie die Frmr"; er muss also letztere doch gekannt
haben. Ein directer Beweis ist, dass auf einem Kupferstiche
, der in dem zwischen 1723 und 1743 in Amsterdam
erschienenen Pracht werke: Ceremonies et Coutumes reli-
gieuses de tous les peuples du monde etc. (Kloss's Bibl.
3799) enthalten ist und über dem Inneren einer Frmr.-
Loge an der Wand die Namen der bis 1734 von England
aus errichteten Logen zeigt, unter dem Wappen
des 1735 zum Gr.-Meister gewählten Lord Weymouth
das Bildniss Steele's angebracht ist.
Die in dem ersten Constitutionsbuche enthaltenen
Vorschriften sind bekanntermaassen aus solchen für die
noch bestehenden Werkmr-Logen und ihrer Mitglieder
und aus denen, die aus dem Zeitbewusstsein und Zeit-
bedürfniss als Regeln der Moral hervorgegangen waren,
zusammengesetzt. Es heisst dortselbst:
1) „Aber obgleich in alten Zeiten dieMr verpflichtet
waren, in jedem Lande von der jedesmaligen Religion
des Landes oder der Nation zu sein, so hält man doch
jetzt für rathsamer, sie blos zu der Religion zu verpflichten
, in welcher alle Menschen übereinstimmen, und
Jedem seine besondere Meinung zu lassen, d. h. sie sollen
gute und treue Männer von Ehre und Rechtschaffenheit
sein __ durch was für Secten und Glaubensmeinungen
sie auch sonst sich unterscheiden. Hierdurch wird die
Mrei ein Mittelpunkt der Vereinigung und das Mittel,
treue Freundschaft unter Personen zu stiften, welche
sonst in beständiger Entfernung geblieben wären."
2) „Der Mr ist ein friedfertiger Unterthan der bürgerlichen
Gewalt u. s. w. Sollte daher ein Br ein Empörer
gegen den Staat sein, so muss er in seiner Empörung
nicht bestärkt werden, obgleich er als ein unglücklicher
Mann zu bemitleiden ist. Ja, wird er keines andern
Verbrechens überfuhrt, so kann—wenn gleich die Brrschaft
seine Empörung missbilligen soll und muss und der bestehenden
Regierung weder Vorwand noch Grund zu
politischer Eifersucht geben darf — sie ihn doch nicht
aus der Loge stossen, und sein Verhältniss zu derselben
bleibt unverletzt."
3) „Diejenigen, welche als Mitglieder einer Loge
zugelassen werden, müssen gute und treue Männer, frei
geboren, von reifem und verständigem Alter, keine Leibeigene
, keine Weiber, keine unsittlichen oder anstössigen
Menschen, sondern von gutem Rufe sein."
4) Abschnitt VI, 2: „Ihr müsst auch nichts thun
oder sagen, was beleidigen oder eine ungezwungene oder
freie Unterhaltung stören könnte; denn dies würde unsere
Eintracht zerrütten und unsere löblichen Absichten vereiteln
. Daher müssen keine Privathändel und Streitigkeiten
in die Thüre der Loge mitgebracht werden, am
allerwenigsten Streitigkeiten über Religion oder Nationen
oder Staatsverwaltung. Denn wir gehören als Mr blos
zu der oben angeführten allgemeinen Religion; auch sind
wir von allen Nationen, Zungen, Geschlechtern und
Sprachen und sind entschieden gegen alle Staatsklügelei,
welche noch nie zur Wohlfahrt der Loge gereicht hat
und nie dazu gereichen wird. — Diese Pflicht ist jederzeit
streng eingeschärft und befolgt worden, besonders
aber seit der Reformation in Britannien, oder seit der
Abweichung und Trennung dieser Nationen von der Gemeinschaft
mit Rom."
III.
Diejenigen Brr, welche der letzten Lehrlings-Versammlung
dieser Loge beigewohnt haben, erinnern sich,
dass, um das Verhalten des Frmr-Bundes gegen Religion
und Politik zu begründen, die Entstehung der Frmrei
als Frucht der geistigen Entwickelung des englischen
Volkes im 16. und 17. Jahrhunderte bezeichnet wurde.
Wir hatten bei diesem gedrängten Rückblicke auf die
Geschichte Albion's erkannt, wie die Anschauungen der
dortigen Denker und Forscher über die höchsten, heiligsten
Interessen der Menschen, wie die Bewegungen auf
dem Gebiete der Naturkunde und Philosophie geradezu
von der königl. Societät und der Sokratischen Gesellschaft
aus, durch Mitglieder derselben in die dem Verfalle
nahestehenden Bauhütten hinübergeführt worden
und in den durch Anderson und Desaguliers im Auftrage
der neuerrichteten Gr.-Loge von England zusammen getragenen
Constitutionen neben den alten gesetzlichen
Normen der Werkmr einen Ausdruck gefunden haben.
Zum Beweise wurden Bruchstücke aus Lehre und Uebung
jener wissenschaftlich-geselligen Vereine, sowie Abschnitte
aus den Constitutionen von 1723 vergleichsweise neben
einander gestellt.
Jedem von Ihnen, m. Brr, dem dieses Gesetzbuch
mehr oder minder deutlich im Gedächtnisse geschwebt,
muss es aufgefallen sein, dass bei Verlesung des ersten,
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