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her für unmöglich, in der kurzen Zeit, die bei der Untersuchung unfixirter Präparate gegeben ist, genaue Resultate
zu erzielen«. Im Gegentheil finde ich die unfixirten Präparate, wenn sie schön ausgefallen sind, oft weit distinkter
als die fixirten, und falls man sie mit Sorgfalt behandelt, lässt sich ihre Untersuchung und bildliche Darstellung oft
scharf und sicher ausführen. Dagegen ist es von besonderem Werthe, dass sich die Präparate nach der bethe'schen
Fixirung schön in Schnitte zerlegen und vor Allem, dass sie sich längere Zeit aufbewahren lassen, so dass man sie
wiederholt studiren und mit einander vergleichen kann1.
Für das Gelingen der bethe'schen Fixirung ist es von besonderer Wichtigkeit, dass, wie Bethe es selbst
angegeben hat, die Fixirung in der Kälte (+ 20 bis — 2 0 C) geschieht; es ist aber ebenso notwendig, dass die
Behandlung mit Alkohol bei entsprechender Kälte und schnell stattfindet, ebenso dass der Alkohol mittelst Xylol
oder Toluol möglichst sorgfältig aus den Präparaten entfernt wird. Man soll deshalb, wenn man eine recht gute
Fixirung der gefärbten Präparate zu bekommen wünscht, an Alkohol und Xylol nicht sparen; anfangs verlor ich
manche Präparate, weil ich von den genannten Flüssigkeiten zu wenig bei mir hatte und sie daher nicht in reichlicher
Menge anwenden konnte.
Ich gehe jetzt zur Darstellung des Gehirnganglions von Nereis über. Ich studirte es sowohl frisch wie fixirt.
Von fixirten Präparaten besitze ich in Canadabalsam noch eine Reihe sowohl in toto aufbewahrter, wie auch in
Paraffin geschnittener Ganglien, deren Färbung nach etwa zwei Monaten noch ebenso gut ist wie gleich nach ihrem
Einlegen.
Es ist nicht meine Absicht, hier eine vollständige Beschreibung aller Partien des interessanten Ganglions und
seiner von ihm abgehenden Nervenzweige zu geben, denn dazu reichen meine Erfahrungen nicht hin. Dagegen
wünsche ich auf einige Bauverhältnisse aufmerksam zu machen, welche mir für die Nervenlehre von mehr allgemeinem
Interesse zu sein scheinen.
Auf der Taf. II habe ich in der Fig. i eine dorsale Ansicht des ganzen Gehirnganglions von Nereis diversi-
color dargestellt; diese Figur ist von mir nach mehreren Präparaten zusammengestellt worden. Zwar liegt nicht
selten eine allgemeine reiche Färbung vieler Nervenzellen und ihrer Fortsätze in demselben Ganglion vor; bei solcher
Färbung ist es aber sehr schwer, die einzelnen Fortsätze zu verfolgen. Deshalb ist es viel sicherer, solche Präparate
zu studiren, in welchen nur einzelne oder wenige Elemente scharf gefärbt vorliegen, und aus ihnen ein Gesammtbild
zusammenzustellen.
Im Inneren des Ganglions trifft man eine grosse Ansammlung der sog. Punktsubstanz, die bei schwacher
Vergrösserung, wie gewöhnlich, ein körniges Aussehen darbietet, bei genauerer Untersuchung und stärkerer
Vergrösserung sich aber in ein Geflecht von mehr oder weniger varikösen Fäserchen auflöst. Man kann diese
Faserchen bei guter scharfer Färbung hier und da streckenweise auf ihren wechselnden Bahnen verfolgen, und zwar
sowohl bis zu ihren Enden in den verschiedenen Partien des Ganglions, wie auch distalwärts bis in die abgehenden
Nervenzweige oder bis zu den Nervenzellen, deren Fortsätze sie bilden. Es liegt nämlich prinzipiell ganz dieselbe
Einrichtung vor, die ich zuerst in den Ganglien der Crustaceen und dann auch bei Würmern mehrerer Art nachgewiesen
habe. In der Peripherie des Gehirnganglions von Nereis liegen ebenfalls verschiedene Ansammlungen von
Ganglienzellen, welche ihre Fortsätze in den Punktsubstanzballen oder, wie es nunmehr richtiger ist zu sagen, in den
Neuropilemballen des Ganglions hineinschicken. Die Ganglienzellen, welche dem eigentlichen Ganglion angehören,
sind auch hier unipolar. Solche Ansammlungen unipolarer Zellen finden sich theils am ganzen vorderen Umfange
(o-1), theils an den beiden Seiten (g'2), theils auch am hinteren Umfange (g3). Diese Zellen sind von wechselnder
Grösse; die grössten finden sich an den Seiten, ungefähr an der Mitte; nach vorn davon und ebenso auch
am hinteren Umfange sind die kleinsten belegen; die übrigen sind meistenteils von mittlerer Grösse. Alle diese
Zellen sind mehr oder weniger birnförmig gestaltet und schicken ihren einzigen Fortsatz in die Neuropilemsubstanz
hinein. Auf ihrem Wege durch dieselbe geben diese Fortsätze an verschiedenen Stellen feinere Nebenäste ab, welche
sich weiter verästeln, varikös werden und in dem Neuropilem frei endigen. Nie sieht man eine wirkliche Anastomo-
sirung der Xebenäste der verschiedenen Nervenzellen oder der Stammfortsätze derselben.
1 Ich habe die bethe'sche Fixirmethode auch bei verschiedenen anderen Untersuchungen angewendet und sie sehr verwerthbar
gefunden, z. B. bei der Untersuchung motorischer und sensibler Nervenendigungen bei Wirbellosen und Wirbelthieren, der Ganglienzellen
des Rückenmarkes und der Kopihaut von Myxine, der sympathischen Ganglienzellen des Frosches und des Kaninchens u. s. w. Bei den
Crustaceen zeigte sich die Methode dagegen, falls man die Nervenendigungen der von Chitin eingeschlossenen Anhänge zu untersuchen
wünscht, weniger verwerthbar. Diese Thatsache hat Bethe neulich ebenfalls angeführt.
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