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Was Jeder von uns an geistiger Klarheit gewonnen
im Umgange mit erleuchteten Genossen, was Jeder von
uns' an Charakterveredlung gewonnen in der Nachahmung
erhebender Lebensheispiele wackerer Genossen,
dieses lässt sich nicht messen, lässt sich nicht wägen! |
Um wie viel Jeder von uns dadurch für sich, für
seine Familie, für Gemeinde, Staat und Menschheit
tüchtiger geworden ist, das lässt sich nicht verbuchen!
Und eben hieraus zieht jeder vorurtheilslose Be-
urtheiler unserer Institution die praktische Lehre, dass
auch solche Korporationen eine Existenzberechtigung
haben, welche ihren Kulturbeitrag der menschlichen
Gesellschaft durch andere Kanäle zuführen, als durch
die bestehenden politischen, religiösen und sozialen Korporationen
.
Um aber an diese theoretische Abhandlung eine
praktische Schlussfolgerung anzuknüpfen, drängt sich
uns der Gedanke auf, ob sich der nicht messbare und
wägbare Einfluss unseres Bundes nicht in einer entsprechenden
Form doch insoweit festigen lassen könne,
dass wir neben Br Findels herrlicher Geschichte der
Freimrei, auch eine Geschichte des Geistes der Fi\-
Mrei aus bewährter Feder erlangen, welche uns in
allgemeinen Zügen zeigt, wie unsere Institution sukce-
sive die Sitten der Menschheit fördern half.
Freilich bedürfte es hierzu jahrelanger Vorarbeiten.
Die sämmtlichen Gr.-Logen müssten von jeder ihrer
Töchterlogen einen Geschichtsabriss derselben seit deren
Gründung urgiren und in diesen Elaboraten dargethan
sein, was jedes der tüchtigeren Mitglieder jeder Loge
in seinem Beruf, im Gemeinde- und Staatsleben Hervorragendes
angeregt und allein oder mit andren nicht-
mrischen Kreisen geleistet hat.
Aus diesen Einzel-Elaboraten müsste mit chronologischer
Berücksichtigung der Gleichzeitigkeiten der
einzelnen Logen jede einzelne Gr.-Loge eine General-
Uebersicht anfertigen lassen und nur wenn solche
Uebersichten von sämmtlichen Gr.-Logen der Erdoberfläche
jener bewährten Hand zugestellt werden, würde
sich die dankbare und interessante Arbeit realisiren
lassen, der gesammten Brrschaft mit ihren 15000 Werkplätzen
, auch ein Wenig zu zeigen, wie unsere Vorfahren
gearbeitet haben, um bei der Schwierigkeit der
Aufzählung ihrer Arbeiten den Einfluss unserer Institution
auf die menschliche Gesellschaft mindestens in
einzelnen Zügen skizziren zu können.
Da sie den Grundsatz hatten, „die Linke soll nicht
wissen, was die Rechte thut", so können wir dann
selbst erwägen, dass ihr Wirken, nicht vergebens war
und ist.
Einer solchen Geschichte der Entwickelung der
frmrischen Idee und des Einflusses des Frmr-Bundes
auf die menschliche Gesellschaft müsste eine Skizze
jener Institutionen des Alterthums vorausgehen, welche
ähnliche Bestrebungen pflegten. Ferner müssten in
kurzen Zügen die Spuren skizzirt sein, wie sich von
dem Jahre 1560 bis 1717 der Uebergang von den
operativen Freimr-Logen zu den symbolischen Freimr-
Logen vollzogen hat.
Erst dann werden wir den heilsamen Einfluss unserer
Institution so schätzen lernen, wie es diese hochnützliche
Gemeinschaft verdient, welche von ihren Gegnern
zuweilen mehr gewürdigt wird, wie von einzelnen ihrer
| Jünger. (Zirkel.)
II.
Vom Herausgeber d. Bl.
Der stets rührige und werkthätige Br Treu hat in
vorstehender Skizze ein ungemein wichtiges Thema aufgegriffen
. Nur Schade, dass er es nicht etwas eingehender
behandelt hat! Wir lassen seinen wohlgemeinten
Vorschlag betr. historisch-statistischer Aufnahme behufs
Klarlegung des Einflusses unseres Brs auf die menschliche
Gesellschaft bei Seite, nicht etwa, weil wir eine
solche Geschichtsbehandlung nicht für wünschenswerth
und erspriesslich hielten, sondern lediglich deshalb, weil
wir die Schwierigkeiten der Ausführung kennen und
zum Voraus wissen, dass diese Anregung ein frommer
Wunsch bleiben wird.
Was den übrigen Inhalt angeht, so dürfte dem
Verfasser kaum ein Widerspruch entgegenzustellen sein,
da weder seine wohlbegründete Ansicht, unser Bund
habe durch seine Mitglieder wirklich Einfluss geübt
und die Kultur gefördert, zu bestreiten sein dürfte,
noch auch seine Behauptung, dass diese geistig-sittliche
Einwirkung nicht wäg- und messbar sei. In dieser
Beziehung können wir dem gel. Br Treu mit einem
Beispiel aus Emerson zu Hülfe kommen, welches die
von ihm behauptete Thatsache einleuchtend bestätigt.
Emerson sagt in seinen „Essays" , wenn man rings um
den Stamm eines Baumes einige Hand voll Erde wegnehme
, sei dies ohne Belang und Niemand merke eine
Veränderung; wenn man aber diese Prozedur häufig
wiederhole, merke man allerdings ihre Wirkung in dem
Abfaulen der Wurzeln und im Absterben des Baumes.
So sei der Einfluss guter, edler, rechtschaffener Männer
auf dem Boden ihrer Wirksamkeit nicht im Einzelnen
nachweisbar; derselbe sei aber trotzdem vorhanden und
wenn ihrer Mehrere, die den einzelnen gesunden Bestand
theilen des Bodens gleichen, fehlen, so merke man
das an dem Sinken der geistig-sittlichen Atmosphäre.
Wir wollen mithin den Ausführungen des Br Treu
nicht entgegentreten, wohl aber einige ergänzende Bemerkungen
hinzufügen, welche vielleicht geeignet erscheinen
, über den Gegenstand weiteres Licht zu
verbreiten. Wir knüpfen zu diesem Zwecke an seine
Worte unmittelbar an.
Br Treu geht von dem Einwurfe unsrer Gegner
aus, welche unseren Bund nicht mehr für zeitgemäss
und mithin für ,,überflüssighalten. Darin liegt schon
der Hinweis, dass wir zwei Momente scharf auseinander
halten müssen: die Vergangenheit und die Gegenwart;
denn man kann eine bedeutsame Mission der Fr-Mrei
in der Vergangenheit zugestehen und dieselbe doch für
die Gegenwart bestreiten.
Für die Beurtheilung dieser aber wird man- die
Frage nicht umgehen können, ob jetzt noch die Loge
und der Bund einen erzieherischen, normgebenden, ein
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