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20.
Die Spermien des Menschen.
Taf. LX-LXI.
Obwohl sicherlich die Spermien des Menschen seit der Jugendzeit der mikroskopischen Forschung der Gegenstand
von Untersuchungen gewesen sind und man sie in den Lehrbüchern schon seit lange her gelegentlich
geschildert und abgebildet hat, finden sich indessen bis auf unsere Zeit in der betreffenden, tiefer eindringenden Literatur
nur sehr wenige erläuterndere Darstellungen von ihnen. Man hat in der Tat mehr den Spermien der Urodelen
und Singvögel als denen des Menschen seine Aufmerksamkeit gewidmet. Eine Ursache zu diesem Verhältnis ist
wohl darin zu suchen, dass die Spermien des Menschen von auffallend geringer Grösse sind und deswegen, v. a.
während der früheren Perioden der mikroskopischen Forschung, als die optischen und im ganzen die technischen
Hilfsmittel noch weniger vollendet waren, den Untersuchungen grössere Schwierigkeiten darboten. Noch in
der 5. Auflage seines berühmten Handbuchs der Gewebelehre v. Jahre 1867 war Albert Kölliker — welcher sich
auch gerade auf dem Gebiete der Lehre von den Samenzellen so hohe Verdienste erworben hatte, indem er zuerst
ihre Formvariationen eingehender beschrieb und auch als erster sicher nachgewiesen hatte, dass die Samentierchen,
die Spermatozoen, umgewandelte, spezialisierte Zellen des Körpers des betreffenden Individums sind — bei der
Ansicht geblieben, dass der Schwanz der Spermatozoen aus dem Zellkern selbst herausgewachsen sei; »und zwar»,
sagt er nämlich hier noch, »entwickelt sich, wie ich im Jahre 1855 nachgewiesen habe, aus jedem Kerne derselben
Ein Samenfaden dadurch, dass der Kern sich verlängert und von seinem einen Ende aus einen Faden treibt, während
zugleich der Rest des Kernes birnenförmig gestaltet zum Körper des Samenfadens wird.» Kölliker, welcher auch
die Spermien des Menschen untersucht hatte, teilte von ihnen mehrere Abbildungen mit, welche für den Standpunkt
der damaligen Zeit verhältnismässig gut waren.
Schweigger-Seidel l) hatte indessen schon im J. 1865 nachgewiesen, dass bei einer Anzahl von Tieren,
Amphibien, Vögeln und Säugetieren (Schaf, Maus, Igel, Schwein, Meerschweinchen, Kaninchen), Kopf und Schwanz
der Spermien genetisch nicht aus denselben Zellteilen entstammende Partien sind, indem nur der Kopf aus dem Kerne
hervorgeht, der Schwanz aber ein Produkt des Protoplasmateils der Zelle darstellt, sowie dass zwischen ihnen eine
dritte Partie, das Mittelstück, liegt. Schweigger-Seidel scheint aber die Spermien des Menschen nicht untersucht
zu haben und gab von ihnen keine Darstellung.
Nachdem dann (1874) Eimer 2) — hauptsächlich bei den Spermien der Vespertilionen, aber im Zusammenhang
mit ihnen auch bei anderen Säugetieren und sogar beim Menschen — dargetan hatte, dass sich im Mittelstücke
und im Schwänze ein Axenfaden befindet, sowie dass die Hülle des Mittelstückes sich in feine ringartige Querstücke
zerteilen kann; und nachdem dann Heneage Gibbes (1879) :j) sogar auch beim Menschen einen Spiralsaum
beschrieben hatte, welcher dem ganzen Schwanz folgt, legte Jensen (1879) 4) dar, dass in der Tat auch beim Menschen,
wie beim Eber und Stier, in der ganzen Länge des Mittelstückes ein Centraistrang (Axenfaden) vorhanden ist und
entblösst werden kann, an welchem er auch eine Art Umhüllung sah: »Ich kann gar nicht daranzweifeln», fügte
*) F. Schweigger-Seidel, Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Band I, 1865.
2) Th. Eimer, Untersuchungen über den Bau und die Bewegung der Samenfäden. Verhandl. d. physik.-medic. Gesellsch. in Würzburg. N. F. Band
VI, 1874.
3) Heneage Gibbes, On the Structure of the Yertebrate Spermatozoon. Quart. Journ. of microsc. Science N. F. Vol. XIX, 1879 — and On Human
Spermatozoa. Ibid. Vol. XX.
4) 0. S. Jensen, Die Structur der Samenfäden. Bergen 1879.
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