Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 203
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0210
203

schon Sokrates, dass die Architektur in Folge der Maasse
und Instrumente, deren sie sich bedient, eine der genauesten
und gerechtesten Künste sei, wie viel mehr
soll es nicht die Kunst des Baues am Temper der Menschheit
sein? —

So tritt im vierten Grade Salomo, im fünften Adon-
hiram, im sechsten Salomo, im siebenten Tito, im achten
bis vierzehnten Salomo, im fünfzehnten Cyrus, im sechszehnten
Darins, im achtzehnten Athirsatha, im zwanzigsten
Cyrus-Artaxerxes, im ein und zwanzigsten Friedrich
der Grosse, im acht und zwanzigsten Adam und
in den letzten wieder Friedrich der Grosse auf, ohne
zu bedenken, dass die Mrei eine Culturstätte der Moral
und reinen Menschenliebe, nicht aber eine Bühne mit
historischer Scenerie sein soll, die die Jünger nur vom
wahren Zwecke abzieht, einen grossen Theil kostbarer
Zeit ihrem guten Willen und Wirken entzieht und
schliesslich minder feste Brr den Kern für Nebensache,
den Tand und das bunte Kleid aber - für Hauptsache
ansehen und sie schliesslich verzweifeln lässt, alle geheimen
Worte und Erkennungszeichen, in denen sie das
Wesen der Mrei enthalten glauben, lernen und behalten
zu können, hätten aber auch diese Titel- und Prunksucht
nicht so einen grossen Einfluss auf das menschliche
Herz, wären längst schon diese Grade aufgehoben,
von denen, selbst wenn der Schottische Situs sie nicht
alle beseitigen wollte, nur der achtzehnte und dreissigste
zu behalten wären, da diese dann in Ritual und Stoff-
behandlung noch umgearbeitet werden könnten, um Sympathie
zu erwerben und selbst der Französische Ritus,
der über dem Schottischen steht und z. B. in feinem
Tact die unästhetische Handlung Johabens im neunten
und zehnten Grade so modificirt hat, dass die drei Mörder
aus Furcht vor der Strafe sich selbst entleibt haben
und also nur als Leichen aufgefunden werden, müsste
nur den siebenten und achten Grad beibehalten, wenn
sich beide Rite nicht entschliessen können, zu den alten
Johannisgraden der ächten Mrei zurückzukehren! —

So sehen wir also, dass Grad 4—8 der Architectur
und dem Ausbau des inneren Menschen in Vervollkommnung
seiner guten und Ablegung seiner schlechten Eigenschaften
, Grad 9—11 der unmrischen Rache, Grad 12—17
wieder der Pflege edler Eigenschaften und dem Ausbau
am Tempel Gottes und der 18. ganz christlichphilosophischen
Reminiscenzen gewidmet sind, während
der 19. bis 33. Grad nur die Philosophie und ihre Dis-
ciplinen, als auch die anderen Wissenschaften pflegen
und die sämmtlichen Doctrinen noch einmal resumiren,
— so dass schliesslich jeder Grad, an und für sich
symbolisch betrachtet, den Mr in Etwas unterweist,
aber zeigen sie uns Etwas Neues, was der Meister unserer
königlichen Kunst nicht schon wüsste und was
das edle Gefühl ihm nicht selbst sagte, sind nicht, je
nach den verschiedenen Anschauungen, von denen aus
man unsere Kunst betrachtet, genug Waffen darin enthalten
und soll nicht vielmehr die Mrei so klar und
offen vor uns liegen, dass sie Jedem begreiflich ist und
ihre Symbole wenigstens, selbst nicht in der schwärzesten
Absicht, nicht als gefährlich und unmoralisch gedeutet
werden können? —

Da werden Geschichte und Astronomie, Ackerbau
und Architectur, Schifffahrt und Kriegswesen, Philosophie
und Dogmatik uns in bunter Reihe vorgeführt, aber
was bedeuten diese Grade im Allgemeinen? Sind sie
nicht geradezu in ihren mystisch verschwommenen und
meistens exclusivisch israelitischen Ceremonieen ohne
tieferen Sinn und ist es nicht unästhetisch, uns Vorgänge
der unedlen, feigen Rache und Grausamkeit, wie
die Bestrafung der Mörder Hirams im 9. und 10. Grad,
die Undankbarkeit Salomo's gegen drei Genossen im
11., das Privilegium des 20., den Despotismus des 27.,
wo der Mstr. v. St. allein reden, allenfalls erst erlauben
darf, und endlich das lächerliche Ritual mehrerer Grade
vorzuführen? Bergen nicht alle diese Templergrade
eine durchaus unmrische Idee, da sie Tod und Rache,
überhaupt solche Gefühle zur Schau tragen, die der
wahre Mr, dessen Waffen nur Liebe und Moral, Wissenschaft
und Cultur sind, verabscheut? Sie haben am
meisten dazu beigetragen, über unseren Bund falsche
Ansichten zu verbreiten und unsere Feinde haben stets
mit besonderer Vorliebe und leider mit Recht, da wir
ihnen die Waffen gegen uns selbst geliefert, auf das
Ritual dieser Grade hingewiesen, um gegen uns zu agi-
tiren, falsche Ansichten über uns zu verbreiten und
unsere Fehler recht gegen uns selbst auszubeuten, gegen
uns, die wir auf unsere Fahne Milde, Gerechtigkeit und
Verzeihung geschrieben haben, — Worte und Begriffe,
jiie solche grässliche Acte des Hasses und der Grausamkeit
verabscheuen! —

Und dass sie die anderen Disciplinen moderner
Wissenschaften cultiviren, ist das ein Verdienst, welches
uns, sie beizubehalten, zwingt, ist denn unsere Bildung
so klein, dass wir sie erst in der Loge lernen müssen
und selbst, wen dem so wäre, sind diese Begriffe, wie
sie hier in diesen Graden gepflegt werden, nicht vielmehr
so oberflächlich, dass sie durchaus keinem genügen
und pflegen wir denn als Lehrlinge, Gesellen und Meister
nicht auch die hehre Kunst in ihrem ganzen Umfange?
Ist überhaupt über den Meister, wenn er es wirklich
und ganz ist, noch eine andere Vervollkommnung, als
durch sich und aus sich selbst, denkbar? —

Man sagt vielleicht, das Ritual sei aus den alten,
geheiligten Mysterien entnommen und also durch sein
Alter ehrwürdig, — aber heiligt das Alter denn Gebräuche
, die mit dem modernen Zeitgeist nicht mehr
im Einklänge stehen und ist überhaupt der Gebrauch,
die Form bei uns zum Kern geworden, bei uns, die wir
in Allem den Fortschritt wollen ? Wollten wir im Ausbau
des eigenen Tempels stehen bleiben und am Alten
hängen? Wäre das nicht ein greller Widerspruch unseres
eigenen Zweckes und Wollens? Und empfindet
denn der poetisch angelegte Mr nicht mehr in s'einer
eigenen Inspiration, als im Ritual? —

Das heutige Jahrhundert verwirft die Rache ohne
legale Basis, das rohe Triumphiren mit blutigem Dolch
und abgetrenntem Feindeskopf, das Verlangen seines
Lohnes ob solcher That und das grausame Martern des


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