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9.
Weiteres über die Gallenkapillaren
und den Drüsenbau der Leber.
Tafel XX—XXII.
Im vorigen (III.) Bande meiner Biol. Untersuchungen N. F. lieferte ich eine Mittheilung »lieber die Gallen-
Impillaren und den Drüsenbau der Leber», in welcher ich auf Grund verschiedener mittelst der Golgi'schen Methode
gevonnener Erfahrungen an der Säugethier- und Vogelleber darthat, dass der echt tubuläre Drüsenbau der Leber in
der That weit mehr ausgeprägt ist, als man bisher angenommen hat. Bei der Durchmusterung1 einer grösseren
Anzahl von Präparaten, v. A. von der Mäuseleber, hatte ich mich nämlich davon überzeugt, dass wenigstens die meisten
Kapillaren nicht mit einander anastomosiren, also Iceine Netze bilden, sondern sich mit ihren Zweigen in verwickelten
Bahnen um einander winden und mithin eher ein »Ge-fieeJd» als ein »Vefo» constituiren. Es sind sehr zahlreiche
Seitenäste der Gallen kapillaren vorhanden, welche den Anfängen der Drüsengänge der Speicheldrüsen sehr ähnlich
sind. Indessen leugnete ich das Vorkommen der Anastomosen der Gallenkapillaren, welches ich z. B. in der Hunde-
leber sah, nicht, sondern ich stellte nur die Behauptung auf, dass jedenfalls die Anastomosen viel weniger zahlreich
vorkommen, als man bisher angenommen hat. Die Leber sei wenigstens bei gewissen Thieren, auch bei den
Säugern, meiner Ansicht nach, nicht als »netzartig tubuläre», sondern als verästelt tubuläre zu betrachten.
Ich wies darauf hin, dass Hering und Eberth schon vor vielen Jahren einen tubulären Typus der
Leber nachgewiesen hatten. Nach Hering ist derselbe bei den niederen Wirbelthieren, Fischen, Amphibien und
Vögeln, deutlich ausgeprägt, bei den Säugethieren aber auffallend modificirt. Eberth, welcher unabhängig zu
ähnlichen Kesultaten gelangt war, hegte indessen in Betreff der Säugethierleber etwas abweichende Ansichten.
Sowohl Hering wie Eberth sahen jedoch die Leber der Wirbelthiere als eine netzartig tubulöse Drüse an, indem
sie ein überall vorhandenes maschenartiges Anastomosiren der Gallenkapillaren beschrieben; Eberth sah indessen
an den Kapillaren kürzere, laterale und terminale blind endigende Nebenzweige, welche Hering nicht anerkennen
wollte, indem er sie für Produkte einer unvollkommenen Injection erklärte.
Ich habe diese Hauptpunkte aus der Geschichte der Histologie der Leber nochmals angeführt, weil ich seit
dem Erscheinen meiner vorigen Mittheilung erfahren habe, class ich die hierauf bezügliche Darstellung eines hoch
bewährten Forschers übersehen hatte. In der fünften Auflage von Kölliker's Handbuch der Gewebelehre des
Menschen, welche auch im Jahre 1867, also in demselben Jahre wie Hering's und Eberths Mittheilungen erschien,
rindet sich eine eingehendere, auf eigene ausgedehnte Untersuchungen gestützte Besprechung der fraglichen Structurver-
hältnisse. Kölliker sagt, dass seine Untersuchungen zu einer fast vollen Bestätigung der Angaben Hering's dienen.
In gewissen Punkten weicht er aber ab, erstens in Betreff der Anordnung der Blutkapillaren, zweitens hinsichtlich
der Leberkapillaren. Aus mehreren, von ihm näher angeführten theoretischen Gründen nimmt er an, dass blind
endigende Gallenkapillaren eventuell vorkommen. »Blinde Enden oder Ausläufer des Netzes der Gallencapillaren»,
äussert Kölliker weiter, »sieht man nun in der That sehr häufig, allein es ist begreiflicherweise schwer zu entscheiden
, ob dieselben wirkliche blinde Enden darstellen, indem eine unvollkommene Injection solche erzeugt und
zweitens umbiegende Capillaren als solche erscheinen können. Ich habe jedoch auch an den vollkommensten In-
jectionen, an denen ganze Leberläppchen oder die grössten Theile derselben ohne Extravasat und ganz rein injicirt
waren, und unter möglichster Vermeidung anderer Täuschungen, blinde Ausläufer des Gallencapillarnetzes gesehen, und
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