Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 253
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materielles Dasein zu bestehen. „Menschen von grossen
Gaben oder von Ansehen in der Welt suchte schon
Loyola dem Orden zu gewinnen. Nur geistig und körperlich
Tüchtige sollen zugelassen, hingegen Leute von
schwerer Fassungskraft und Unnütze fern gehalten
werden. Auf die äusserliche Erscheinung wird viel
Gewicht gelegt; eine ansehnliche Gestalt, Gesundheit
und Kraft, auch Anmuth der Eede werden gefordert."
In diesem strengen Verfahren bei der Aufnahme von
Mitgliedern für den raschen Aufschwung des Ordens,
liegt der Schlüssel zur Erkenntniss seiner geheimnissvollen
Macht.

Das Noviziat war gewöhnlich auf zwei Jahre festgesetzt
. Während desselben wurden geistliche Exercitien
in jeder Form und aufs anstrengendste getrieben; auch
schlössen sich ihnen die beschwerlichsten und niedrigsten
Geschäfte in der Krankenpflege u. s. w. an. Der Verkehr
mit der Aussenwelt war vollständig untersagt; die
Liebe zu Eltern und Verwandten musste gänzlich unterdrückt
werden und dgl. mehr. Waren die Probejahre
bestanden, so wurde der Novize zu den einfachen Gelübden
, des Gehorsams, der Armuth und Keuschheit, zugelassen
, durch welche er sich für immer an den Orden
band, und dann als Scholastiker zum künftigen Priester-
und Lehramt erzogen. — Es gab übrigens auch Novizen
für weltliche Dienste, für die Bedürfnisse des physischen
Lebens: Diener, Verwalter etc. — Die scholastici ap-
probati wohnen in den Collegien unter dem Kektor.
von dem sie streng beaufsichtigt sind, und werden erst
nach wiederholten Prüfungen zu Mitgliedern der Ge.
Seilschaft ernannt; sie heissen als solche zuerst geistliche
Coadjutoren. Wenn sie sich bewähren, sind ihnen
die nächsthöheren Rangstufen, nämlich der Professen
mit 3 und 4 Gelübden zugänglich. Die Professen mit
3 Gelübden haben so ziemlich dieselben Obliegenheiten
wie die Coadjutoren und erscheinen in ihrer Stellung
etwas unbestimmt. Zu ihnen gehörten wahrscheinlich
auch die Affiliirten des Ordens, deren Existenz kaum
zu bestreiten ist. „Bekanntlich rühmen die Jesuiten
von sich selbst, dass Fürsten und hohe geistliche Würdenträger
in ihren Listen eingeschrieben gewesen seien?
und sie nennen als solche die beiden Kaiser Ferdinand
II. und III., den König Sigmund III. von Polen u. A.
Auch von König Johann III. von Portugal und dem
Kurfürsten Max I. von Bayern, dann von Ludwig XII.
wird dies behauptet, und ebenso besteht die gleiche
Vermuthung bei Clemens IX." (Huber).

Die Professen, welche zu den 3 bekannten Gelübden
noch das hinzufügten, dem Papst unbedingten Gehorsam
für die Mission zu leisten, sind die eigentlichen und
vollkommenen Jesuiten und bilden den innersten Kreis,
den Kern der Gesellschaft. Ihre Zahl ist im Verhält-
niss zu den übrigen Ordensmitgliedern gering; sie wird
mit nur zwei Prozent angenommen. Aus ihrer Mitte
werden alle höheren Stellen besetzt und ihnen kommt,
wenn sie neben den Provinzialen zu den Generalcon-
cregationen deputirt werden, volles Stimmrecht, auch
bei der Wahl des Generals, zu. Sie leben in den Professhäusern
, in welchen die Superioren gebieten. Diese

werden vom General ernannt, sind auch den Provinzialen
untergeordnet und haben Admonitoren und Konsultoren.
Da sie, in ähnlicher Weise, wie die höheren Ordensbeamten
, gewiss alle drei Monate einmal an den General
berichten müssen, und da demselben auch die Konsultoren
mindestens jährlich zweimal Bericht zu erstatten
haben, so sagt Spittler mit Recht: „Kein Monarch
konnte je so instruirt werden, wie der Jesuitengensrai."

In den Professhäusern sollte die strengste Armuth
herrschen; doch waren keine Entbehrungen verlangt.
„Die Armuth des Jesuiten fällt eigentlich zusammen
mit seinem Gehorsam gegen den General, indem er
seinen Verfügungen über die äusseren Dinge bereitwillig
sich unterordnet, Alles, was ihm derselbe zutheilt,
gleichmüthig nimmt, und was er ihm entzieht, ebenso
gleichmüthig aufgibt . . Der Orden, welcher nur in der
Klasse der Professen mit 4 Gelübden als Bettelorden
erscheint, da er in seiner Totalität Eigenthum erwerben
und besitzen kann, hat Wege und Mittel genug gefunden
, um sich in den Besitz der grössten Reichthümer
zu setzen." So kam es denn, dass ausser den geistlichen
Beamten desselben eine Reihe von weltlichen entstand,
bei welchen auch eine aufsteigende Ueberordnung herrschte.
Auf der unteren Stufe befanden sich die weltlichen Coadjutoren
, weichein den Häusern auf Gütern des Ordens
als Verwalter thätig waren und vor ihrer Anstellung
die drei Mönchsgelübde, wenn auch nicht feierlich, ab-
zuTlegen hatten. Ueber ihnen standen Prokuratoren
die ganze Provinzen oder nur einzelne Gebiete derselben
beaufsichtigten. Sie versammelten sich anch zu Con-
gregationen und nahmen Theil an den Provinzial-Con-
grationen, welche für die Professen der vier Gelübde
gewöhnlich alle drei Jahre veranstaltet wurden.

„So zeigt sich in der Gesellschaft Jesu eine umsichtige
Arbeitsteilung durch eine bis in's Kleinste
herabsteigende Organisation der Aemter, dazu eine
gegenseitige Ueb erwachung und die strammste Disciplin.
Jeder Obere ist der Visitator seiner Untergebenen oder
bestellt einen solchen für sie, und schliesslich konzent-
rirt sich die Aufsicht und Herrschaft über die ganze
Gesellschaft in der einen Hand des Generals. In jedem
Hause befinden sich Sindici und Unteraufseher, welche
über alle Vorkommnisse an die Vorgesetzten Anzeige
zu erstatten haben und diese vermitteln sie wieder an
die nächsthöhere Stelle. Jeder Jesuit muss es sich gefallen
lassen^ fortwährend beobachtet zu sein; jeder hat
mindestens einen Aufpasser zur Seite, welcher seine
Fehltritte dem Vorgesetzten denuncirt." Das war ein
Ordenssystem wie die Welt noch keines gesehen, würdig
, die Erfindung eines Spaniers zu sein, der die Inquisition
rühmte und deren weitere Verbreitung dem
Papste in einer besonderen Vorstellung empfahl. Das
war eine Mischung von Asketik und Weltlichkeit, von
j Frömmigkeit und Schlauheit, die ganz betroffen macht.

Wer in den Jesuitenorden tritt, ist für seine Familie,
für sein Vaterland todt; er lebt nur noch den Zwecken
seiner Gesellschaft und muss sich hiezu allen Vorschriften
der Obern unterwerfen. „Ein Jeder", heisst
es in den Konstitutionen, „sei überzeugt, dass diejenigen,


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