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vollen Andeutungen neben hochtrabenden Titeln zugänglich
zu sein und auch unter den deutschen Maurern
fanden sich nur Wenige, die soviel Selbstbtbewusstsein
und Ehrgefühl in sich trugen, solche Anerbietungen
zurückzuweisen, ja die Brr selbst zu warnen. Freilich
waren dies nur die edlen Mr, denen das Bewusstein
ihrer vollen Pflichterfüllung höher galt, als der bunte
Bandkram und lächerliche Titel und die daher an der
einfachen, aber ehrwürdigen, alten englischen Mrei festhielten
, aber der grösste Theil der Mr, wie ja überhaupt
der Deutsche von Natur poetisch angelegt ist
und sich so gerne der Schwärmerei und dem geheimnissvollen
Anstriche hingibt, waudte sich den Abenteurern
zu und bald wuchsen die von ihnen gegründeten Logen
so an, dass ihre Systeme Faktoren wurden, mit denen
man rechnen musste!
Ganz von den vielen Bünden, die einen grösseren
oder geringeren mrischen Charakter zeigen, abgesehen,
trat nun das französische System mit acht Graden auf
das sogenannte schottische mit 33 Graden, welches aber
in Schottland nicht einmal anerkannt ist, sondern welches
die schottische Grossloge 1836 selbst verwarf, indem sie
nur die drei Johannisgrade zu verleihen erklärte und
endlich das von Lechangeur und Bedarride 1805 gegründete
System Misraim mit 90 und das von Marconis
und Mouttet 1849 in Paris gegründete System Memphis
mit 95 Graden.
So sank denn in Folge dieses kindischen, lächerlichen
Treibens das Ansehen der Mrei immer tiefer und tiefer,
viele Brr wandten sich traurig ab und mancher edier
Mann wurde durch solche Albernheiten abgehalten, sich
in eine Loge aufnehmen zu lassen, um auch am Baue
des Tempels mitzuwirken; aber dies diente den Brüdern
nicht zur Warnung, die Eitelkeit überwog jedes bessere
Gefühl und so wurde bald die Mrei das günstigste
Terrain für den Charlatanismus! Und betrachten wir
nun die Bedeutung und das Eitual dieser Hochgrade,
so tritt uns ein derart lächerliches und verzerrtes Bild
entgegen, dass schon das blosse Aufzählen der Titel
jedes einzelnen Grades uns anwidert und wir nicht nur
nicht begreifen, wie ein Mr sich um einen derartigen
Grad bewerben mag, sondern zur Ehre unserer Brr
glauben wollen, dass der Einzelne in ein System aufgenommen
, sich dessen Ritual nicht hat widersetzen
hönnen, dass er aber selbst sich der Schwäche seiner
Eitelheit schämt und froh wäre, wenn das Unwesen der
Hochgrade aufhörte!
Legen wir nun, da der französische Ritus in seinen
5 Hochgraden und zwar der „Erwählte Meister" dem
combinirten 9. und 10., der „Schottische Meister" dem
14., der „Ritter des Ostens" dem 15., der „Grossmächtige
Fürst der Rose und des Kreuzes" dem 18. und
endlich der „Grosserwählte Ritter Kadosch" dem 30.
Grade des schottischen Ritus, sowohl in Symbolik, als
auch Ritual so ziemlich gleicht, der englische „Royale-
Arche" und die anderen gebräuchlichen Systeme aber
ebenfalls einzelnen Hochgraden dieser Rite ähneln und
die Systeme Misräim u. Memphis gar eine Unmasse Hoch-
grade eingeführt haben, — den schottischen Ritus unsrer
Betrachtung zu Grunde, indem der 4. bis 18. Capitels-
grade, der 18. bis 30. philosophische Grade und der 31.
bis 33. administrative Grade heissen, so haben wir als
4. Grad den des „Geheimen Meisters", in welchem Hirams
Tod beklagt wird und Salomo sieben Meister, unter
ihnen auch den Anfzunehmenden, beruft, um im Vereine
ihrer Fähigkeiten den grossen Architekten zu ersetzen,
im 5. Grade, dem des „Vollkommenen Meisters", lässt
Salomo Hirams Sarg in eine besondere Halle tragen
und theilt den Meistern sowohl die Lösung der Quadraten
des Zirkels, als auch das Geheimniss mit, dass die Urne
welche das Mausoleum krönt, des Meisters Herz um-'
schliesse, worauf er sie dann auffordert, die Mörder zu
suchen und zu bestrafen. —
Im 6. Grade, dem des „Geheimsekretär oder Meister
aus Neugierde", will Johaben (der Aufzunehmende) ein
Günstling Salomo's, als er den König Hiram von Tyrus
aufgeregt in den Palast treten sieht, um von Salomo
den Werth des ihm gelieferten Cedernholzes zu verlangen
, seinem Herrn, den er von Hiram bedrängt
wähnt, im Falle derNoth zur Hilfe eilen und stellt sich
daher horchend an die Thüre des Gemaches, wo Beide
verhandeln. Zwar wird er entdeckt und von Hiram
bedroht, aber Salomo, seine Treue erkennend, belohnt
ihn. —
Im 7. Grade, dem des „Profosen und Richters",
oder „Irländischen Meisters", will Salomo im Gefühle
seiner Dankbarkeit Johaben belohnen und gibt ihm, als
Symbol seiner Würde, eine Waage und einen goldenen
Schlüssel zum Sanctuarium, indem er ihm zugleich aufträgt
, die Arbeiter am Tempel zu beaufsichtigen und
sie nach ihrem Betragen zu belohnen oder zu bestrafen.
Im 8. Grade, dem des „Gebäudeaufsehers oder
Meister in Israel", ernennt Salomo an Stelle der fremden
Architekten, die bis dahin den Bau geleitet haben,
mehrere Meister, um die verschiedenen Bauabtheilungen
zu leiten. Auch Johaben, der Aufzunehmende, soll eine
Abtheilung leiten und wird über die vorhergehenden
Grade geprüft, worin er seine Unwissenheit bekennt,
aber dann, zum Fleisse ermahnt, doch ernannt wird.
Im 9. Grade, dem „Erwählten Meister der Neun",
kommt König Hiram von Tyrus zu Salomo und fordert
Rache für seinen ermordeten Baumeister Hiram. Während
man discutirt, hört man draussen einen grossen
Lärm, ein Fremder hat eindringen wollen, um eine Mittheilung
zu machen, Salomo, erzürnt, weil er die Staatsgeheimnisse
habe belauschen wollen, befiehlt, ihn auf
der Stelle zu tödten, aber Hiram hält ihn ab und rathet,
den Verdächtigen gefesselt vorzuführen, was auch geschieht
, worauf er Salomon die Wobnung eines der
Mörder anzeigt. Salomo lässt nun neun Meister, unter
ihnen auch Johaben, den Aufzunehmenden, auslooseu, um
ihn, unter dessen Leitung, zu fangen. Sie ziehen nun
fort in die Nähe von Joppe, wo Johaben seinen Gefährten
, von Eifer beseelt, voraneilt und, nachdem er
viele Gefahren und Hindernisse überwunden, Nachts beim
Scheine eines Sternes einen Hund aus einer Quelle
trinken sieht, diesem nacheilt und im Dickicht eine
Höhle findet, in der er Abiramah, einen der Mörder,
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