Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 186
(PDF, 136 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0193
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verfolgt. Ein verurtheilendes Wort über die Logen
mag wohl an Allerhöchster Stelle nicht ohne jede Wirkung
bleiben. Aber jedenfalls hat der Kaiser viel zu
lange innerhalb des Bundes und als Protector über demselben
gestanden, als dass selbst ein Misstrauensvotura
seines Kanzlers gegen die Logen von tieferer Wirkung
sein sollte." —

Wir kennen die Taktik des Eeichskanzlers zur Genüge
, um die Bedeutung seines Aussdruckes, die Freimaurer
seien gefährlicher, als die Jesuiten, würdigen
zu können. In allen Fällen, wo derselbe auf eine Kriegserklärung
lossteuerte, hat er seinen Feldzug mit einem
geflügelten Worte begonnen, das als Fühler einerseits,
als Losung für die Söldlingspresse, für die Streber
und politischen Handlanger andererseits, ausgegeben
wurde. So wurde Frankreich gewarnt, so das Centrum
bedroht, so den Nationalliberalen, ehe sie an die Wand
gedrückt wurden, ihr Platz auf Seite der Conservativen
angewiesen, so das Heil der „nationalen Arbeit" im
Schutzzoll proclamirt. Nun sollen also die Freimaurer
an die Wand gedrückt werden. Der Herr und Meister
in der Staatsmannskunst, Napoleon III., hat es ihm ja
so vorgemacht. Auch „Er", der seine Kriegspolitik
mit dem geflügelten Worte „Das Kaiserreich ist der
Friede" inaugurirte, auch er machte den Versuch, die
französischen Freimaurer, die er nicht zu willenlosen
Werkzeugen seiner Gewaltpolitik erniedrigen, nicht zu
seinen Speichelleckern bekehren und nicht zu abtrünnigen
Verleugnern ihrer alten Devise „Freiheit, Gleichheit
, Brüderlichkeit" machen konnte, zu corrumpiren,
indem er ihnen das freie Wahlrecht raubte, in ihre
inneren Verhältnisse despotisch eingriff und ihnen seinen
sauberen Vetter Murat als Grossmeister aufdrängen
wollte, nicht direkt natürlich, sondern durch gefügige
Helfershelfer in den Logen selbst; denn auch in den
für Verfolgung der höchsten Menschheitszwecke gegründeten
, sittlichen Gemeinschaften fehlt es nicht an einzelnen
Schandbuben, welche gewissenlos dem Herodes
das Schwert in die Hand drücken, womit einem Johannes
das Prophetenhaupt vom Rumpfe geschlagen werden soll.

Wenn die obigen Andeutungen richtig und dem
deutschen Reichskanzler jetzt die Jesuiten lieber sind,
als die Freimaurer, wenn ihm wirklich darnach gelüsten
sollte, Arm in Arm mit Windthorst und Puttkamer eine
Logenhatz zu beginnen, so wird er unter den deutschen
Freimaurern gerade so viel Leute auf dem Posten finden
, wie Napoleon unter den französischen, welche das
blaue Banner der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
hochhalten, ohne Menschenfurcht die sittlichen Grundsätze
und die Würde ihres Bundes vertreten und den
Kampf, sei es gegen Unterdrückung, sei es gegen den
Versuch einer Corruption mannhaft aufnehmen.

Freilich wird es leider aller Wahrscheinlichkeit
nach, wie s. Z. in Frankreich, so jetzt auch in Deutschland
nicht an Creaturen fehlen, welche sofort aus diesem
reichskanzlerischen Winke an die „Bethörten" und an
die „Bethörenden" Kapital schlagen und mit der Mahnung
zu allgemeinem orientalischen Niederwerfen in den
Staub, um die reichskanzlerischen Reiterstiefel in Demuth

zu küssen, die dem Freimaurerthum drohenden Gefahren
abwenden wollen. Haben ja doch die deutschen Freimaurer
schon ein „Organ", welches bereits seit Jahren
für die „stramme Disciplin des preussischen Regiments"
Propaganda macht und die Milch frommer Denkungs-
art verzapft. Der Kampf wider die Freimaurer, welche
die Grossen bethören, wie die Jesuiten die Kleinen,
kann also beginnen; an geistigem Beistand wird es
kaum fehlen.

Zwar kümmern sich die Freimaurer als solche nicht
um das politische Parteigetriebe, zwar sind die Logen
neutrale Tempel, aus denen grundsätzlich und statutarisch
alle Verhandlungen über politische Tagesfragen ausgeschlossen
sind; zwar verpflichten die Logen ihre Mitglieder
zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit und
dem Gesetze des Landes; indessen hält der Freimaurerbund
seine Mitglieder zur Selbstveredlung und Selbstregierung
an, vertritt er den Grundsatz der Denk- und
Gewissensfreiheit, lehrt er, dass Recht vor Gewalt gehe
und dass alle Menschen von Natur aus gleichberechtigt
sind, stellt er den inneren wahren Werth des Mannes
über Stand, Rang und Geld, hält er die Würde freier
Männer hoch und verpflichtet zum Muthe der eigenen
Ueberzeugung, will er, dass seine Jünger Niemand geist-
noch leibeigen sind, weist er auf die Grenzen hin, „wo
Patriotismus Tugend zu sein aufhört" und will er die
ganze Menschheit zu Einer sich des Lichtes freuenden
Familie vereinigen. Kurz und gut, die Loge ist zu
allen Zeiten mehr oder minder ein Hort des freien Gedankens
, unabhängiger sittlicher Gesinnung und unbeugsamen
Mannesmuthes gewesen und als solcher ist sie
von jeher jeder despotischen Gewalt ein Dorn im Auge
gewesen. „Es ist immer" — sagt unser Lessing —
„das Zeichen einer starken, nervösen Staatsregierimg
gewesen, wo sich die Freimaurerei neben ihr blicken
liess, und das Zeichen einer schwachen, wo sie unterdrückt
wurde." Ueberall und zu allen Zeiten war das
Freimaurerthum geächtet, unterdrückt und verfolgt, wo
Pfaffenherrschaft und staatlicher Despotismus das Regiment
führten, so in Spanien und Russland, in Brasilien
und in Oesterreich. Und überall, wo man es nicht gut
unterdrücken konnte, versuchte man, es zu corrumpiren,
indem man die Mitglieder einschüchterte und bedrohte,
um sie zu Duckmäusern, zu Kriechern und Speichelleckern
zu erniedrigen. Ueberall und zu allen Zeiten,
wo die Logen gewissenlos das heilige Banner der Freiheit
, Gleichheit und Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit,
Duldung und Humanität mit Füssen traten und als
Lobredner der brutalen Gewalt, der Volksaussaugung
und Volksverdummung ein jämmerliches Scheindasein
fristeten bei gutem Essen und Trinken, wo sie das
Klirren ihrer Sklavenketten für himmlische Musik priesen,
da sind sie nie und nirgends als Volksbethörer gebrandmarkt
, sondern als gute Kinder mit Schmeichelreden
selber bethört worden.

Was die „Grossen" von den Frmrn lernten, das ist
keine Thorheit, das ist nur Weisheit gewesen, die sie
zu volks- und freiheitsfreundlichen beliebten Regenten
machte; „bethört" können die Grossen nur werden von


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