http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0403
396
Diese Ueberzeugung ehre und achte ich bei jedem j
meiner christlichen Mitbürger, ja ich fordere von ihm,
dass er seine Religion liebt; wenn aber der „süddeutsche
Logen-Beamte" weiter fordert, jeder Jude müsse diesen
Satz ohne weiteres aeptiren, so ist das eine Zumuthung,
die ich für meinen Theil zurückweise.
In seinen Darlegungen fortfahrend, begründet der
süddeutsche Logen-Beamte seine Forderung mit den
Worten:
„Die Selbstlosigkeit der Grundsätze der Humanität,
der Nächsten- ja Feindesliebe, wie sie die Mrei ebensowohl
wie das Christenthum lehrt, schliessen jeden engherzigen
konfessionellen Standpunkt aus."
Der Verfasser der „Gedanken" verwechselt mit
spielender Leichtigkeit die Begriife, um seine Leser
unter allen Umständen zu überzeugen. —
Es handelt sich beim Eintritt eines Katholiken und
Protestanten in den Frmrbund wohl um den konfessionellen
Standpunkt, beim Juden kann von konfessionellen
Bedenken keine Rede sein, bei ihm können nur religiöse
Bedenken eintreten.
Dass aber die unumwundene Anerkennung einer
anderen Religion, als die seinige dem Juden nicht als
„konfessionelles Bedenken" angerechnet werden kann,
liegt auf der Hand.
Diese Forderung, das Christenthum in allen Grundwahrheiten
als besser anzuerkennen, wäre schlimmer
für Suchende jüdischer Religion, als die Ausschliessung
derselben aus der Loge — resp. als das christliche
Prinzip der Gr-L-L. v. D. —
Im letzteren Falle hält man den Juden nicht für
fähig, die Lehren der Mrei zu begreifen, im ersteren
Falle aber könnte man mit Recht der Loge den Vorwurf
machen, sie schaffe Renegaten, eine Menschensorte,
die unter allen Umständen und in allen Lebenslagen
verächtlich ist. —
Die Konsequenz in den Worten und Forderungen
des „süddeutchen Logen-Beamten" lässt sich am besten )
daraus ersehen, dass er einige Zeilen vorher über die
Unduldsamkeit der Logen klagt, die Juden ausschliessen
und grundsätzlich nicht aufnehmen, als der maurerischen
Toleranz entgegenlaufend, und etwas weiter unten an
Andersgläubige die Forderung stellt, ihren Glauben bei
der Aufnahme zu verleugnen.
Der „süddeutsche Logen-Beamte" sowie viele antisemitische
Hetzer bestehen darauf, die Glaubenslehre
der Juden aus dem Talmud herzuleiten, während dieselbe
das alte Testament, das jedem Christen zugänglich ist,
zur Grundlage hat!
Ich möchte den sehen, der mir einen Satz aus dem
alten Testament zitiren könnte, der mit dem Christenthum
im Widerspruch steht oder gar demselben feindlich
gegenüber stände!
Ein strenggläubiger Anhänger des „Talmud" ist
ein Jude, den man unter Tausenden kaum einmal findet;
denn es gibt wenige Juden, die den Talmud verstehen
oder gar lesen können, aber noch viel weniger Christen,
obschon manche in neuerer Zeit Zitate aus demselben
produzieren, die er nicht enthält. —
So möchte ich auch dem „süddeutschen Logen-
Beamten" dann erwidern, dass er überhaupt nicht
weiss, was er unter einem strenggläubigen Anhänger des
Talmud zu verstehen hat!
Von dem Gedanken ausgehend, dass seine „Gedanken"
unumstössliche Wahrheiten seien, führt der „süddeutsche
Logen-Beamte" fort zu folgern und kommt zu dem
Schlüsse, der Jude hört auf Jude, der Christ Christ in
konfessioneller Bedeutung zu sein.
Darauf möchte ich erwidern, dass wenn der Christ
seine konfessionelle Schranke fallen lässt, er zum Urquell
des wahren Christenthums, zu dem Christenthum,
welches der erhabene Schöpfer seiner Religion in unvergleichlicher
Reinheit erkannte, zurückkehrt, und
gewinnt er dadurch die geläuterte Lehre des von allen
Schlacken gereinigten Christenthums, das, was der Verfasser
„der Gedanken" das wahre Christenthum nennt. —
Der Jude arbeitet gewiss mit derselben Ausdauer und
Freude an der Erkenntniss des Wahren und ist glücklich,
wenn er als Ausgangspunkt seiner Arbeit „den einzigen
ewigen Gott" im Auge behaltend zur Erkenntniss
kommt!
Es folgen nun Schlagworte „kaltberechnender Geschäftsjude
," „engherziger ketzerrichtender Katholik,
scheinheiliger pietistischer Mucker, mit der uralten Erklärung
, diese Kategorien könnten nie echte Frmr
werden!
Ich finde es sonderbar, dass der .,süddeutsche
Logen-Beamte" diese alte Geschichte für seine „Gedanken"
ausgibt.
Dieselbe „alte Geschichte" wiederholt der „Verfasser
der Gedanken" nur in anderen Worten und geht dann
zu Ermahnungen an und Angriffen gegen die Juden
über.
Diese Ermahnungen sind nun Gedanken des „süddeutschen
Logen-Beamten" und die Beschuldigungen
Phantasien desselben, ,wie sie in manchen antisemitischen
Brochüren zu lesen sind, indess verdienen dieselben als
die ersten gehässigen Aeusserungen auf dem Gebiete
der Judenhatz in der Frmrei eine besondere Beachtung.
Zuerst behauptet der „süddeutsche Logen-Beamte"
die Juden, voran die gebildeten und vorurtheilslosen
Juden müssen endlich aufhören, die Christen und Christus
als etwas Fremdes zu betrachten. —
Wie haltlos diese Behauptung ist, geht aus den
Hetzereien gegen die Juden hervor, denn tausendfach
wird durch Wort und Schrift im Lande verbreitet, die
Juden seien Feinde im Lande, seien keine Deutsche.
Wir Juden sind tolerant. Eine Geschichte voll
blutiger Verfolgung hat uns das unschätzbare Gut bürgerlicher
Ruhe und Friedens lieben gelehrt, aber man
beginnt von Zeit zu Zeit gegen unsre „Ra§e" Hetze zu
machen, um ihr das „Recht der Stärkeren" fühlbar zu
machen!
Wir haben manches schlechte Mitglied unter uns
— welche Gemeinschaft hätte das nicht — aber wir
verachten einen Elenden, der durch unmoralische Hand-
lungsweise, sei es Wucher oder Vergehen gegen die
Staatsgesetze seinen Stammesgenossen zur Schande ge-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0403