Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 173
(PDF, 136 MB)
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173

wir nicht beständig falschen Auffassungen und Auslegungen
, je nach dem Parteistandpunkte der Interpretatoren
oder leitender Behörden und Persönlichkeiten preisgegeben
sein sollen, so muss die Bedeutung der beiden
Wörter so scharf als möglich begrenzt und festgestellt
werden. Das lassen Sie uns versuchen!

Der Begriff „Religion" ist von jeher ein in stetiger
Entwicklung befindlicher, unendlich vielseitiger und flüssiger
gewesen. Darum hat es von jeher Eeligionen ohne
Zahl gegeben, in denen der flüssige Begriff der Religion
sich jedesmal zeitlich und örtlich angesetzt hat. Auch
hier wird die Geschichte die zuverlässigste Antwort
geben:

Das Wort „religio" kommt nach Cicero von dem
lateinischen Zeitwort relegere her, und dieses heisst zu
Deutsch: Etwas wiederholt, angelegentlich überdenken,
in Betracht ziehen. Bei allen römischen Schriftstellern
bedeutet das häufig vorkommende Wort religio: Gewissenhaftigkeit
, Ueberzeugungstreue, Besonnenheit, sorgfältige
Rücksichtnahme auf Alles, was beim Handeln in Betracht
kommt; ein homo religiosus ist ein gewissenhafter
Mensch. Soll bezeichnet werden, gegen wen oder was
die Gewissenhaftigkeit stattfindet, so ist das jedesmal
ausdrücklich erwähnt: z. B. Religion gegen die Götter,
gegen Freunde, Eltern, Vaterland. Dieser ursprüngliche
Sprachgebrauch hat zu allen Zeiten und unter allen
Völkern in Rede und Schrift der edelsten Geister seinen
lebendigen Ausdruck gefunden. „Religion" ist ihnen
immer der einheitliche Inbegriff der jedesmaligen ge-
sammten höchsten Lebensthätigkeit des Menschen oder
der Menschheit gewesen — die Summe ihres Dichtens
und Trachtens, ihres Denkens und Strebens, ihres Wollens
und Thuns, — das Erfülltsein der Menschen von
einer höchsten leitenden Idee, — die stete Rücksichtnahme
des Menschen auf einen von ihm selbst erkannten
höchsten Lebenszweck. So sagt z.B. der Kanzelredner
Jerusalem: „Religion und Tugend sind ihrer Natur nach
Eins; ihre Anwendung ist verschieden; aber ihre Natur
besteht in der einfachen, unveränderlichen Liebe zum
Guten." Und Herder, der Apostel der Humanität, der
erleuchtete Mr: „Religion ist die innigste Zufriedenheit,

die wirksamste Güte und Menschenliebe." Und Lessing,
der grosse Verfasser der Mr-Gespräche „Ernst und Falk".
„Wie viel ist doch andächtig schwärmen leichter, als
gut handeln! Wie gerne schwärmt der schlaffste Mensch
andächtig, um, ist er zu Zeiten auch der Absicht deutlich
sich nicht bewusst, um nur gut handeln nicht zu
dürfen"; und in einer Bemerkung zu „Nathan dem Weisen
" (Nachlass): „Wenn man sagen wird, dieses Stück
lehre, dass es nicht erst von gestern her unter allerlei
Volk Leute gegeben, die sich über alle geoffenbarte
Religion hinweggesetzt hätten, und doch gute Leute gewesen
wären, so werde ich nicht viel dagegen einzuwenden
haben." Ferner Goethe, unser Altmeister: „Was
ist heilig? Das ist's, was viele Geister zusammenbindet,
bänd' es nur leicht auch, wie die Binse den Kranz.
Was ist das Heiligste? Das, was ewig die Geister tiefer
und tiefer gefühlt, immer nur inniger macht." Und
Schiller, der Idealist: „Fragst Du mich, welche Religion
ich bekenne? Keine von allen, die Du mir nennst. Warum
keine? Aus Religion!" Und Jacobi: „Der beste Mensch
hat immer auch die beste Religion."

Und wie diesen Erläuterungen nach zwischen Religion
und Religionen ein tiefgehender, wesentlicher Unterschied
besteht, so lässt Aehnliches sich auch an dem
Worte „Politik" erweisen. Im weiteren Sinne ist „politisch
" Alles, was auf das gesellschaftliche und staatliche
Zusammenleben der Menschen Bezug hat. Der
Mensch ist seinem Wesen nach, mit allen seinen Lebenswurzeln
, untrennbar Eins mit dem Staate; mit diesem
steht jeder Zweig des menschlichen Wissens, jede Richtung
des menschlichen Thuns im engsten Zusammenhange.
Im beschränkteren Sinne bezeichnet „politisch" das, was
auf die Tagesereignisse, auf die Tagesinteressen des
Staates Bezug hat. In diesem Sinne sagen wir z. B.
„Politik treiben", „politisiren", d. h. nicht etwa das Ver-
hältniss des Menschen zum Staate überhaupt, sondern
die zeitweiligen den Staat betr. Streitfragen, die Thätig-
keit der politischen Parteien zum Gegenstande der Erörterung
machen.

(Schluss folgt.)

--►♦»»»tiaflg»!^ ««««-

Feuilleton.

Amerika. Br Whitehead führt in Freemasons
Chronicle an, dass in den letzten drei Jahren (1877, 1878,
1879) in den verschiedenen weissen Grosslogen der Vereinigren
Staaten und Canada's bei einem Stande von
10,000 Logen und circa 700,000 Mitgliedern 2933 strafweise
ausgestossen, 2609 Brr suspendirt, 44,299 Brr
wegen Nichtzahlung der Taxen gestrichen wurden und
63,000 Mitglieder gedeckt haben. Macht zusammen
103,000 Mr in drei Jahren!

Neuhaidensieben, Mit dem 2. April begannen
wir wieder ein neues Jahr der Witt wen und Waisen-
Unterstützungs-Kasse unseres Mr-Kränzchen.

Wohl können wir auch auf das am 1. April abgeschlossene
Jahr befriedigt zurückblicken, es ist uns wieder
gelungen, dem von uns erstrebten Ziele näher zu kommen.
Am 2. April 1879 hatten wir an Bestand Mark 485.
78 Pf. Dazu kommen an Einnahmen im verflossenen
Jahre a, für Zinsen M. 25. 52 Pf., b, für Beiträge
M. 158. — Pf., c, für verkaufte Cigarrenabschnitte M. 6.
80 Pfg., d, für verkaufte Briefmarken M. 31. 75 Pf.
e, für Mauersteine M. 1. — Pf., f, Eintrittsgeld des
von Magdeburg nach hier übersiedelten Br C. Lattey
M. 3. — Pf., also in Summa M. 226. 7 Pf.

Ausgaben hatten wir für Unterstützungen, Porto
u. s. w. M. 30. 40 Pf. und verblieben uns demnach
M. 195. 6*7 Pf. Bestand, so dass wir nun ein Vermögen
von M. 681. 45 Pf. besitzen.


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