http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0323
316
höheren Berechtigung ergreift, schon vom Anfang an
dem wirkenden Prinzip der Natur, wenn auch ohne Be-
wusstsein, eigen gewesen sein muss. In der That kann
man sich das von der Norm Abgefallene, also sich selbs t
Entfremdete gar nicht denken, ohne den Trieb, zu der
Norm, d. h. zu seinem wahrhaft eignen Wesen wieder
zurückzukehren. Im Menschen erzeugt dieser Trieb
Moralität undEeligion, Wissenschaft, Poesie und Kunst;
in der bewusstlosen Natur hat derselbe die vorwärtsschreitende
Entwicklung erzeugt, deren Abschluss
und höchstes Kesultat der Mensch ist. So ist also der
Endzweck des Menschen zugleich der Endzweck der
ganzen Natur, und Alles ist um des Menschen willen
da, wenn auch nicht in dem alten biblischen Sinne.
Von der Sorge eines liebenden väterlichen Schöpfers
für seine Geschöpfe ist in dem Wirken der Natur freilich
wenig zu merken. Dieselbe ist vielmehr der fruchtbare
Grund aller Uebel. Ja, sie entwickelt einen wahren
Luxus an Grausamkeit und Verkehrtheit, wie es viele
Natureinrichtungen zeigen, am Auffallendsten die, dass
einige Thierarten nur auf Kosten anderer leben können.
Und so gross ist die Rücksichtslosigkeit der Natur in
dieser Hinsicht, dass nach ihrer Einrichtung das edelste
Geschöpf, der Mensch zum Frass, so zu sagen, zum
Dünger für die niedrigsten Geschöpfe, wie das Krokodil
und der Haifisch, dienen kann. Aber diese Grausamkeit
und Verkehrtheit der Natur darf uns um so weniger
Wunder nehmen, als wir dieselbe in unserem eigenen ,
Inneren wiederfinden. Kein Thier und kein Naturagens
hat an Grausamkeit und Verkehrtheit den Menschen
je erreicht, geschweige denn übertroffen. Ihr höchstes
Streben haben die Menschen selbst in die grösste Plage
zu verkehren gewusst, wie es die religiösen Kriege und
Verfolgungen zeigen. Aber wie im Schoosse der Menschheit
trotz aller Verirrungen der höhere Trieb lebendig
und wirksam sich erhielt, so auch im Schoosse der Natur.
Entscheidend hierbei sind die zwei schon hervorgehobenen
Thatsachen, erstens dass das wirkende Princip der Natur
uns selbst dem Wesen nach verwandt (wenn auch nicht
ähnlich) ist, und zweitens, dass die Natur bei allem
Irren und Abschweifen doch zur Schöpfung des Menschen
gelangt ist. Die Aufgabe des Menschen muss also als
die unmittelbare Fortsetzung der Aufgabe der Natur
und in diesem Sinne der Mensch als der Höhepunkt,
das Ziel und der Abschluss der Natur betrachtet werden,
welcher selbst schon über alle Natur hinaus im Bewusst-
sein sich erhebt.
Nach diesen Betrachtungen erscheint der Mensch
als mit einer neuen Würde bekleidet, aber auch mit
einer gebieterischen Pflicht behaftet. WTir sehen nunmehr
, dass die Pflege des Höheren nicht bloss der
eigene Zweck und das eigene Interesse des Menschen
allein, sondern der Endzweck der ganzen Schöpfung ist.
Von dem Menschen hängt es ab, ob sowohl ihr eignes
Dasein wie das Dasein der ganzen Natur wahren Sinn
und Werth erhält oder nicht. Wenn vor diesem Be-
wusstsein verkehrte Triebe und kleinliche, niedrige Interessen
nicht verstummen, dann sind sie überhaupt
nicht zu bewältigen. Offenbarungen und wunderbare
Einwirkungen vom Himmel dürfen wir nicht erwarten ;
die wahre Philosophie kann allein die Geschicke der
Menschheit leiten, wenn derselben überhaupt eine vernünftige
Leitung zu Theil werden soll. Sollte diese
unter den Menschen keinen Eingang ;und keine Macht
erlangen, dann muss man alle Hoffnung auf eine bedeutungsvolle
und wünschens werthe Zukunft unseres Geschlechts
aufgeben.
Von der 53. Versammlung deutscher Naturforscher
und Aerzte in Danzig.
(Original-Korrespondenz der Bauhütte.)
Wo in den letzten Jahren die älteste grosse deutsche
Wanderversammlung, die der Naturforscher und Aerzte
tagte, haben die unter den Mitgliedern und Theilnehmern
derselben sich befindenden Brüder Freimaurer (wie in
Hamburg, Cassel) gern die Gelegenheit ergriffen, welche
in einer einladenden Notiz des Tageblatts der Versammlung
sich in erwünschter Weise ihnen darbot, um sich
mit Brüdern um den Altar der k. K. zu versammeln.
Dem schönen Beispiel von Wiesbaden (Loge Plato zur
beständigen Einigkeit) und Breslau (Loge Horus) folgend,
haben sich in diesem Jahre die drei St. Johannislogen
Danzigs: Eugenia zum bekränzten Löwen, zur Einigkeit
und zum rothen Kreuz vereinigt zur Abhaltung einer
Fest- und Tafelloge zu Ehren der an der Naturforscherversammlung
theilnehmenden Logenmitgliedcr, welche
am 20. September, Abends von 7 Uhr ab im Lokale
der Loge Einigkeit abgehalten wurde (das Haus der
Loge Eugenia ist gegenwärtig zu einer von dem Gartenbauverein
veranstalteten Blumenausstellung in Anspruch
genommen.) — Wurden die Augen der besuchenden
Bit schon durch den reichen Blumenschmuck erfreut?
welcher die Eingangspforten des Altars, den Teppich
mit den drei Säulen und die Plätze der Aufseher zierte,
so musste jedes Mrherz noch weit mehr durch die schöne
Harmonie erhoben und erquickt werden, welche nicht
nur die drei festgebenden Logen verschiedener Systeme,
sondern die ganze versammelte Brrschaft belebte und
durchwehete. — Die Festloge wurde von den Beamten
der Loge zur Einigkeit geleitet und nach der rituellen
Eröffnung mit dem 1. Theil einer Festkantate eingeleitet
, welche durch eine reich besetzte Kapelle und
einen so vollen Sängerchor zur wohlgelungenen Aufführung
gelangte, wie dergleichen überaus selten nur
sonst gehört werden.
Chor.
Theure Brr treu verbunden,
Seid gegrüsst im Brkreise
Und geniesst die Feierstunden,
Um nach alter Mrweise
Von der Eintracht Kranz umschlungen,
Von des Bundes Geist durchdrungen;
Bei dreifacher Fackel Schein
| Hoher Weisheit Euch zu weih'n.
Theure Brr, um die Wette,
Hand in Hand und Herz an Herzen,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0323