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gekreuzt, wahrscheinlich zum Gehirn laufen. Grosse und kleine Zellen liegen gemischt. Das Gehirnganglion ist aus
drei Ganglionpaaren zusammengesetzt. In den Anschwellungen derselben liegt eine feinpunktirte markige Substanz.
Flcegel 1 beschrieb mit Hülfe der Mikrotomirmethode bei Repräsentanten verschiedener Insecten-Ordnungen
die Organisation des Gehirns (des oberen Schlundganglions), ging aber nicht auf die Frage vom Zusammenhang der
Ganglienzellen und der peripheren Nerven tiefer ein. Er wies indessen u. A. auf die sonderbare Thatsache
hin, dass bei Insecten, wo die Becher und das Gerüst gerade den Haupttheil des Gehirns ausmachen, gar kein
Zusammenhang der Fasern mit den übrigen Theilen des Gehirns und folgeweise auch mit den Schlundcommissuren
aufzufinden ist, »was der Meinung, es würden die Ganglienzellen alle direct durch eine Faserleitung mit den Organen
des Körpers in Verbindung gesetzt, einstweilen leider widerspricht».
Berger2 spricht sich, auf Untersuchungen am Gehirn und der Retina der Arthropoden gestützt, für einen
directen Ursprung der Nervenfasern aus Ganglienzellen aus. »Namentlich der Antennennerv von Musca vomi-
toria», sagt er, »ist ein schönes Object, um sich von der Ursprungsweise einzelner Fasern aus Ganglienzellen zu
überzeugen.» »Immerhin» — legt er aber hinzu — »muss ich es jedoch zugeben und halte es sogar für sehr
wahrscheinlich, dass es auch Fasern gibt, welche auf die von üietl angegebene Weise entspringen» — d. h.
durch Vermittelung der eingeschobenen Marksubstanz.
Glaus 3 kam in seiner Arbeit »Der Organismus der Phronimiden» zu dem Schluss, dass bei diesen Crusta-
ceen die peripherischen Nerven nicht in der sog. Punktsubstanz wurzeln, sondern ihre Fasern aus Granglienzellen
theils des entsprechenden Ganglions — und zwar sowohl gekreuzt als ungekreuzt — theils des vorausgehenden
Ganglions, theils vom Gehirne aus beziehen. Die bei weitem grössere Mehrzahl der Ganglienzellen sind multipolar,
das Vorkommen unipolarer Zellen ist jedenfalls höchst unwahrscheinlich. Man erkennt an den eckigen Zellen
einen stärkeren Nervenfortsatz und hier und da auch andere feinere Fortsätze, weshalb diese Zellen als multipolare
in Sinne der Zellen aus dem Kückenmark der Vertebraten zu deuten sind. Die zarten, als protoplasmatische zu
bezeichnenden Ganglienfortsätze würden wohl zu dem sehr feinen Netzwerk der sogenannten Punktsubstanz auch
bei den Arthropoden in gleicher Beziehung wie bei den A'ertebraten stehen. »Jedenfalls repräsentirt das vermeintliche
Netzwerk der Punktsubstanz nicht die Centren, aus welchen die peripherischen Nerven hervorgehen, sondern
könnte nur das Communicationssystem der centralen Herde der Nervenerregung, der Ganglienzellen sein, deren Nervenfortsätze
als Wurzeln in die peripherischen Nervenbahnen übergehen. Wahrscheinlich aber handelt es
sich in der Punktmasse zum grösseren Theile um eine bindegewebige, der Neuroglia der Vertebraten vergleichbare
Zubstanz». lieber den erwähnten Ganglienzellen kommen im oberen medialen Ganglienlager und in dem ventralen
Belage auch kleinere bipolare Ganglienzellen vor. In Betreff des Faserverlaufs im Bauchmark setzen die longitudinalen
Fasern der Längscommissuren zum grossen Theil als breite dorsale Fibrillenstränge das nachfolgende Ganglion in
gerader Richtung durch, während die äussersten Bündel in der vorderen Hälfte des Ganglions auswärts biegen
und in die Seitennerven einstrahlen. Eine Trennung von oberen (dorsalen) und unteren (ventralen) Strängen im
Sinne XetcjJoiis, von denen die ersteren motorisch, die letzteren sensibel sein sollen, vermochte er nicht zu constatiren,
wenngleich er es für wahrscheinlich hält, dass die Fibrillenzüge an der ventralen Fläche des Bauchstranges in der
That die centripetalen sensiblen Elemente sind. Dagegen konnte er eine Auflösung von tiefer liegenden Fibrillen
dieser beiden Marksäulen in die reticuläre Punktsubstanz nicht bestätigen. Der bei weitem grössere Theil der
Faserzüge, welche in den Seitennerven eintreten, wurzelt in den Elementen des Ganglions selbst, aber nicht in
der molekularen oder reticulären Punktsubstanz, sondern in den Nervenfortsätzen der Ganglienzellen, welche diese
ihre Fortsätze als ein doppeltes System sich kreuzender Querfasern nach der entgegengesetzten
Hälfte des Doppelganglions in die Seiten nerven entsenden. Nun aber mengen sich den Faserzügen
jedes Seitennerven zahlreiche Fibrillen aus Ganglienzellen der gleichen Hälfte ein. Zu diesen ungekreuzten Faserzügen
gehören auch die aus den vorhandenen grossen Biesenzellen entspringenden breiten bandförmigen Nervenfasern
, sowie ein Theil der aus dem vorderen medialen Ganglienlager und dem angrenzenden ventralen Zellenbelage
hervortretenden Fibrillen.
1 J. H. L. Fi.ögel, Ueber den einheitlichen Bau des Gehirns in d<n veischiedenen Insecten-Ordnungen. Zeitschr. f. wiss. Zool. 30 Bd. Suppl. 1878.
- Emil Berger, Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthropoden. Arbeiten aus d. Zoologischen Institute der Universität
Wien und der Zool. Station iu Triest. Tom. I, 1878, und besonders Nachtrag zu den Untersuchungen etc. Ebenda, 1879.
3 C. GLAUS, Der Organismus der Phronimiden. Arbeiten aus dem Zoologischen Institute der Universität Wien und der Zool. Station in Triest.
Tom. 2, 1879.
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