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2. Die reifen Eier.
Ich gehe deshalb zur Darstellung der reifen Eier über und führe wieder aus meiner vorläufigen Mitteilung
einzelne Stücke an. Solche Eier mit ihrem so stark reduzierten Eikern, welcher bekanntlich in der Regel etwas
exzentrisch im Ei liegt, trifft man im Juli und August in den Ovarialschläuchen von Parechinus miliaris in grosser
Menge zusammen mit noch nicht ganz angereiften, auf früheren Ausbildungsstadien befindlichen Eiern. Die von
den Tieren abgehenden Eier sind auch zum allergrössten Teil reif; unter denselben kommen aber noch einzelne
unreife, mit grossem Keimbläschen versehene Eier vor, bei denen also der Teilungsprozess der Richtungskörperbildung
noch nicht vorsichgegangen ist.
Wenn man nun die Anordnung des Protoplasmas in den reifen Eiern mit dem reduzierten Eikern näher
studiert, findet man diese Anordnung mit dem hier oben beschriebenen Prozess der Eiausbildung übereinstimmend.
Da ich in der mir zugänglichen Literatur keine Beschreibung von dieser wichtigen Struktur finden konnte, glaubte
ich zuerst, dass vielleicht Fixierungseinflüsse vorliegen könnten. Bei einem eingehenden Studium des in verschiedener
Weise fixierten und behandelten Materials kam ich aber zu der sicheren Uberzeugung, dass hier keine
Täuschung vorliegen könne. Ich habe seitdem eine grosse Menge von Eiern untersucht und in den reifen, noch
nicht befruchteten Eiern stets dieselbe Struktur gefunden.
In allen solchen Eiern findet mau nämlich eine Anordnung der Dottermasse in gewundenen Balken oder
Strängen, welche mit der schon oben dargestellten Anordnung der noch nicht reifen Eier übereinstimmt. Die
Fig. 1 der Taf. III gibt eine Vorstellung von diesen Verhältnissen im reifen Ei. Sie stellt einen dünnen Schnitt
durch ein ganzes Ei dar, an welchem der Eikern mit seinen Chromosomen getroffen ist. Der ganze Dotter zeigt
einen solchen Bau aus Dotterbalken, welche in verschiedenen Richtungen, oft schief oder quer hinüber, verlaufen.
Diese Balken oder Stränge bestehen aus dicht gedrängten Dotterkörnern, welche in den Präparaten durch Eosin
rot gefärbt sind, und von einem Greflecht von dunklen (durch Hämatoxylin gefärbten), mit Körnern besetzten
Fasern dicht umsponnen sind. Zwischen diesen Balken erkennt man helle Spalträume von etwas verschiedener
Weite, in denen nur hier und da einzelne Fasern von einem Balken zu einem Nachbarbalken hinüberlaufen. In
den verschiedenen Eiern sind diese hellen, von Paramitom gefüllten Zwischenräume von sehr wechselnder Weite,
wodurch die Balkenanordnung verschieden deutlich hervortritt. Man hat es natürlich hier mit minimalen Grrössen-
verhältnissen zu tun; weshalb sie, weil man es mit perspektivischen Bildern zu tun hat, besonders schwer abzubilden
sind. Die Fig. 1 ist bei der Vergrösserung von Zeiss' Apochrom. 2 mm Ap. 1,30, Okul. 12 gezeichnet; im
Mikroskope sieht man aber die Anordnung noch weit deutlicher hervortreten. Ich habe deshalb in Fig. 2 derselben
Tafel etwa 2/3 eines ebensolchen Präparates in noch 2 mal linearer Vergrösserung abgebildet und ausserdem
in den Fig. 3—7 einzelne Partien von Präparaten mit wechselnder Weite der Paramitomräume wiedergegeben.
Die Fig. 5 und 7 sind in dreimaliger linearer Vergrösserung der genannten Zeiss'schen Bilder gezeichnet. In Fig.
3 sind die Paramitomräume so stark reduziert, dass die Deutoplasmabalken einander dicht anliegen und ihre
Grenzen nur durch die umspinnenden Mitomgeflechte angegeben sind. Zwischen diesem »kompakten» Zustand
und dem mit weiten Paramitomräumen kommen alle Ubergänge vor. Man sieht hier zwei Stücke von solchen Dotterkörnerbalken
mit dem umspinnenden Mitomgeflecht und dem zwischen ihnen befindlichen Paramitomraum, durch
welchen einige Mitomfasern hinüberlaufen. Diese Paramitom- oder Interfilarmassenräume können also, wie eben
hervorgehoben, sowohl in demselben Ei als in den verschiedenen Eiern von verschiedener Weite sein; je nach
ihrer Wreite ist deshalb die Balkenanordnung mehr oder weniger deutlich ausgesprochen. Sie ist aber immer vorhanden
und nicht nur durch die genannten Räume, sondern auch durch die Mitomfasern angegeben. Sie nimmt
das ganze Protoplasma vom Eikern bis zur Oberfläche des Eies ein. An der äussersten Oberfläche erkennt man
oft eine sehr dünne Lage, in welcher Dotterkörner fehlen oder wenigstens selten zu sehen sind, im übrigen hat
man aber überall denselben Bau.
Ich habe mich bemüht, in der Anordnung der Balken Regeln zu finden. Da man ja bekanntlich am befruchteten
Ei nachgewiesen hat, dass die beiden Polregionen und die Mittelregion in der weiteren Entwicklung
ganz verschiedene Aufgaben haben, indem die drei Regionen den drei Primitivorganen der Larve entsprechen,
nämlich am animalen Pole dem Ektoblast, am vegetativen Pole dem primitiven Mesenchym und dem Larvenskelett
, und an der Zwischenregion dem Darm und seinen Derivaten — so dachte ich mir die Möglichkeit, dass
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