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Nervenzellen liegen, sind auf ähnliche Weise gebaut, wie etwa die Bindesubstanz in acinösen Drüsen, nur viel
vollständiger; solche Gehäuse umschliessen entweder eine einzige grössere Granglienzelle oder eine Gruppe kleinerer
Zellen; an anderen Stellen sind kleine Zellen je von einer sehr zarten Kapsel umgeben. Die Zellen wurden niemals
multipolar gefunden, und besonders dort, wo Owsjannikow solche als prägnant beschreibt, an der Scheitelfläche
des Hirns, zwischen den Sehnerven, waren nur unipolare, runde und ovale Zellen von verschiedener Grösse vorhanden
. In der Umgebung jener Sinnesanschwellung, welche Dietl mit dem Gesichtssinne in engere Beziehung
gebracht hat, beschrieb er bei Astacus glänzende, stark lichtbrechende Kerne ohne deutlichen Protoplasmasaum;
bei den Brachyuren ist aber ein solcher Saum leichter nachweisbar; die Ausläufer der Zellen verlaufen isolirt, um im
Binnenraum des Sehknotens nach allen Richtungen auseinander zu fahren. Als faserige Elemente trifft man im
Gehirn der Crustaceen theils breite, bandartige Fasern mit kerntragender bindegewebiger Scheide, theils feine Fibrillen
, welche das verworrene Netzwerk der Marksubstanz bilden, aber auch feinste Fibrillen zu Bündeln geordnet,
vornehmlich das im Sehknoten entspringende, im Gehirne sowie im Complex der Augennerven selbständig verlaufende
, nicht kernführende Bündel.
»Was den Zusammenhang der einzelnen Elemente des Nervengewebes anbelangt», sagt Dietl, »so erachte
ich es im Principe verfehlt, die directe Zusammengehörigkeit der Nervenzellen mit den Fasern der peripherischen
Nerven demonstriren zu wollen, weil ich •Jveiss, dass in der Regel jenes dichte unentwirrbare Netzwerk, das von
Leydig als Punktsubstanz bezeichnet, das Substrat der Marksubstanz bildet, dazwischen liegt. Das ist ja was
diese Untersuchungen heute noch so schwierig macht, schwieriger vielleicht, als jene des Nervensystems der Wir-
belthiere.» Dietl geht dann zur Beschreibung der Organisation des Crustaceengehirns über und berichtigt eine
Angabe seiner früheren Abhandlung. Die von Milne Edwards als N. tegumentaires bezeichneten Nervenzweige
hatte ja D. für den wahrscheinlichen Acusticus genommen. Vor Allem aber berichtigt er mehrere bezügliche
Angaben Owsjannikows. Diese Darstellung lässt sich aber hier nicht kurz referiren.
Das Gehirn der Krebse theilt sich nach Dietl im Ganzen in zwei Partien, eine vordere, die PrimäranSchwellung, und
eine hintere, welche die Sinnesanschwellungen nmfasst. Die Primäranschwellung birgt ein vielfach verworrenes Fasernetz
als Grundlage, in der nur die äusseren Schenkel des Sehnervenchiasmas einen genau definirbaren Lauf erkennen lassen.
Ausserdem markirt sich nur noch unmittelbar über der Kreuzung ein besser abgegrenztes Marklager, dessen intimere
Beziehungen ihm dunkel geblieben sind, und dann jene Marklager, welche an der Ursprungsstelle der Augennerven
lateralwärts von den Opticis liegen. Eine viel prägnantere Gliederung zeigt die Sinnesabtheilung, nämlich seitwärts die
Marklager der Sehlappen mit ihrem Ganglienbeleg, hinter denselben das oblonge Marklager der äusseren Antennen und
medianwärts vom hinteren Ballen des Sehlappens jenes Marklager, aus dem der Nerv für die inneren Antennen kommt;
etwas über demselben liegt noch ein kleines Marklager, dessen Bedeutung unsicher ist. Die Nerven der inneren Antennen
haben in dem medianwärts vom Sehlappen gelegenen Markballen ihren unmittelbaren Ursprungsheerd. Die Faserzüge,
welche aus dem zwischen den Schenkeln der Augennerven liegenden Ganglienlager austreten und nach auswärts durch
das Marklager an die laterale Seite der Augennerven umbiegen, lösen sich wahrscheinlich erst im Marklager auf, sammeln
sich neuerdings und ziehen dann erst in den Nervenstamm. Die zu den Thoracalknoten ziehenden Commissuren-
stränge führen ausschliesslich breite Fasern, welche zum grössten Theile aus den vorderen Hirnpartien kommen. Die
sog. gangliösen Kerne gehören wahrscheinlich zum Gesichtssinn.
Yung, 1 welcher das Nervensystem der Decapoclen in histologischer sowohl wie in physiologischer Hinsicht
untersuchte und eine grössere Abhandlung darüber veröffentlichte, resumirte die Ergebnisse, zu welchen er in
histologischer Hinsicht kam, in vierzig Punkten. Aus denselben hebe ich hier Folgendes hervor aus: Das Nervensystem
besteht aus denselben Elementen wie bei den Wirbelthieren, nämlich aus Zellen und Röhren oder Primitivfasern
. Die Nervenzellen sind oval, birnförmig, fusiform, mit einer kernlosen, nicht doppelt contourirten Membran
versehen; ihr Inhalt ist dem der Röhren ganz ähnlich; die Zellen sind apolar, unipolar oder bipolar, zuweilen
tripolar; sie sind von sehr verschiedener Grösse. Nach äussern von der Membran tragen sie eine dicke bindegewebige
Scheide. Die Nervenröhren sind Fortsätze der Zellen. Der Mangel an Myelin und an Achsencylinder
in den Nervenröhren der Crustaceen und die Gestalt der Zellen nähern diese Elemente zu den entsprechenden im
sympathischen S}^stem der Wirbelthiere: sie unterscheiden sich nur durch ihre Grösse. In jedem Ganglion kann
man drei commissurale Faserbündel unterscheiden, welche die zwei Hälften des Ganglions verbinden. Die obere
Fläche des Ganglions ist von longitudinalen Fasern eingenommen, welche nicht dort bleiben, sondern weiter un-
1 Emile Yung, Recherches sur la structure intime et les fonctions du Systeme nerveux central chez les crustaces decapodes. Archives de Zoologie
experimentale et generale, publ. p. H. de Lacaze-Duthiers. Tome 7, 1878.
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