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er konnte jedoch nur schon Bekanntes bestätigen, obwohl er eine gute Färbung peripherischer Nerven bekommen
zu haben scheint.
Da es mir im Sommer 1888 einmal bei der Anwendung der Methylenblaufärbung bei einer lebenden
Appendicularia in schönster Weise gelungen war, das ganze Nervensystem zu färben, so setzte ich die Versuche
fort, und, obwohl es mir bei diesem Thiere nicht weiter gelang, so hoffte ich doch immerfort, die Methode
zuletzt auch bei Wirbellosen bewältigen zu können.
In dieser Ueberzeugung — dass die Methylenmethode gerade beim Nervensystem der Wirbellosen einmal
zu schönen Ergebnissen führen werde — nahm, ich bei einem Aufenthalte auf der schwedischen zoologischen Station
bei Kristineberg an der Meeresküste die fraglichen Färbungsversuche an lebenden Seethieren wieder auf. Endlich
gelang es mir bei verschiedenen Thieren die Methode zu beherrschen. Ich concentrirte meine hierauf bezügliche
Arbeit besonders auf drei Gebiete: Das centrale und peripherische Nervensystem eines Cyclostomen, Myxine glutinosa,
eines Crustaceen, Palcemon squilla, und einiger Würmer, nämlich gewisser Anneliden. Bei diesen Repräsentanten
der drei fraglichen Thierabtheilungen erhielt ich wahrhaft wunderschöne Bilder.
Bei Myxine konnte ich im Bückenmark mehrere der von Nansen mit der auch von mir geprüften Golgischen
Methode erhaltenen Befunde bestätigen; ich erhielt aber mit der Methylenmethode viel schönere und überschaulichere
Bilder. Am peripherischen Nervensystem von Myxine bekam ich gleichfalls eine Menge trefflicher Präparate.
Bei Palcemon waren die Ergebnisse noch lohnender, und dies sowohl am Bauchstrang wie am peripherischen
Nervensystem.
Bei den Anneliden bekam ich ebenfalls sowohl am Bauchstrang wie am peripherischen Nervensystem eine
Reihe unerwarteter Befunde.
Bei Ascidien, Mollusken und Holothurien, zu deren Untersuchung ich jedoch nur geringe Zeit fand,
erhielt ich gleichfalls mehrere ermuthigende Färbungsbilder.
Leider sind nun aber bei allen diesen Thieren, wie bei den höheren Wirbelthieren und den Fröschen, die
Methylenbilder immer schnell vergänglich; die Versuche, dieselben mit pikrinsaurem Ammoniak oder Jod zu
fixiren, schlagen hier nur noch schlechter aus. Man steht deshalb lieber davon ab und erwählt am. vortheil-
haftesten solche Thiere, welche man in hinreichender Menge erhalten kann, färbt sie reihenweise mit der Methylenblaulösung
, lässt sie Revue passiren, zeichnet so viel wie möglich ohne Zeitverlust ab, wirft sie beim Abblassen
weg und geht zu den folgenden über.
Da nun im Allgemeinen die Methylenmethode mit der Grolgischen den Fehler — oder vielmehr das Verdienst
— gemein hat, nicht alle Elemente eines Ganglions oder Nervenzweiges gleichzeitig zu färben, sondern in
dem Gewirr ungefärbter Elemente nur einzelne, bald mehr, bald weniger hervortreten, kann man im überlebenden
oder gerade abgestorbenen Gewebe die* Ausläufer der Granglienzellen unter dem Mikroskope öfters auf lange Strecken
in schönster Weise verfolgen. Das eine Mal färben sich diese, das andere Mal jene Elemente; bei oft wiederholten
Versuchen färben sich hin und wieder dieselben Elemente, und man lernt es dann, manche von ihnen zu
erkennen. In dieser W^eise treten die Grundzüge des Bauplans allmählig hervor.
Da nun aber diese Versuche ziemlich viel Zeit erfordern, fand ich mich bald genöthigt, das Arbeitsgebiet zu
beschränken und die fraglichen Thiergruppen eine nach der anderen zu bearbeiten. Ich wählte die Crustaceen
zum ersten Object und studirte bei Palcemon den Bauchstrang und das peripherische Nervensystem. An beiden
kam ich zu mehreren überraschenden Ergebnissen. Da ich aber nicht hinreichend lange Zeit an der Meeresküste
bleiben konnte, setzte ich nach der Heimkehr die Untersuchungen des centralen Nervensystems beim gewöhnlichen
Flusskreos fort. Bei kleinen Individuen dieses Thieres gelang es mir, im Bauchstrang des Abdomens ein
treffliches Object zu finden, an dem man das Verhalten und den Verlauf der Ausläufer der Ganglienzellen verfolgen
kann. Bei der Durchmusterung vieler Dutzende mit Methylen gefärbter Krebse konnte ich in dieser Weise das
fragliche Verhalten der Ganglienzellen und ihrer Ausläufer, resp. der Nervenfasern eruiren und gewisse meiner
Ansicht nach wichtige Prinzipien feststellen. Das Nervensystem, besonders das centrale, der Krebse, wie auch
anderer Wirbellosen — Insecten, Würmer, Mollusken — ist ein vielmal geprüfter Gegenstand eingehender
Untersuchungen gewesen, und manche schöne Thatsachen sind bereits ermittelt worden. Die früheren Methoden
— die Macerations- resp. Zerzupfungsmethode und die lückenlose Schnittmethode —■ leiden aber beide an bedeutenden
Fehlern; bei jener Methode erhält man nur Bruchstücke der Elemente, und zwar aus der gegenseitigen,
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