Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 303
(PDF, 136 MB)
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303

Wogen mehr hervorrufen. Es wird ruhiger, friedlicher
werden. Der Streit wird dann nur noch selten vorkommen
und der Krieg wird vollständig aufhören. Wer
möchte nun nicht lieber in späterer als in jetziger Zeit
leben und wer wollte wohl nicht sofort Vegetarianer
werden, sobald er überzeugt wäre, dass diese Folgen
wirklich zu erwarten sind. Allein es scheint, dass die
hierzu nöthige Uebeizeugung nur sehr wenige Menschen
haben, denn das Häuflein der Vegetarianer ist bis jetzt
nur ein kleines und die Mehrzahl davon ist es nur
vorübergehend und gebraucht den Vegetarianismus
ebenso wie irgend eine andere Kur, ohne dabei an den
eigentlichen Zweck der Sache oder das zu erreichende
gemeinsame Ziel zu denken. Und wenn vom praktischen
Standpunkte aus die Sache betrachtet wird, so erscheint
das Thun der eigentlichen prinzipiellen Vegetarianer
lächerlich und ihr Versprechen für die Zukunft nicht
einmal wünschenswerth. Das Schlachten der Thiere
ist roh, es wirkt vielleicht entsittlichend, aber nicht in
dem Masse, wie die Vegetarianer glauben. Die Gewohnheit
lässt allerdings dem Schlächter die Todeszuckung
eines Thieres ebenso gleichgültig, wie das
Schwanken eines vom Winde bewegten Zweiges erscheinen
, aber derselbe hat sich zugleich auch gewöhnt,
den Unterschied zwischen Menschen und Thier in einem
weit vergrösserten Masstabe anzusehen, als es gewöhnlich
andere Menschen thun und dass ein Metzger gegen die
Leiden seiner Mitmenschen härter wäre als andere
Leute habe ich noch nie gehört. Dass der Umgang
mit Thieren über einzelne Dinge andere Anschauungen
entstehen lässt, als der mit Menschen, kann nicht bestritten
werden, aber ebenso wenig, dass dieser Umgang
eher wieder zu dem mit Menschen befähigt, als die Beschäftigung
eines Holzhauers oder Steinbrechers. —
Was ferner die Ernährungsweise anbelangt, so braucht
wohl nicht erst hervorgehoben zu werden, dass der
Vegetarianer Massen verschlingen muss, um die Bedürfnisse
seines Körpers zu befriedigen und dass die
aufgesaugten und in den Geweben zur Verwendung
kommenden Eiweissstoffe ebenso wenig oder ebenso viel
erhitzend sind, wie diejenigen von Fleisch, wird schon
an der Schreib- und Redeweise der Vegetarianer vielleicht
am leichtesten praktisch nachgewiesen werden
können. Es bleibt somit als gewichtiger Grund nur das
rein humanitäre Bedenken über das Unrecht gegen die
Thiere bestehen und dass dieses Gefühl eine Zierde
und einen Vorzug des Menschen bildet, ist unbestreitbar.
Aber den mächtigen Verhältnissen gegenüber der ungleichen
Vertheilung der Menschheit über die Erde,
dem Transporte von Nahrungsmitteln in grosse Städte,
der Verproviantirung von Festungen und Schiften etc.
kann dieses Bedenken stets nur als ein frommer Wunsch
gegenüberstehen. Und dann erscheint noch ein weiterer
Faktor, der, wenn auch nicht im Stande, ein zartbesaitetes
Gemüth anders urtheilen zu lassen, doch jedenfalls
wertji ist, angeführt zu werden. Nämlich die Thierproduktion
. Durch Tausend Mark ist man im Stande,
die Existenz einer Menge von Thieren hervorzurufen,
die ohne diesen Aufwand nie gelebt hätten. Sind die

wenigen Tage der Lust, die z. B. ein Kalb geniesst,
nichts werth? Sollte es lieber ungeboren bleiben, weil
es wieder sterben muss?

Durch die zweite Frage, bezüglich der Behandlung
von Schlachtthieren, betritt man ein Gebiet, das die
Thierschutzvereine schon längst in einer höchst lobens-
werthen und erfolgreichen Weise bebaut haben. Der
rohe Umgang mit den Thieren, ehe sie zur Schlachtbank
kommen, ist mit Erfolg bekämpft und die Tödtungs-
Manipulationen ;sind jetzt von einer Vollkommenheit,
dass das Leben oder mindestens das Bewusstsein aufhört
, ehe das Thier merkt, um was es sich handelt, und
da nun doch auch einmal dieses Thema von der praktischen
Seite angeseheu werden soll, i-o mag die Behauptung
G. Jäger's hier eine Stelle finden, dass nämlich
eine rasche Tödtungsart ohne vorherige Angst des
Thieres dem Fleische einen bedeutenden Wohlgeschmack
erhalte, der aber durch Angst oder gar Todesangst
verloren geht und durch einen Eckelduft ersetzt wird.

Was nun die dritte Frage, bezüglich der absichtlichen
Quälereien von Thieren, betrifft, so müssen hier
ebenfalls wieder die von den Thierschutzvereinen ausgesprochenen
Grundsätze insoweit als richtig anerkannt
werden, als es sich um die Erreichung von materiellem
Interesse handelt. Jeder Mensch, der absichtlich ein
Thier quält, zwecklos oder nur desshalb um einen
pekuniären Nutzen zu haben, begeht eine verabscheu-
ungswürdige Handlung und sollte noch weit stärker
bestraft werden, als dies in der Wirklichkeit der Fall
ist. Aber wenn Vereine gegen die Vivisektionen agi-
tiren, wenn sie die zu wissenschaftlichen Forschungen
an lebenden Thieren angestellten Versuche als zwecklose
und verabscheuungswürdige Quälereien darstellen
und mit jenen in eine Reihe drängen wollen, so verkennen
sie ihren Standpunkt und die Wissenschaft.
Nur durch diese ist die Menschheit emporgekommen
und nur das regsamste Streben nach Weitervervollkommnung
kann sich die Kultur erhalten und verallgemeinern
. Oder glaubt man etwa, wir wären schon
am Ende alles Wissens angelangt und was über unsern
jetzigen Grenzen liegt, das sei nicht mehr werth, weiter
erforscht zu werden? Ein Irrthum, wie er wohl nicht
grösser gedacht werden könnte. Wir bedürfen der anhaltenden
und angestrengtesten Thätigkeit, um das Gewonnene
zu erhalten und wir finden durch dasselbe,
dass uns noch sehr vieles fehlt. Stillstand wäre Rückgang
, aber nicht nur Rückgang der Medizin, sondern,
da eines durch das andere bedingt wird, auch Rückgang
anderer Fächer. Schadet das nichts? Kann denn
alles rückwärts gehen? Ist denn unsere Kultur nichts
werth? Jeder zivilisirte Mensch wird wohl keinen Rückschritt
in dem Sinne befürworten, aber er bedenke
dann auch, dass die Kultur Verhältnisse schafft und
schon geschaffen hat, deren schädliche Wirkung nur
durch sehr künstliche Mittel paralysirt werden kann.
Die Medizin eines Nomaden-Volkes mag ohne die Kenntnisse
der Vivisektionen auskommen können, aber diejenige
eines Kulturvolkes hat sie nothwendig. Und


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