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Nachdem Bela Haller 1 bei einigen Mollusken (Fissurella etc.) das Vorhandensein von eigentümlichen,
ungefähr wie die Endknospen und Geschmacksorgane der niederen Wirbelthiere gebauten »SeitenOrganen» beschrieben
hatte, gab Flemming 2 eine Mittheilung über ähnlich gebaute, schon früher von Boll bei Haliotis gesehene
Organe, welche er im Jahre 1871 bei Trochus cinerarius an den Fühlern und Bandtastern gefunden hatte.
In einer Arbeit über die Sinneswerkzeuge deutscher Mollusken hat Simroth 8 u. A. auch die Histogenese
der Sinnesepithelien der Haut untersucht und, wie aus seiner Darstellung hervorgeht, im Ganzen die fraglichen
Befunde und Ansichten Flemming's bestätigen können.
Endlich hat Drost 4 die Sinnesepithelien von Cardium edule beschrieben. Er konnte das Vorhandensein der
Flemming'schen Pinselzellen bestätigen und fasst im Ganzen die Ergebnisse seiner Untersuchungen in folgender
Weise zusammen: Cardium edule hat vier verschiedene Sinnesepithelien, zwei lokalisirte und zwei über die Körperfläche
ausgebreitete. Es besitzt erstens das pigmentirte, lichtempfindliche Sinnesepithel an der Wölbung unterhalb
der Cirrenspitzen, zweitens das aus Stützzellen und den äusserst langhaarigen Sinneszellen zusammengesetzte Organ,
welches in einer Einsenkung der Oirrenspitze gelegen ist; es besitzt drittens die normalen Pinselzellen mit den sehr
kurzen Härchen und schliesslich die breitköpfigen Pinselzellen mit den längeren Härchen, welche durch die Cuti-
culawärzchen hervorragen.
In den neueren Handbüchern der Zoologie und der vergleichenden Anatomie findet man im Ganzen eine
kurz gefasste Wiedergabe der Angaben und Ansichten Flemming's.
Da es mir bei der vorliegenden Untersuchung des sensiblen Nervensystems der Mollusken v. A. galt, das
eigentliche leitende Bauprinzip zu eruiren, so suchte ich zuerst bei verschiedenen mir zugänglichen Bepräsentanten
des Molluskenstammes zu ermitteln, welche Thiere für diese Studien sich am meisten geeignet zeigen. Es galt
hierbei besonders, die beiden neuen Färbungsmethoden, die Methylenblau- und die Chromsilbermethode zu prüfen.
Mit der ersteren gelang es mir bisher nicht, für das sensible Nervensystem der Mollusken hinreichend erläuternde
Präparate zu bekommen. Mit der Chromsilbermethode erwiesen sich besonders die von mir untersuchten Seemollusken
in dieser Hinsicht wenig geeignet.
Dagegen gelang es mir, in den Limaciden ein für diese Studien ausgezeichnetes Object zu finden. Die von
mir besonders bearbeiteten Thiere waren Arion ater und Limax agrestis. Ich benutzte die schnelle Golgi'sche
Methode, wie sie von mir gewöhnlich angewandt wird, und erhielt eine ganze Beihe schöner Bilder, von denen
ich eine Auswahl auf den Taf. IV—VI abgebildet habe. Ich untersuchte sowohl die äussere Haut in verschiedenen
Begionen des Körpers als auch besonders die grossen Fühler und die Hautbedeckung der Mundhöhle. Arion
und Limax zeigten in Betreff der sensiblen Nervenendigungen ganz übereinstimmende Verhältnisse.
Ich fange bei der Beschreibung mit der äusseren Körperhaut an. Verticalschnitte derselben von verschiedenen
Partien des Körpers bieten im Ganzen denselben Bau dar. Die Aussenfläche wird bekanntlich überall von einem
einschichtigen sog. Cylinder epithel bekleidet, welches an der unteren Fussfläche mit Flimmercilien besetzt ist. Die
Höhe dieses Epithels ist an verschiedenen Partien etwas wechselnd; seine innere Grenze ist zuweilen ziemlich
distinct und eben; im Allgemeinen aber ist dieselbe sehr wenig markirt und sogar sehr unbestimmt, indem die
inneren Enden der Epithelzellen verschieden weit in das unterliegende Gewebe hineinragen (s. z. B. Fig. 4, 5,
6 der Taf. V). Die Gestalt dieser Zellen ist wohl sehr selten von »cylindrischer» Beschaffenheit; sie sind in der
That sehr wechselnd und unregelmässig; v. A. läuft ihr inneres (unteres) Ende entweder in eine einfache Spitze
aus, oder auch verzweigt es sich in verschiedenster Weise und läuft in mehrere Spitzen aus; hier und da gehen auch
Fortsätze von den Seitenflächen der Zellen aus. Die Fig. 4—6 der Taf. V und die Fig. 1 und 2 der Taf. VI können
von den gewöhnlich vorkommenden Formen eine Vorstellung geben, so dass eine eingehendere Beschreibung
nicht nöthig ist; unter ihnen sind auch schon seit lange die Becherzellen, resp. die Drüsen beschrieben worden.
In den Fig. 2 und 3 dr der Taf. VI sind einige Drüsen abgebildet; sie werden nämlich oft vom Chromsilber gefärbt
und senken sich bekanntlich mit ihrem unteren, etwas ausgebauchten Ende verschieden tief ■— oft sehr tief —
in das unterliegende Gewebe hinab. Dieses Gewebe stellt keine eigentliche, abgegrenzte Cutis dar, wenn man
1 Bela Haller, Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. Morphol. Jahrbuch. Bd 9, 1883.
2 W. Flemming, Ueber Organe vom Bau der Geschmacksknospen an den Tastern verschiedener Mollusken. Archiv f. mikroskop. Anatomie.
Bd 23, 1884.
3 Heinr. Simroth, Ueber die Sinneswerkzeuge unserer einheimischen Weichthiere. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, Bd 26, 1876.
4 Karl Drost, Über das Nervensystem und die Sinnesepithelien der Herzmuschel (Cardium edule L.) etc. Inaugural-Dissertation (zu Kiel) 1886.
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