Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 218
(PDF, 136 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0225
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das Gesuchte gefunden hat. Thomas Carlyle hat für
Goethe dieses Symbol und diesen Wahlspruch:

„Without haste and without rest, like a star!"

„Ohne Hast und ohne Rast, wie ein Stern!"
Ohne Eilen und ohne Weilen, wie ein Stern —

wie ein Stern, der am Himmel stehet und ohne sichtbare
Bewegung ungeheure Bahnen durchschreitet — wie
ein Stern, der ewig am gleichen Platze zu verharren
scheint, aber dennoch wandelnd seine unermesslichen
Sphären und durchkreisend in nimmer wankendem
Schwünge mit Ruhe, Sicherheit und Stetigkeit seinen
glanzumwobenen Weg geht!

Fast möchte ich schon schliessen; die Kraft und
das Wissen verlassen mich solcher Grösse gegenüber.
Selbst der stärkste Tribut, gezollt dem erhabenen, umfassenden
Geistergeiste, erscheint mir nichtig, da ich
zagend vor dieser Aufgabe stehe.

Doch da sehe ich vor mir stehen die Anzahl der
Goethischen Bücher. Ist darinnen, von dessen Autor
jede Zunge spricht, nichts enthalten, was der Zusammenfassung
, der verkürzten, auszugsweisen Wiedergabe
werth sein sollte?

Ja wohl, darin ist mehr enthalten, als was eine
starke, geschweige ein schwache Kraft Zeit ihres Lebens
zusammenfassen, aneinander reihen oder verkürzt wieder
geben kann.

Sei es versucht aus den vor uns liegendeu 48 Bänden
eine Anthologie, oder gleichsam eine photographische
Augenblicksaufnahme zu geben, um die herrlichen, namenjt?.
lieh die von frmrischem Geiste durchwehten Ideen des
grossen Denkers, des praktischen Philosophen und des
rein menschlichen Erdenwallens auf die Fläche eines
Spiegels werfen zu machen.

Der gute Wille spreche für die gewagte Thai
Gleichsam als weile Goethe unter uns, ruft er aus:

Wer lebt in unsrem Kreise
Und lebt nicht selig drin?
Geniesst die freie Weise
Und treuen Brudersinn!
So bleibt durch alle Zeiten
Herz Herzen zugekehrt;
Von keinen Kleinigkeiten
Wird unser Bund gestört.

Uns hat ein Gott gesegnet
Mit freiem Lebensblick,
Und alles was begegnet,
Erneuert unser Glück.
Durch Grillen nicht gedränget,
Verknickt sich keine Lust;
Durch Zieren nicht geenget,
Schlägt freier uns're Brust.

Mit jedem Schritt wird weiter
Die rasche Lebensbahn,
Und heiter, immer heiter
Steigt unser Blick hinan.

Uns wird es nimmer bange,
Wenn Alles steigt und fällt,
Und bleiben lange, lange
Auf ewig so gesellt.

Dann gibt er uns eine Menge geistreicher Lebensregeln
, von denen, gegenüber den oftmals kritisirenden,
bemäkelnden und bemängelnden Stimmen anderwärts,
nur eine oder zwei seines praktischen Sinnes herausgehoben
seien:

Willst du dir ein hübsch Leben zimmern,
Musst dich um's Vergangne nicht bekümmern.
Und wäre dir auch was verloren,
Musst immer thun wie neugeboren.

Das Wenigste muss dich verdriessen,
Musst stets die Gegenwart gemessen.
Was jeder Tag will, sollst du fragen;
Was jeder Tag will, wird er sagen.

Musst dich am eignen Thun ergötzen;
Was Andre thun, das wirst du schätzen.
Besonders keinen Menschen hassen
Und das Uebrige Gott überlassen.

Nehmen wir sodann das bedeutende Wort „Erkenne
dich selbst" vor, so müssen wir es nicht im ascetischen
Sinne, sondern einfach so auslegen: „Gib einigermassen
Acht auf dich selbst — nimm Notiz von dir selbst,
damit du gewahr werdest, wie du zu deines Gleichen
und zu der Welt zu stehen kommst. Hierzu bedarf es
keiner psychologischen Quälerei; jeder tüchtige Mensch
weiss und erfahrt, was es heissen soll; es ist ein guter
Rath, der einem Jeden praktisch zum grössten Vortheil
gedeiht"

Von der engeren Begrenzung tritt Coethe hinaus,
das Weite mit dem Engen verbindend:

„Willst du in's Unendliche schreiten,
Geh nur im Endlichen nach allen Seiten.
Willst du dich im Ganzen erquicken,
So musst du das Ganze im Kleinsten erblicken."

Dann geht er zurück ins häussliche Leben, erzählt
uns von Herrmann und Dorothea, von dem trefflichen
Wirth des Gasthofs zum goldenen Löwen und von der
klugen verständigen [Hausfrau, von dem edlen, würdigen
Pfarrherrn und dem getreuen nachbarlichen Apotheker.

Diesem schönen Gemälde gegenüber stellt Goethe
den lügnerisch-gewandten, scheinheiligen, gleisnerischen
Weltschurken Reinecke-Fuchs auf und reihet daran die
neun Gedichte, welche speciell der Loge zugehören.

Eine lange Reihe von Fest- und Gelegenheits-
Gedichten, Prologen und Epilogen müssen wir ebenso
wie eine lange Reihe theatralischer Spiele überschlagen.
Aus den letzteren indess heben wir den zweiten Theil
der Zauberflöte hervor, um zu bemerken, dass die ideelle
und die mrische Verwandtschaft mit dem Komponisten
Br Mozart zu Tage tritt, sowie um anzudeuten, dass


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