Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 191
(PDF, 136 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0198
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von keiner besonderer Bedeutung und waren daher
bald erledigt.

Nach erfolgter feierlicher Beeidigung des nun definitiv
gewählten Grosssekrt. Br Kraus erhielt der Grossredner
Br Philippin das Wort, um, wie die Alpina bemerkt
, „in einem fesselnden geistvollen und von tiefer
Ueberzeugung getragenen Vortrag auf ein Gebiet hinzuweisen
, wo die Mrei und speziell die schweizerische
noch grosse Dienste leisten könne." — Da der Grossredner
eine schon früher von uns angeregte Idee aufgriff
und erörterte, lassen wir den Vortrag (nach der
„Alpina") hier folgen:

„ Wir bedürfen der That, mit Phrasen kommen wir
nicht vorwärts und verzeichnen wir keine Erfolge, nützen
wir uns und der Menschheit nichts; acta non verba in
dieser so wichtigen Zeitepoche, welche der Vorläufer
von weittragenden Ereignissen sein wird, welche auch
den Mr auf seinem Platze finden sollen. Wie in der
grossen französischen Eevolution vor nun bald 100 Jahren
Fortschritte erzielt und Ideen verwirklicht worden seien,
welche man vorher für eine reine Utopie gehalten habe,
welche aber von Männern, begeistert für das reine,
schöne Menschenthum, unter denen die damaligen Brr
Frmr eine hervorragende Stelle einnahmen, vorbereitet
worden sind, so solle man sich auch wieder aufrafFen
zu einer grossen, der Mrei würdigen That. Die Loge
soll eben eine Werkstätte sein, in welcher Ideen verarbeitet
werden, aus welchen fruchtbare, nützliche Gedanken
hervortreten sollen, die geeignet sind, das Wohl
der ganzen Menschheit zu fördern.

Als eine solche Idee, welche zu einer grossen That
führen würde, bezeichnet Br Philippin diejenige, dass
die Mrei bei Streitigkeiten zwischen den Nationen das
Schiedsrichteramt übernehme*) und dass die schweizerische
Mrei zunächst die Initiative dazu ergreifen solle.
Hinweisend auf das Alabama-Schiedsgericht hebt der
Eedner hervor, dass durch den damals erzielten Erfolg
der Beweis geleistet sei, einen unheilvollen Krieg abzuwenden
. Was damals geschehen sei, das könne in
Zukunft möglich werden, wenn nur der redliche Wille
dazu vorhanden ist. Mit scharfen Worten geisselt Br
Philippin den Zustand Europa's, das in Waffen starrt,
das aber dabei einem sicheren Ruine entgegeneilt. Was
würden wir, ruft er aus, von zwei Nachbarn halten, die
ihr Haus und Gut stets in Verteidigungszustand halten
müssen, die stets bis an die Zähne bewaffnet sind, in
der Befürchtung, dass der eine Nachbar den andern in
unbewachtem Augenblick überfällt, sein Hab und Gut
raubt, sein Haus niederbrennt und seine Angehörigen
ermordet? — Wir würden mit Recht solche Zustände
für barbarisch halten und uns bedanken, in einem solchen
Lande unsern Wohnsitz aufzuschlagen."

Betrachten wir aber die Lage Europa's, so stellt
sie sich, wenn wir die gegenseitigen Verhältnisse der
beiden Nachbarn ins grosse übertragen, eben nicht
anders, sondern akkurat so dar, wie sie soeben geschildert
worden ist. An der Hand der Statistik mit ihren
unerbittlichen Zahlen erwähnt Br Philippin die entsetzlichen
Verluste an Menschenleben, am Nationalwohlstand.
Wieviel Menschenglück haben die Kriege schon zerstört
und wie viel unsägliches Elend haben sie herbeigeführt.
Es ist nachzuweisen, dass die Staaten Europa's Jahr
für Jahr 1600 Millionen Franken mehr ausgeben, als
einnehmen, dass die Defizite und Steuern immer mehr
wachsen — und das Alles geschieht nicht für produktive
Zwecke, sondern wird dem Moloch Militarismus in
den Rachen geworfen. Bei solchen Zuständen muss
die menschliche Gesellschaft zu Grunde gehen, hier

