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Die
Elf
Begründet und herausgegeben
von
XXIII. Jahrgang.
Be J. Gr. FINDEL.
Organ für die Gesammt-Interessen der Freimaurerei.
Leipzig, den 11. December 1880.
Von der „Bauhütte" erscheint wöchentlich eine Nummer (1 Bogen). Preis des Jahrgangs 10 Mark.
Die „Bauhütte" kann durch alle Buchhandlungen bezogen werden.
Inhalt: Entgegnung von Br Gr. Taubeies, Berlin. — Entgegnung auf die Gedanken über Freimaurerei, Christenthum und Judenthum. Von Br Adolf Rüben, Mitglied
der Loge Sundia z. Wahrheit im Orient Stralsund. — Festarbeit der Loge Sokrates am 15. November 1880. Or. Frankfurt am Main. Von Br G. Ed. van
der Heyden. — Feuilleton: Aschaffenburg. — Boston. — Der Jurisdiktionsstreit. — Ultramontanes. — Anzeigen.
Erwiderung
von
Br €r. Taul>eles, Berlin.
Die vor wöchentliche Nummer der Bauhütte bringt aus
der Feder eines süddeutschen Brs Logen-Beamten einen
Artikel über „Freimaurerei, Christenthum und Judenthum."
Dieser Artikel enthält sehr viel Schönes und Wohldurchdachtes
, dem jeder echt maurerisch Denkende gern
Beifall zollt, und das man nicht anders bezeichnen
könnte, als mit „Wahrheit".
Umsomehr muss es aber befremden, aus demselben
Munde, der Wahrheiten erkannt und zum Ausdruck gebracht
hat, Aussprüche zu vernehmen, die mit diesen
Wahrheiten sich im Widerspruch befinden.
Ich sehe mich veranlasst, als Frmr-Jude (wie der
Br Logen-Beamte sich ausdrückt) einige Irrthümer zu
berichtigen, die er eben in Betreff der Juden und des
Judenthums zu Tage gefördert.
Vorerst versichere ich den Br Logen-Beamten, dass
das echte und wahre Judenthum ebenso die Quelle
der Frmrei sein könnte, wie das echte und wahre
Christenthum; spricht doch der Br Verfasser selbst von
dem „Juden" Christus als echten Frmr!
Die Stifter aller Eeligionen haben ursprünglich stets
die Reinheit des humanen Gedankens erkannt und zum
Ausdruck gebracht, und in diesem Sinne waren sie alle
echte Frmr.
Was ist aber aus diesen Ideen gemacht worden?
Wenn das Judenthum Moses rein erhalten und in
seinem Sinne ausgebaut worden wäre, so hätte es keines
Christus bedurft, um aus diesen mosaischen Ideen eine
neue Religion zu gründen. Wenn das Christenthum
nach der Idee seines erhabenen Stifters befolgt und
geübt worden wäre, so hätte es niemals eine Reformation
gegeben! Es folgt daraus, dass die Aufforderung
des Br Verfassers an die Frmr-Juden, die hohe Bedeutung
des Christenthums anzuerkennen, von meinem
Standpunkte aus vollständig gegenstandlos ist.
Glaubt denn der Br Logen-Beamte, dass ein orthodoxer
Jude ein Gelöbniss ablegen, oder sein Haupt
bei Nennung des gr. Br a. W. entblössen würde? —
Also im Augenblicke der Aufnahme schon, hat der
jüdische Br mit seinen konfessionellen Traditionen gebrochen
, und Dasjenige von Formen seiner Religion abgestreift
, was einer Einigung im frmr Sinne im Wege
sein könnte, und hat er dieses gethan, so kann er sich,
auch als Jude, mit reinem Gewissen, als einen echten
Frmr bekennen, da der Kern des reinen Judenthums
ebenso die sittliche Grundlage aller Kultur enthält, wie
die Idee des Christenthums. Durch Vorstehendes glaube
ich auch den Br Logen - Beamten widerlegt zu haben,
dass der gebildete Jude im Christenthum und in Christus
etwas dem Judenthum Feindliches und Gegensätzliches
erkennt, ebensowenig ist es mir klar geworden, was er
mit dem „ideenbaren und „verknöcherten" Judenthum
speciell im frmr Sinne gemeint haben könnte.
Die geschickte Art, mit welcher der Verfasser des
Artikels das Konfessionelle aller Religionen mit den,
demselben anhaftenden, Anhängseln von Dogmatismus
und Unduldsamkeit mit seinen Bemerkungen über das
Judenthum verbindet, lässt auf den ersten Blick nicht
leicht erkennen, dass gerade in punkto der Juden unter
wohlwollenden Phrasen in diesem Artikel manche Ungerechtigkeit
verborgen ist.
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