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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/biol_unt_1909_14/0013
IX

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Es war deshalb mein Wunsch, nachzuforschen, ob diese Typen noch bei anderen Vertretern der Nagetierordnung
vorkommen. Ich bemühte mich deshalb, aus möglichst vielen Familien dieser Ordnung lebende, voll erwachsene
Repräsentanten mir zu verschaffen, aber auch hierbei bin ich auf unerwartete Schwierigkeiten gestossen. Aus allem,
was ich erfahren habe, bin ich jedoch zu dem Schlüsse gelangt, dass, soweit man bisjetzt kennt, die eigentümliche
Beilform des Kopfes nur der Familie Muridae zukommt und hier mehrere Variationen aufweist, während bei den
übrigen Nagetieren wenigstens zwei andere Typen herrschen, nämlich der mehr primitive, welcher am primitivsten
bei Hystrix, sowie bei den Leporinen und mehreren anderen Familien vorkommt, und der Typus der breitköpfigen
Spermien von Cavia, welcher einigen Familien eigen ist.

Ich habe diese Befunde hier angeführt, um hervorzuheben, dass auch bei den höheren Vertebraten interessante
Probleme vorliegen, und dass die phylogenetischen Aufgaben durch das Studium der Spermien Beiträge
zu ihrem Verständnis gewinnen können. Granz besonders interessant wäre es, eine Reihe Vertreter der höchsten
Ordnung, von derjenigen der Primaten, hinsichtlich der Spermienformen eingehender kennen zu lernen. Auch hier
habe ich mich vielfach bemüht, das erwünschte Material zu bekommen. Von Halbaffen gelang es mir zuletzt,
einen lebenden Lemur, mit Spermien versehen, zu erhalten, nachdem ein vorher eingekaufter getötet, aber zu jung
befunden war; ganz dasselbe geschah mit Hapale. Bei einem hier in Stockholm gestorbenen Inuus ecaudatus wurden
sowohl reife als unreife Spermien angetroffen. Ein Hylobates, den ich drei Jahre lebend hielt, hatte ebenfalls, als er
dann getötet wurde, obwohl nur sparsam, Spermien. Vom Orang, Grorilla und Schimpanzen vermochte ich dagegen,
trotz vieler Bemühungen, keine Spermien zu bekommen. Die bei den Tierhändlern zu erhaltenden Exemplare von
diesen Tieren waren noch zu jung und die konservierten Hoden, die ich aus Sammlungen der Museen untersuchen
konnte, enthielten keine Spermien. Ich erwähne dies alles hier, um zu zeigen, wie schwierig es sich erweist, das
nötige Material zu gewinnen. Und gerade auf diesem letzteren Grebiete, dem der Anthropoiden, wäre es von besonderem
Interesse gewesen, solches zu erhalten, um die Verhältnisse bei ihnen mit denen beim Menschen eingehend
vergleichen zu können.

Ich habe hier nur einige der Aufgaben kurz besprochen, welche die phylogenetischen Probleme berühren,
zu deren Lösung eine umfassende und tief eindringende Erforschung der Spermien der Tiere beitragen könnte, und
auf welche ich meine Aufmerksamkeit speziell gerichtet hatte.

Das Studium der Spermien hat aber noch andere wichtige Aufgaben. Für die Zellenlehre im allgemeinen
haben nicht nur der Bau und die Lebenserscheinungen der reifen Spermien eine Bedeutung, die nicht unterschätzt
werden mag. Von noch grösserem Wert sind aber für diese Lehre die Untersuchungen der Spermiogenese gewesen,
und werden es gewiss auch fortwährend bleiben. Die Erscheinungen bei der Teilung und Ausbildung der
generativen männlichen Zellen, und ganz besonders das Verhalten der Centraikörper und ihrer Derivate, haben durch
die Bemühungen von einer Reihe auf diesem Grebiete bahnbrechender Forscher, wie v. Ebner, v. la Valette St. George,
v. Brunn, Flemming, v. Lenhossek, Hermann, Benda, sowie v. a. Meves und auch seiner Schüler, Broman, v. Korff,
Duesberg u. a., für die Zellenlehre im ganzen schon bedeutungsvolle Eroberungen geschaffen; und sicherlich ist
auf diesem Felde noch viel zu gewinnen, sobald die histologische und experimentelle Technik noch weiter entwickelt
wird. Dies geht u. a. schon aus den Ergebnissen der von Benda erfundenen Färbungsmethode hervor, durch
welche es ihm, sowie auch Meves und seinen Schülern, gelungen ist, eine besondere Art von Protoplasmakörnern,
den sog. Mitochondrien oder Chondriomiten (resp. den Chondriokonten, Chondriosomen) von frühen Stadien der
Spermazellen bis in die letzten Stadien zu verfolgen. Die Körner, welche v. Brunn schon im J. 1884 in den
Spermiden der Ratte und Prenant im J. 1887 in denen der Reptilien entdeckt und unterschieden hatten, gewannen
durch die neue Färbungsmethode eine noch erhöhte Bedeutung. In einer ganz kürzlich (24. Okt. 1908) erschienenen,
mir während des Druckes dieses Bandes meiner Biologischen Untersuchungen vom Verfasser gütigst zugeschickten
Arbeit hat Meves — im Anschluss an Äusserungen von Benda (vom J. 1903) — den fraglichen Körnern und Fäserchen,
welche er nunmehr zusammen als Chondriosomen bezeichnet, eine noch höhere Bedeutung angewiesen, indem er sie
als Träger erblicher Anlagen aufführt und sie weiter beim Embryo verfolgt.

Uber diese hochinteressante Frage und die neuesten sehr wertvollen Untersuchungen von Meves habe ich
mich im Schlusskapitel der letzten Abhandlung dieses Bandes etwas ausführlicher geäussert, weshalb ich hier auf
dieselben nicht näher eingehe.

Ich kann jedoch nicht umhin zu erwähnen, dass mir auch eine derartige Aufgabe speziell der v. BRUNN'schen
Körner schon lange vorgeschwebt hat, obwohl ich die eigentlichen Beweise dafür noch nicht zu gewinnen vermochte
. In einer Abhandlung, welche schon lange fertig lag, aber erst im I. Bande des zur Sekularfeier der


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