*) Vgl. Findel, Geist und Form, 3 Aufl. S. 274.

muss der Hebel angesetzt werden, um die soziale Frage
in's Auge zu fassen und zu einer Lösung zu bringen.
Da seien noch unendlich grosse Aufgaben zu erfüllen,
die schweizerische Mrei möchte dieselbe in Erwägung
ziehen und daran mitwirken, dass die staatlichen und
gesellschaftlichen Verhältnisse sich besser gestalten. —
So ungefähr lautete die Rede von Br Philippin, die
mit Spannung angehört und mit Beifall belohnt wurde.
Manchem mag die Idee als Utopie erscheinen; in diesem
Fall müsste man aber auch die Schlächtereien zwischen
den Völkern als natürliche und selbstverständliche Sachen
betrachten Der ächte Menschenfreund — und als solchen
wollen wir doch jeden Frmr ansehen — muss
sich auf eine höhere Warte stellen und wird diese Idee
nicht ohne Weiteres von der Hand weisen, denn eine
wahre Cultur und gesunde gesellschaftliche Verhältnisse
sind nur möglich, wenn die Völker friedlich zusammenwohnen
und ihre höchste Befriedigung in redlicher
Arbeit, in der Verbesserung des menschlichen Looses,
im Anstreben der wahren Vollkommenheit finden."

Es erfolgte noch die Einsammlung der Gaben von
Seiten der Logen, das Ergebniss betrug 2025 Fr. und
wurde dem Verwaltungsrath zur Erfüllung eines ächt
mrischen Zweckes zur Verfügung gestellt —

Ungarn. Der Br Grossmeister meldet, dass er im
Sinne eines schon vor Jahren gefassten Beschlusses des
Bundesraths in der bekannten Affaire des Br Ludwig
Lewis — ein friedliches und brrliches Abkommen getroffen
habe, wonach Br Lewis eine vom Grossmeister
vidimirte schriftliche Erklärung abgab, worin er auf
Mr-Wort verspricht, künftig weder frmische Aufnahmen
zu bewerkstelligen, noch Logen zu gründen, wenn er
hiezu vom Gross-Orient oder der Gross-Loge nicht besonders
autorisirt würde. Nach Verlesung des erwähnten
Schriftstückes wird beschlossen, das gegen Br Lewis
seiner Zeit eingeleitete Strafverfahren gänzlich einzustellen
und die Gross-Loge von Ungarn von diesem
Stande der Sache zu verständigen. H.

Der Verein zu Rath und That in Chemnitz,
der ausserhalb der vier Logenwände frmrisch wirkt und
an dessen Spitze seit Jahren der unermüdliche Br Mor.
Schanz steht, hat über sein 14. Vereinsjahr berichtet,
ein rühmliches Bild thätiger Menschenliebe, welche nicht
blind gibt, sondern nach genauer Einsicht in die gegebenen
Verhältnisse und möglichst auf die Hebung
der eigenen Erwerbsfähigkeit der Betr. Bedacht nimmt.
Wie schon wiederholt, machen wir auch heute wieder
auf diese humanen Bestrebungen aufmerksam, zur Nach-
eifrung weckend, wennschon wir der Ueberzeugung sind,
dass auch die ausgedehnteste und umsichtigste Privat-
wohlthätigkeit der zunehmenden Verarmung und dem
wachsenden Pauperismus nicht Herr werden können,
sofern nicht die grossen gesellschaftlichen Quellen des
Uebels verstopft werden.

Der Bericht beginnt, für sich selber sprechend,
wie folgt:

Ausschuss und Armenpfleger hatten auch in diesem
Jahre Arbeit vollauf, um alle die zur Anmeldung gekommenen
Fälle gewisssenhaft zu prüfen und zur Erledigung
zu bringen. Der ziemlich harte Winter, sowie
die Ende 1879 immer noch anhaltende geschäftslose
Zeit Messen so viele Hilfsbedürftige an unsere Thüre
pochen, dass wir z. B. Anfang Dezember nur noch über
einen Kassenbestand von ungefähr M. 900 verfügten,
eine Summe, die im Winter oft an einem einzigen Sitzungsabende
zur Vertheilung gelangt. Mussten wir auch


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