Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 394
(PDF, 136 MB)
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394

Es sei mir gestattet in freimüthiger Weise den
Vorhang zu lüften und icli thue dieses unter dem Motto:

„Gott schütze uns vor unsern Freunden, vor unsern
Feinden wollen wir uns selbst schützen."

Wenn der geehrte süddeutsche Br seine Studien,
die Juden betreffend, in Volhynien und Rumänien gemacht
hätte, so würde ihm Niemand entgegengetreten
sein, wenn er behauptet, dass die Voreingenommenheit
der Juden für ihre Glaubensgenossen so weit geht, dass
sie nicht selten alle vorkommenden Schlechtigkeiten
und Gesetzübertretungen derselben in
Schutz zu nehmen und zu vertheidigen sich nicht
scheuen; da aber anzunehmen ist, dass sich seine Ausführungen
an die leider jetzt in unserem Vaterlande
auf der Tagesordnung befindliche Frage anlehnen, so
bemerke ich ihm, dass die deutschen Staatsbürger
jüdischen Glaubens in den Rechtsbegriffen des modernen
Kulturstaates erzogen sind, und verwahre mich im
Namen derselben gegen eine solch' ungerechte und unwahre
Beschuldigung!

Ferner vermisse ich jeden thatsächlichen Anhalt
für die Behauptung, dass das Judenthum seinen christlichen
Wohlthätern Erkenntlichkeit schuldet. Die den
Juden erwiesenen Wohlthaten, die sich von den Ketzergerichten
und Massenmorden des Mittelalters bis zur
Beschränkung des Aufenthaltes und der bürgerlichen
Freiheiten bis in den Beginn des vorigen Dezenniums
erstrecken, endeten glücklicher Weise nach mühevollen
Kämpfen mit der Anerkennung des den Juden zukommenden
Rechtes, das ihnen so lange lange Zeit
geraubt gewesen! Ist das etwa die Wohlthat, wofür
die Juden so erkenntlich sein sollten? Ist es, im Gegen- '
theil, nicht die Pflicht Derjenigen, die diese Rage so
lange gekränkt und unterdrückt, jetzt in Milde und
Duldsamkeit die aus so langer Knechtschaft Befreiten
zu sich heran zu ziehen, ihre Schwächen und Fehler
gerade aus diesen Gründen nicht wieder zu neuen Anklagen
zu benutzen?

Jeder wohlerzogene und gebildete Jude wird gewiss
nicht blind sein für die Fehler und Untugenden,
die einer Anzahl seiner Stammesgenossen anhängen und
wird gewiss bemüht sein, dessen kann ich unsern Br
aus Süddeutschland versichern, soweit sein Einfluss
reicht, dieselben beseitigen zu helfen, ob aber diese
Fehler und Schwächen mit Recht „spezifisch-jüdisch"
genannt werden dürfen, überlasse ich der Beurtheilung
jedes Gebildeten.

Jede Nation, jede Rage, jede Gemeinschaft hat
ihren Pöbel, wrarum soll es denn im Judenthum nicht
auch solchen geben?

Wenn man aber das Judenthum nach seinem Pöbel
beurtheilt, so ist diese Handlungsweise nicht maurerisch,
nicht gerecht, sondern geradezu gehässig!

Will man Gegensätze ausgleichen, so ist die Art
des Br Logen-Beamten nicht die richtige!

Wir Frmr haben ja einen gemeinsamen Boden,
wozu also einen Unterschied heraussuchen zwischen
Frmr-Christen und Frmr-Juden?

Ich schliesse mich gern der Aufforderung des s. ew.

Brs an, am rohen Stein zu arbeiten, aber ich richte
auch die Aufforderung an ihn und seine Gesinnungsgenossen
!

Wenn dann von beiden Seiten nach mühevoller
Arbeit „alle Ueberhebung, aller Eigensinn, alle Empfindelei
und Rechthaberei" und vor Allem, alle Vor-
urtheile beseitigt sind, dann wird es gewiss ein
Leichtes sein, auf dem Boden der Duldsamkeit und des
reinen Menschenthums uns zu vereinigen, und unsere
Ideen als Samenkorn hinauszutragen in die profane
Welt, auf dass diese Ideen dort Wurzel fassen und
Früchten tragen mögen!

Entgegnung

auf die Gedanken über Freimaurerei, Christenthum und

Judenthum.

(Bauhütte Nr. 48.)
Von

Br Adolf Rüben,

Mitglied der Loge Sundia z. Wahrheit im Or. Stralsund.

Die Gedanken eines „süddeutschen Logen-Beamten"
enthalten so manche Zumuthung an meine Glaubensgenossen
und Verdächtigung derselben, dass ich der
Versuchung nicht widerstehen kann, diese „Gedanken"
einer Besprechung zu unterziehen.

Der Verfasser behauptet, dass die Lehren der
Frmrei vorzugsweise der „christlichen Idee entsprungen
seien" und knüpft daran die Folgerung: „das Frmrthum
sei als eine Frucht des Christenthums anzusehen". —
Für diese Besauptung bringt der Verfasser aber keinen
Beweis; es sind eben nur „Gedanken", wie es der
Titel besagt.

Nicht der christlichen Idee ist die Frmrei entsprossen
, sondern der echt menschlichen, nicht eine
Frucht des Christenthums ist die Mrei, sondern eine
Frucht des Menschenthums.

Die besten und edelsten Männer aller Generationen
haben für sie gedacht und so zur Begründung des
wahren Menschenthums, welches in der Frmrei seinen
Ausdruck findet, beigetragen, denn die Frmrei ist der
Ausdruck des absolut Guten, welches von Anbeginn
war und sein wird bis ans Ende aller Dinge.

Ebensowenig wie die Frmrei etwas Willkürliches,
etwas Entbehrliches ist, ist sie etwas spezifisch Christliches
oder einer andern Religion Entsprungenes. „Die
Frmrei war immer!" antwortet Lessing's Falk auf die
Frage Ernst's. „Die Frmrei wäre nichts Entbehrliches
? Wie machten es denn die Menschen als die
Frmrei noch nicht war? Und dass es Menschen gab,
gute Menschen, ehe es gute Christen gab, wird der
„süddeutsche Logen-Beamte" wohl nicht leugnen wollen!—

Die Frmrei würde auch entstanden sein ohne das
Christenthum, und erst recht ohne seine Verirrungen;
denn die Frmrei im Sinne des Inbegriffes alles Guten
und Erhabenen ist eine Notwendigkeit, wie das Gute
und Erhabene selbst.

Der Verfasser der „Gedanken etc." nennt die Lehren
des Sokrates und so mancher erleuchteter Männer des


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