http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/biol_unt_1892_04/0030
18
etwas verschieden. Der periphere Fortsatz ist in der Eegel etwas stärker als der centrale und geht aus dem Zellenkörper
unter allmälig vorsichgehender Yerschmälerung hervor.
Wohin ziehen nun die centralen Fortsätze dieser Zellen? Darüber erhält man in den vorliegenden Fühlerlängsschnitten
eine recht gute Auskunft.
In der Fig. 1 der Taf. IV liegt der Längsschnitt eines ganz ausgestülpten, in der Fig. 2 derselben Tafel ein
entsprechender Schnitt des etwas eingestülpten Fühlers vor. Das Auge (au) ist in beiden in dem seitlichen Umfange
getroffen; die Nervenfasern des Opticus (aus) sind nicht gefärbt. Links von demselben liegt in der Fig. 1 das
grosse von den früheren Forschern beschriebene Ganglion (g), an dessen oberer Grenze einige Ganglienzellen (gz) gefärbt
sind, welche dem unipolaren Typus angehören; multipolare Zellen habe ich hier nicht angetroffen. Die centralen
Fortsätze der oben dargestellten bipolaren Zellen strahlen convergirend in dies Ganglion hinein und lassen sich theilweise
eine Strecke weit in ihm verfolgen. Da es von besonderem Interesse sein dürfte, das Verhalten dieser centralen
Fortsätze im Inneren des Ganglions zu eruiren, suchte ich diese Frage bei stärkerer Vergrösserung zu erledigen.
Nun fand ich zu meinem Erstaunen, dass die Innenmasse des Ganglions von zahlreichen feinen Fasern durchzogen
ist, welche den Typus der Moosfasern tragen; sie ähneln in der That in hohem Grade den »Fibres mousseuses»
in der Einde des Kleinhirns der Säugethiere. In Fig. 4 der Taf. VI sieht man sieben bipolare Zellen, deren periphere
Fortsätze zwischen den Epithelzellen an der Seitenfläche des Fühlers die Oberfläche erreichen, ihren centralen
Fortsatz aber in das Ganglion hineinsenden. Ich konnte dieselben auch hier eine Strecke verfolgen, ohne jedoch ihr
endliches Schicksal erfahren zu können; sie verlieren sich nämlich in dem Gewirr der Moosfasern. Dies ist auch
der Fall mit den Fortsätzen der unipolaren Ganglienzellen (gz). Indessen ist es möglich, dass die fraglichen centralen
Zellenfortsätze in die Moosfasern übergehen; ich sah Bilder, welche darauf hindeuteten. Diese Frage muss
aber von Neuem in Angriff genommen werden, und zwar in Zusammenhang mit dem Centrainervensystem der Mollusken.
Für mein jetziges Ziel war es hinreichend zu constatiren, dass die fraglichen Zellenfortsätze in das Ganglion hineintreten
. Der Verlauf derselben vom Epithel bis in's Ganglion hinein lässt sich übrigens in diesen Präparaten sehr
schön verfolgen; es sind nämlich sehr wenig störende Gewebstheile vorhanden. Die grossen Bluthohlräume des
Fühlers (fr) sind von einer ganz durschsichtigen Masse erfüllt, und das die gefärbten bipolaren Zellen und ihre
Fortsätze in breiten, fächerartig erweiterten Strängen enthaltende Gewebe lässt uns ebenfalls die fraglichen Elemente
in ihrem Verlaufe in schöner Weise überblicken.
In der Mundhöhle der Limacinen traf ich dann dieselben Elemente wieder. Das Epithel ist hier im Ganzen
recht hoch und zeigt scharf markirte äussere und innere Grenzebenen; es besteht aus schmalen Cylinderzellen, und
zwischen diese dringen die peripheren Fortzätze bipolarer Zellen bis zur äussersten Oberfläche empor; diese bipolaren
Zellen liegen in dem unter dem Epithel befintlichen Gewebe, einige nahe unter demselben, andere weit davon entfernt
. In den Fig. 4 und 5 der Taf. IV, ebenso in den Fig. 2 und 3 der Taf. V sind mehrere solche Zellen in
ihren verschiedenen Formen und Lagen abgebildet. An mehreren Stellen dieser Eegion kommt indessen noch eine
Cuticula des Epithels vor, wie in Fig. 4 und 5 der Taf. IV und in der Fig. 2 der Taf. V dargestellt worden ist;
in solchen Präparaten sieht man oft sehr schön, dass vom oberen nicht selten kolbig erweiterten Ende des Zellenfortsatzes
sich noch ein feiner Faden fortsetzt, welcher durch einen Porcanal der Cuticula bis zur Oberfläche hinan
reicht. Der centrale Fortsatz dieser bipolaren Zellen lässt sich gewöhnlich noch eine Strecke im unterliegenden
Gewebe verfolgen, obwohl man sein endliches Schicksal in diesen Präparaten nicht zu entscheiden vermag, indem
er umbiegt und an der Schnittfläche abgeschnitten worden ist.
Was stellen nun diese aus der Körperhaut, den Fühlern und der Mundhöhle dargestellten bipolaren Zellen dar?
In dem Lichte der neueren Nervenhistologie und v. A. der Befunde bei den Würmern (Lumbricinen und
Polychäten) scheint mir kaum eine andere Deutung möglich zu sein, als dass diese Zellen sensible Nervenzellen,
Sinnesnervenzellen, sind. Es sind nicht Sinneszellen nach dem alten Begriffe dieses Wortes, specifische Epithelzellen,
welche mit solchen Nervenfasern peripher zusammenhängen, deren Ganglienzellenkörper in Centraiorganen liegen,
sondern diese bipolaren sensiblen Zellen sind selbst die Nervenzellen (»Ganglienzellen»), von welchen die fraglichen
Nervenfasern entspringen, um in ihrem centralwärts angeordneten Verlaufe die Centraiorgane aufzusuchen und auf
ihre Elemente in irgend einer Weise, wahrscheinlich nur durch Berührung (Contact), die Eeizimpulse überzuführen.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/biol_unt_1892_04/0030