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ift Beziehung auf ärztliche Kunst, oder der einzelnen Persönlichkeit,
welche diese Kunst ausübt, oft nicht der Ausspruch des klaren Verstandes
ist, dafs oft die Sinne ergötzender äufserer Schimmer die
Stimme des Yerstandes zum Schweigen bringt, und dafc Urtheil besticht
, o$er dafs irgend eine andere Ursache die verständige Beur-
theilung hindert. Der im Publikum vorhandene Mangel d£r Einsicht
und Uebersicht über die Berufssphäre des Arztes veranlafst, dafs
die Aufgabe, welche der Arzt lösen sdll, bald zu hoch gestellt wird,
und die Erwartungen, welche er erfüllen soll, zu weit getrieben werden
, dafs anderer Seits, indem man wähnt, der Nutzen der Arzneikunst
und deren nutzbringende Anwendung sey auf einen sehr engen
Raum beschränkt, zu wenig von den Leistungen der Kunst prwartet
wird. Während man sodann die unvermeidlichen Opfer, welche die
Natur erzwingt, auf Rechnung des Arztes schreibt, werden jene Fälle,
in welchen die Kunst gesiegt, nur der wohlwollenden Heilkraft, vermöge
welcher der Körper seine Integrität zu erhalten strebt, zugemessen
. Weit über die Grenzen der Möglichkeit gehet oft die Anforderung
an den Arzt. Wer kann mit Recht verlangen, dafs der
Arzt den alten Körper verjünge, dafs er den erstarrten fänden der
Schlagadern die Elastizität gebe, welche zum Durchtreiben des belebenden
Blutes Ms in die extremen Theile erforderlich ist, dafs er
jene nothwendige Aenderungen, welche die Zeit und der (gebrauch
der Organe herbeiführt, abwende? Wer kann verlangen, dafs der
Arzt eine von der Wiege auf vergiftete, in ihrem Lebensmarke erkrankte
Pflanze zum Stürme verhöhnenden Baum umwände? Wer
kann verlangen, dafs der Arzt Krankheiten beseitige, deren Quelle
die Zerstörung eines oder einiger zum Leben nothwendiger Organe
ist? Wer wird vom Scheidekünstler verlängert, difs er den Stein
der Weisen liefere ? Wer wird vom Gärtner verlangen, dafs er die
Blume belebe, welche durch den Crluthwind d^ Mittags, oder durch
d*» eisigen Hauch des Nordens getödtet wofdten? Und dennoch
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