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(1890) bei diesen Thieren ähnliche Verhältnisse wie die von Leydig bei anderen Arthropoden aufgefundenen
beschrieben hat, und dass in letzter Zeit Rina Monti 1 und Emil Holmgren 2 bei verschiedenen Insecten auch vermittelst
der Methylenblaumethode entsprechende Resultate bekommen haben.
Durch alle diese Untersuchungen ist also auch für die Arthropoden dasselbe Prinzip für die Einrichtung des
sensiblen Nervensystems nachgewiesen, welches durch v. Lenhossek's und meine Arbeiten für andere Evertebraten
(Würmer, Mollusken) dargelegt worden ist. Es ist in der That durch diese neuesten Forschungen festgestellt, was
Leydig bei den Arthropoden schon vor mehreren Decennien dargethan hatte, dass nämlich unter jedem Sinneshaar
eine Gruppe von Sinneszellen, ein kleines peripheres Ganglion, belegen ist, welches sich mit je einem Nervenzweig
verbunden zeigt. Diese wichtige Thatsache, welche Claus 3 durch eine Reihe schöner Untersuchungen schon vor
Jahrzehnten bestätigt und bereichert hat, ist nun im Lichte der neueren Nervenlehre prinzipiell erläutert worden und
leicht zu erklären.
Zwischen den Angaben von Leydig und Claus besteht indessen eine Differenz, indem der erstere Forscher
das Eindringen eines Fortsatzes der Sinneszellen in das betreffende Sinneshaar (die Borste) nicht sah, während Claus
die Nervenfaser als Axenfaden tief in die Borste hinein verfolgen konnte.
Was nun das Verhalten der Nervenfasern zu dem Ganglion betrifft, so ist es wohl die Ansicht von Leydig
und auch von Claus gewesen, dass diese Fasern mit den Ganglienzellen direct zusammenhängen und nicht nur
einfach durch das Ganglion hindurchtreten. Es ist indessen vom Rath's Verdienst, dass das Verhalten der Ganglienzellen
oder Sinnesnervenzellen genau präcisirt wurde. Er wies nämlich bestimmt nach, dass diese Zellen bipolar
sind und dass jede einen proximalen Fortsatz an den Nervenzweig (das Centraiorgan) und einen distalen (Terminalfaden
) an die Peripherie, das Sinneshaar, abgiebt; der letztere Fortsatz dringt, in Uebereinstimmung mit Claus'
Angaben, gegen die Spitze des Haares hinan.
Da mich das fragliche Thema, zumal es nach meiner ersten darauf bezüglichen Mittheilung (1890) durch die
von v. Lenhossek und mir bei anderen Wirbellosen erzielten Ergebnisse für die gesammte Nervenlehre vielfach an
Bedeutung gewonnen hatte, sehr interessirte, habe ich in diesem Sommer gelegentlich eines Aufenthaltes in der
Zoologischen Station auf unserer Westküste bei mehreren marinen Crustaceen die Methylenblau- und die Chromsilber-
Methode von Neuem versucht, habe aber damit keinen befriedigenden Erfolg gehabt. Bei Palaemon und Mysis verhinderten
u. A. die Chromatophoren die Verfolgung der sensiblen Elemente. Im Telson dieser Thiere gelang es mir
zwar mehrmals bipolare Zellen imprägnirt zu erhalten, deren distaler Fortsatz bis in die Wurzel der Sinneshaare,
deren proximaler eine Strecke centralwärts verfolgt werden konnte (Taf. VI, Fig. 10). Dass die sensiblen Zellenelemente
hier gefärbt vorlagen, war höchst wahrscheinlich, es waren aber zu wenige Bruchstücke, um daraus mit Sicherheit
allgemeine Resultate herleiten zu können.
Ich wandte mich deshalb noch einmal zu dem alten Materiale, dem Flusskrebs, bei welchem ich mit der
Methylenblaumethode früher hinsichtlich des Bauchstranges so gute Färbungen bekommen hatte. Ich prüfte hierbei
die verschiedenen Anhänge und kam dadurch zu dem Ergebniss, dass die breiten Theile der Maxillen und Mandibeln
und die Abdominalbeine für diese Untersuchung am besten geeignet sind. Aber auch die erste Antenne giebt hier
und da interessante Bilder.
Ich injicirte die Krebse mit einer kleinen Spritze, in der Regel an der ventralen Seite des Abdomens; zuweilen
wiederholte ich die Injection nach einer Viertelstunde noch einmal, Hess die Thiere in einem Eisschrank 1 Stunde
liegen, schnitt dann einige Abdominalfüsse ab und prüfte, ob die Färbung eingetreten war. In der Regel sah ich
hier und da schon eine oder mehrere sensible Elemente, »Sinnesnervenzellen«4, mit ihren Fortsätzen schön blau gefärbt.
Diese Färbung hielt sich bei dem im Eisschrank liegenden Krebse 1 Stunde lang; worauf sie gewöhnlich anfing zu
erbleichen, um endlich ganz zu schwinden. Dieses frühe Auftreten und bald eintretende Verschwinden der Färbung
der sensiblen Zellen erklärt es, dass ich dieselben bei meinen früheren Untersuchungen, im Jahre 1890, nicht auffand.
Für die gute Färbung des Bauchstranges waren 8—20 Stunden erforderlich. Ich Hess deshalb meine Versuchsthiere,
1 Rina Monti, Ricerche microscopiche sul sistema nervoso degli insetti. Bollet. scientif., No. 4, 1893—94.
2 Emil Holmgren, Studier öfver hudens och körtelart. hudorg. morfologi hos skand. makrolepidopterlarver. K. Svenska Vetensk.
Akad. Handlingar, Bd. 27, No. 4, 1895.
3 In Betreff der Angaben von Claus kann ich auf seine eigene Mittheilung im Zoolog. Anzeiger (14. Jahrg., 19. Oct. 1891, No. 375*>
hinweisen, in welcher er diese Angaben selbst zusammengestellt hat.
4 Bethe, welcher in seiner letzten Mittheilung diese Benennung aufnimmt, äussert dabei, dass er nicht weiss, von wem sie stammt.
In meiner Abhandlung über das Nervensystem der Lumbricinen (Biol. Unters. N. F. III, 1892) habe ich dieselbe angewandt, und ich glaube
nicht, dass vorher Jemand diesen Terminus technicus für diese Zellen gebraucht hat.
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